Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thünen, Johann Heinrich von: Der isolirte Staat in Beziehung auf Landwirthschaft und Nationalökonomie. Hamburg, 1826.

Bild:
<< vorherige Seite

Indem wir nun aber von den Erfahrungen, die ein
einzelnes Gut in einem bestimmten Zeitraum geliefert hat,
ausgehen, wird die eigentliche Aufgabe für unsere nächsten
Untersuchungen folgende:
wie muß sich die Landrente und die Bewirth-
schaftungsart des Guts T. ändern, wenn wir stuf-
fenweise immer niedrigere Kornpreise annehmen.

Der isolirte Staat ist bei dieser ganz auf der Wirk-
lichkeit beruhenden Untersuchung nur eine bildliche Dar-
stellung, eine Form die den Ueberblick erleichtert und er-
weitert 2); die wir aber nicht aufgeben dürfen, weil sie,
wie die Folge ergeben wird, so reich an Resultaten ist.


2) Ein Freund, dem ich das Manuscript mittheilte, machte zu die-
ser Stelle folgende Bemerkung, die ich, wie ich glaube, dem Le-
ser mittheilen darf.
"Ein Spiegel, den die Theorie hinstellt, um in ihm die ver-
"worrenen und sich kreuzenden Linien der Erscheinung, in reiner
"Perspektive sichtbar werden zu lassen."
"-- Eine Form, mit der wir den Brennpunkt der Erschei-
"nung meinen getroffen zu haben, so daß wir fast analytisch
"daraus die einzelnen vereinigten Richtungen entwickeln können,
"indem wir zugleich durch eine geistige Synthesis das Ganze
"naturgemäß erbauen."
"-- Was wir thun, ist im Grunde dies, daß wir einen klei-
"nen bestimmten Punkt der Erfahrung, ein einzelnes Gut, zur
"wissenschaftlichen Höhe, d. h. zur Allgemeinheit zu erheben ver-
"sucht haben; denn in der That muß jedes Glied eines organi-
"schen Ganzen auch in dieser vereinzelten Gestalt den allgemei-
"nen Typus an sich hervortreten lassen, und nur, indem wir das
"allgemeine Gesetz an solchen bestimmten Punkten nachzuweisen,
"oder das Vereinzelte unter seiner urbildlichen Form aufzustellen
"im Stande sind, können wir sagen, daß uns die erscheinende
"Welt und ihr Gesetz klar geworden sey. Und zu solcher Auf-
"fassung sind wir hier vollkommen berechtigt, ja aufgefordert;
"denn die bürgerliche Gesellschaft und der Staat sind keine Ma-
"schine, bei der Ursache und Wirkung sich trennte, sondern ein
"wahrhaft organisches Gebilde, daher hier eben so Alles bewirkt,
"als selber wirkend wird, kurz es findet hier eine Wechsel-
"wirkung statt."

Indem wir nun aber von den Erfahrungen, die ein
einzelnes Gut in einem beſtimmten Zeitraum geliefert hat,
ausgehen, wird die eigentliche Aufgabe fuͤr unſere naͤchſten
Unterſuchungen folgende:
wie muß ſich die Landrente und die Bewirth-
ſchaftungsart des Guts T. aͤndern, wenn wir ſtuf-
fenweiſe immer niedrigere Kornpreiſe annehmen.

Der iſolirte Staat iſt bei dieſer ganz auf der Wirk-
lichkeit beruhenden Unterſuchung nur eine bildliche Dar-
ſtellung, eine Form die den Ueberblick erleichtert und er-
weitert 2); die wir aber nicht aufgeben duͤrfen, weil ſie,
wie die Folge ergeben wird, ſo reich an Reſultaten iſt.


2) Ein Freund, dem ich das Manuſcript mittheilte, machte zu die-
ſer Stelle folgende Bemerkung, die ich, wie ich glaube, dem Le-
ſer mittheilen darf.
«Ein Spiegel, den die Theorie hinſtellt, um in ihm die ver-
«worrenen und ſich kreuzenden Linien der Erſcheinung, in reiner
«Perſpektive ſichtbar werden zu laſſen.»
«— Eine Form, mit der wir den Brennpunkt der Erſchei-
«nung meinen getroffen zu haben, ſo daß wir faſt analytiſch
«daraus die einzelnen vereinigten Richtungen entwickeln koͤnnen,
«indem wir zugleich durch eine geiſtige Syntheſis das Ganze
«naturgemaͤß erbauen.»
«— Was wir thun, iſt im Grunde dies, daß wir einen klei-
«nen beſtimmten Punkt der Erfahrung, ein einzelnes Gut, zur
«wiſſenſchaftlichen Hoͤhe, d. h. zur Allgemeinheit zu erheben ver-
«ſucht haben; denn in der That muß jedes Glied eines organi-
«ſchen Ganzen auch in dieſer vereinzelten Geſtalt den allgemei-
«nen Typus an ſich hervortreten laſſen, und nur, indem wir das
«allgemeine Geſetz an ſolchen beſtimmten Punkten nachzuweiſen,
«oder das Vereinzelte unter ſeiner urbildlichen Form aufzuſtellen
«im Stande ſind, koͤnnen wir ſagen, daß uns die erſcheinende
«Welt und ihr Geſetz klar geworden ſey. Und zu ſolcher Auf-
«faſſung ſind wir hier vollkommen berechtigt, ja aufgefordert;
«denn die buͤrgerliche Geſellſchaft und der Staat ſind keine Ma-
«ſchine, bei der Urſache und Wirkung ſich trennte, ſondern ein
«wahrhaft organiſches Gebilde, daher hier eben ſo Alles bewirkt,
«als ſelber wirkend wird, kurz es findet hier eine Wechſel-
«wirkung ſtatt.»
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0029" n="15"/>
          <p>Indem wir nun aber von den Erfahrungen, die ein<lb/>
einzelnes Gut in einem be&#x017F;timmten Zeitraum geliefert hat,<lb/>
ausgehen, wird die eigentliche Aufgabe fu&#x0364;r un&#x017F;ere na&#x0364;ch&#x017F;ten<lb/>
Unter&#x017F;uchungen folgende:<lb/><hi rendition="#et">wie muß &#x017F;ich die Landrente und die Bewirth-<lb/>
&#x017F;chaftungsart des Guts T. a&#x0364;ndern, wenn wir &#x017F;tuf-<lb/>
fenwei&#x017F;e immer niedrigere Kornprei&#x017F;e annehmen.</hi></p><lb/>
          <p>Der i&#x017F;olirte Staat i&#x017F;t bei die&#x017F;er ganz auf der Wirk-<lb/>
lichkeit beruhenden Unter&#x017F;uchung nur eine bildliche Dar-<lb/>
&#x017F;tellung, eine Form die den Ueberblick erleichtert und er-<lb/>
weitert <note xml:id="seg2pn_1_1" next="#seg2pn_1_2" place="foot" n="2)"><p>Ein Freund, dem ich das Manu&#x017F;cript mittheilte, machte zu die-<lb/>
&#x017F;er Stelle folgende Bemerkung, die ich, wie ich glaube, dem Le-<lb/>
&#x017F;er mittheilen darf.<lb/></p><p>«Ein Spiegel, den die Theorie hin&#x017F;tellt, um in ihm die ver-<lb/>
«worrenen und &#x017F;ich kreuzenden Linien der Er&#x017F;cheinung, in reiner<lb/>
«Per&#x017F;pektive &#x017F;ichtbar werden zu la&#x017F;&#x017F;en.»<lb/></p><p>«&#x2014; Eine Form, mit der wir den Brennpunkt der Er&#x017F;chei-<lb/>
«nung meinen getroffen zu haben, &#x017F;o daß wir fa&#x017F;t <hi rendition="#g">analyti&#x017F;ch</hi><lb/>
«daraus die einzelnen vereinigten Richtungen entwickeln ko&#x0364;nnen,<lb/>
«indem wir <hi rendition="#g">zugleich</hi> durch eine gei&#x017F;tige Synthe&#x017F;is das Ganze<lb/>
«naturgema&#x0364;ß erbauen.»<lb/></p><p>«&#x2014; Was wir thun, i&#x017F;t im Grunde dies, daß wir einen klei-<lb/>
«nen be&#x017F;timmten Punkt der Erfahrung, ein einzelnes Gut, zur<lb/>
«wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlichen Ho&#x0364;he, d. h. zur Allgemeinheit zu erheben ver-<lb/>
«&#x017F;ucht haben; denn in der That muß jedes Glied eines organi-<lb/>
«&#x017F;chen Ganzen auch in die&#x017F;er vereinzelten Ge&#x017F;talt den allgemei-<lb/>
«nen Typus an &#x017F;ich hervortreten la&#x017F;&#x017F;en, und nur, indem wir das<lb/>
«allgemeine Ge&#x017F;etz an &#x017F;olchen be&#x017F;timmten Punkten nachzuwei&#x017F;en,<lb/>
«oder das Vereinzelte unter &#x017F;einer urbildlichen Form aufzu&#x017F;tellen<lb/>
«im Stande &#x017F;ind, ko&#x0364;nnen wir &#x017F;agen, daß uns die er&#x017F;cheinende<lb/>
«Welt und ihr Ge&#x017F;etz klar geworden &#x017F;ey. Und zu &#x017F;olcher Auf-<lb/>
«fa&#x017F;&#x017F;ung &#x017F;ind wir hier vollkommen berechtigt, ja aufgefordert;<lb/>
«denn die bu&#x0364;rgerliche Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft und der Staat &#x017F;ind keine <hi rendition="#g">Ma-</hi><lb/>
«<hi rendition="#g">&#x017F;chine</hi>, bei der Ur&#x017F;ache und Wirkung &#x017F;ich trennte, &#x017F;ondern ein<lb/>
«wahrhaft organi&#x017F;ches Gebilde, daher hier eben &#x017F;o Alles <hi rendition="#g">bewirkt</hi>,<lb/>
«als &#x017F;elber <hi rendition="#g">wirkend</hi> wird, kurz es findet hier eine Wech&#x017F;el-<lb/>
«wirkung &#x017F;tatt.»</p></note>; die wir aber nicht aufgeben du&#x0364;rfen, weil &#x017F;ie,<lb/>
wie die Folge ergeben wird, &#x017F;o reich an Re&#x017F;ultaten i&#x017F;t.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[15/0029] Indem wir nun aber von den Erfahrungen, die ein einzelnes Gut in einem beſtimmten Zeitraum geliefert hat, ausgehen, wird die eigentliche Aufgabe fuͤr unſere naͤchſten Unterſuchungen folgende: wie muß ſich die Landrente und die Bewirth- ſchaftungsart des Guts T. aͤndern, wenn wir ſtuf- fenweiſe immer niedrigere Kornpreiſe annehmen. Der iſolirte Staat iſt bei dieſer ganz auf der Wirk- lichkeit beruhenden Unterſuchung nur eine bildliche Dar- ſtellung, eine Form die den Ueberblick erleichtert und er- weitert 2); die wir aber nicht aufgeben duͤrfen, weil ſie, wie die Folge ergeben wird, ſo reich an Reſultaten iſt. 2) Ein Freund, dem ich das Manuſcript mittheilte, machte zu die- ſer Stelle folgende Bemerkung, die ich, wie ich glaube, dem Le- ſer mittheilen darf. «Ein Spiegel, den die Theorie hinſtellt, um in ihm die ver- «worrenen und ſich kreuzenden Linien der Erſcheinung, in reiner «Perſpektive ſichtbar werden zu laſſen.» «— Eine Form, mit der wir den Brennpunkt der Erſchei- «nung meinen getroffen zu haben, ſo daß wir faſt analytiſch «daraus die einzelnen vereinigten Richtungen entwickeln koͤnnen, «indem wir zugleich durch eine geiſtige Syntheſis das Ganze «naturgemaͤß erbauen.» «— Was wir thun, iſt im Grunde dies, daß wir einen klei- «nen beſtimmten Punkt der Erfahrung, ein einzelnes Gut, zur «wiſſenſchaftlichen Hoͤhe, d. h. zur Allgemeinheit zu erheben ver- «ſucht haben; denn in der That muß jedes Glied eines organi- «ſchen Ganzen auch in dieſer vereinzelten Geſtalt den allgemei- «nen Typus an ſich hervortreten laſſen, und nur, indem wir das «allgemeine Geſetz an ſolchen beſtimmten Punkten nachzuweiſen, «oder das Vereinzelte unter ſeiner urbildlichen Form aufzuſtellen «im Stande ſind, koͤnnen wir ſagen, daß uns die erſcheinende «Welt und ihr Geſetz klar geworden ſey. Und zu ſolcher Auf- «faſſung ſind wir hier vollkommen berechtigt, ja aufgefordert; «denn die buͤrgerliche Geſellſchaft und der Staat ſind keine Ma- «ſchine, bei der Urſache und Wirkung ſich trennte, ſondern ein «wahrhaft organiſches Gebilde, daher hier eben ſo Alles bewirkt, «als ſelber wirkend wird, kurz es findet hier eine Wechſel- «wirkung ſtatt.»

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thuenen_staat_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thuenen_staat_1826/29
Zitationshilfe: Thünen, Johann Heinrich von: Der isolirte Staat in Beziehung auf Landwirthschaft und Nationalökonomie. Hamburg, 1826, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thuenen_staat_1826/29>, abgerufen am 03.12.2024.