Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792.Erste Abtheilung. Sechster Abschnitt. verkaufen. Diese Menschenräuber sind Bürger, undheißen Kosthouders (Speisewirthe). Sie haben Recht und Freyheit, Fremde für Geld zu beherbergen und zu speisen, und unter diesem Deckmantel verüben sie die unmenschlichsten Verbrechen, ohne daß diese jedesmahl zur Kenntniß der Obrigkeit kommen, oder bestraft wer- den können. Sie halten nicht nur Bediente, welche auf den Straßen die Fremden ausspähen, sondern ha- ben auch ein Verständniß mit den Fuhrleuten (Kruyers), welche die Sachen der Fremden vom Fahrzeuge nach dem Wirthshause bringen. Diese müssen ihnen die ankom- menden Fremden ins Haus schaffen, welches ihnen un- ter dem Vorwande, daß sie sie in ein Wirthshaus brin- gen, sehr häufig gelingt. Sobald ein Fremder in dem Hause eines solchen Bösewichts ankommt, wird er ge- wöhnlich mit einer Menge andrer, deren Zahl zu hun- dert und darüber geht, in einem einzigen Zimmer einge- schlossen. Hier werden diese Leute sehr kärglich und elend beköstigt, als Soldaten zum Dienst der Compagnie an- gegeben, und endlich, wenn die Schiffe segelfertig lie- gen, an Bord gebracht. Der Seelenverkäufer be- kommt dafür die Löhnung von zwey Monathen, und ei- nen sogenannten Transport auf hundert, hundert und funfzig bis zweyhundert Holländische Gulden. Wäh- rend der Zeit von zwey, drey bis vier Monathen, da die Leute auf die beschriebne Art bey diesem Kerl einge- schlossen gehalten werden, erzeuget sich bey ihnen Scor- but, Fäulniß im Körper, und Milzsucht, welche her- nach bald ausbrechen, wenn sie an Bord kommen. Man kann sie alsdann an ihrer blassen Gesichtsfarbe, blauen Lippen, geschwollnen und wunden Beinen, von den ge- sunden und muntern leicht unterscheiden. Transport nennt man einen Zettel, den die Ostindische Compagnie Erſte Abtheilung. Sechster Abſchnitt. verkaufen. Dieſe Menſchenraͤuber ſind Buͤrger, undheißen Koſthouders (Speiſewirthe). Sie haben Recht und Freyheit, Fremde fuͤr Geld zu beherbergen und zu ſpeiſen, und unter dieſem Deckmantel veruͤben ſie die unmenſchlichſten Verbrechen, ohne daß dieſe jedesmahl zur Kenntniß der Obrigkeit kommen, oder beſtraft wer- den koͤnnen. Sie halten nicht nur Bediente, welche auf den Straßen die Fremden ausſpaͤhen, ſondern ha- ben auch ein Verſtaͤndniß mit den Fuhrleuten (Kruyers), welche die Sachen der Fremden vom Fahrzeuge nach dem Wirthshauſe bringen. Dieſe muͤſſen ihnen die ankom- menden Fremden ins Haus ſchaffen, welches ihnen un- ter dem Vorwande, daß ſie ſie in ein Wirthshaus brin- gen, ſehr haͤufig gelingt. Sobald ein Fremder in dem Hauſe eines ſolchen Boͤſewichts ankommt, wird er ge- woͤhnlich mit einer Menge andrer, deren Zahl zu hun- dert und daruͤber geht, in einem einzigen Zimmer einge- ſchloſſen. Hier werden dieſe Leute ſehr kaͤrglich und elend bekoͤſtigt, als Soldaten zum Dienſt der Compagnie an- gegeben, und endlich, wenn die Schiffe ſegelfertig lie- gen, an Bord gebracht. Der Seelenverkaͤufer be- kommt dafuͤr die Loͤhnung von zwey Monathen, und ei- nen ſogenannten Transport auf hundert, hundert und funfzig bis zweyhundert Hollaͤndiſche Gulden. Waͤh- rend der Zeit von zwey, drey bis vier Monathen, da die Leute auf die beſchriebne Art bey dieſem Kerl einge- ſchloſſen gehalten werden, erzeuget ſich bey ihnen Scor- but, Faͤulniß im Koͤrper, und Milzſucht, welche her- nach bald ausbrechen, wenn ſie an Bord kommen. Man kann ſie alsdann an ihrer blaſſen Geſichtsfarbe, blauen Lippen, geſchwollnen und wunden Beinen, von den ge- ſunden und muntern leicht unterſcheiden. 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Erſte Abtheilung. Sechster Abſchnitt.
verkaufen. Dieſe Menſchenraͤuber ſind Buͤrger, und
heißen Koſthouders (Speiſewirthe). Sie haben Recht
und Freyheit, Fremde fuͤr Geld zu beherbergen und zu
ſpeiſen, und unter dieſem Deckmantel veruͤben ſie die
unmenſchlichſten Verbrechen, ohne daß dieſe jedesmahl
zur Kenntniß der Obrigkeit kommen, oder beſtraft wer-
den koͤnnen. Sie halten nicht nur Bediente, welche
auf den Straßen die Fremden ausſpaͤhen, ſondern ha-
ben auch ein Verſtaͤndniß mit den Fuhrleuten (Kruyers),
welche die Sachen der Fremden vom Fahrzeuge nach dem
Wirthshauſe bringen. Dieſe muͤſſen ihnen die ankom-
menden Fremden ins Haus ſchaffen, welches ihnen un-
ter dem Vorwande, daß ſie ſie in ein Wirthshaus brin-
gen, ſehr haͤufig gelingt. Sobald ein Fremder in dem
Hauſe eines ſolchen Boͤſewichts ankommt, wird er ge-
woͤhnlich mit einer Menge andrer, deren Zahl zu hun-
dert und daruͤber geht, in einem einzigen Zimmer einge-
ſchloſſen. Hier werden dieſe Leute ſehr kaͤrglich und elend
bekoͤſtigt, als Soldaten zum Dienſt der Compagnie an-
gegeben, und endlich, wenn die Schiffe ſegelfertig lie-
gen, an Bord gebracht. Der Seelenverkaͤufer be-
kommt dafuͤr die Loͤhnung von zwey Monathen, und ei-
nen ſogenannten Transport auf hundert, hundert und
funfzig bis zweyhundert Hollaͤndiſche Gulden. Waͤh-
rend der Zeit von zwey, drey bis vier Monathen, da
die Leute auf die beſchriebne Art bey dieſem Kerl einge-
ſchloſſen gehalten werden, erzeuget ſich bey ihnen Scor-
but, Faͤulniß im Koͤrper, und Milzſucht, welche her-
nach bald ausbrechen, wenn ſie an Bord kommen. Man
kann ſie alsdann an ihrer blaſſen Geſichtsfarbe, blauen
Lippen, geſchwollnen und wunden Beinen, von den ge-
ſunden und muntern leicht unterſcheiden. Transport
nennt man einen Zettel, den die Oſtindiſche Compagnie
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