Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792.
Aufenthalt in der Capstadt. fliehet jedermann ins Land hinein. Jetzt waren auchPocken und Französische Schiffe, die man gewisserma- ßen für feindlich hielt, das einzige, welches die reichen Bauern und Bürger erschrocken, furchtsam und flüchtig machen konnte. Die Einimpfung der Blattern einzu- führen, so vernünftig ist man hier noch nicht gewesen. Im Jahr 1713 kamen die Blattern zum erstenmahl, und zwar mit einem Dänischen Schiffe hieher. Sie richte- ten damahls sowohl unter den Europäern als Hottentot- ten eine schreckliche Verheerung an, und nur drey Häu- ser blieben frey davon. Die Hottentotten starben in solcher Menge, daß sie todt auf dem Felde und an den Wegen lagen, ohne begraben zu werden. Zum an- dernmahl grassirten sie 1755, und zum drittenmahl im April 1767, da sie ebenfalls durch ein Dänisches Schiff hergebracht waren. Seit dieser Zeit haben sie sich nicht gezeigt. Als die Masern zum letztenmahl im Schwange gingen, verursachten sie eine so viel ärgere Verwüstung im Lande, da die vom Statthalter umhergeschickten Chi- rurgen sie nicht kannten, sondern auf eine ganz verkehrte Art behandelten. Zu bedauern ist es freylich, daß die Nachrichten von dem Zustande der Arzneywissenschaft und der Geschicklichkeit der Aerzte zu Cap von den letzten Jahren wenig tröstlicher lauten, als die man beym Käm- pher von den Chirurgen in Ostindien antrifft. Die Kälte ist hier im August oder September am Thunbergs Reise. Erster Theil. H
Aufenthalt in der Capſtadt. fliehet jedermann ins Land hinein. Jetzt waren auchPocken und Franzoͤſiſche Schiffe, die man gewiſſerma- ßen fuͤr feindlich hielt, das einzige, welches die reichen Bauern und Buͤrger erſchrocken, furchtſam und fluͤchtig machen konnte. Die Einimpfung der Blattern einzu- fuͤhren, ſo vernuͤnftig iſt man hier noch nicht geweſen. Im Jahr 1713 kamen die Blattern zum erſtenmahl, und zwar mit einem Daͤniſchen Schiffe hieher. Sie richte- ten damahls ſowohl unter den Europaͤern als Hottentot- ten eine ſchreckliche Verheerung an, und nur drey Haͤu- ſer blieben frey davon. Die Hottentotten ſtarben in ſolcher Menge, daß ſie todt auf dem Felde und an den Wegen lagen, ohne begraben zu werden. Zum an- dernmahl graſſirten ſie 1755, und zum drittenmahl im April 1767, da ſie ebenfalls durch ein Daͤniſches Schiff hergebracht waren. Seit dieſer Zeit haben ſie ſich nicht gezeigt. Als die Maſern zum letztenmahl im Schwange gingen, verurſachten ſie eine ſo viel aͤrgere Verwuͤſtung im Lande, da die vom Statthalter umhergeſchickten Chi- rurgen ſie nicht kannten, ſondern auf eine ganz verkehrte Art behandelten. Zu bedauern iſt es freylich, daß die Nachrichten von dem Zuſtande der Arzneywiſſenſchaft und der Geſchicklichkeit der Aerzte zu Cap von den letzten Jahren wenig troͤſtlicher lauten, als die man beym Kaͤm- pher von den Chirurgen in Oſtindien antrifft. Die Kaͤlte iſt hier im Auguſt oder September am Thunbergs Reiſe. Erſter Theil. H
<TEI> <text> <body> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0141" n="113"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Aufenthalt in der <placeName>Capſtadt</placeName>.</hi></fw><lb/> fliehet jedermann ins Land hinein. Jetzt waren auch<lb/> Pocken und Franzoͤſiſche Schiffe, die man gewiſſerma-<lb/> ßen fuͤr feindlich hielt, das einzige, welches die reichen<lb/> Bauern und Buͤrger erſchrocken, furchtſam und fluͤchtig<lb/> machen konnte. Die Einimpfung der Blattern einzu-<lb/> fuͤhren, ſo vernuͤnftig iſt man hier noch nicht geweſen.<lb/> Im Jahr 1713 kamen die Blattern zum erſtenmahl, und<lb/> zwar mit einem Daͤniſchen Schiffe hieher. Sie richte-<lb/> ten damahls ſowohl unter den Europaͤern als Hottentot-<lb/> ten eine ſchreckliche Verheerung an, und nur drey Haͤu-<lb/> ſer blieben frey davon. Die Hottentotten ſtarben in<lb/> ſolcher Menge, daß ſie todt auf dem Felde und an den<lb/> Wegen lagen, ohne begraben zu werden. Zum an-<lb/> dernmahl graſſirten ſie 1755, und zum drittenmahl im<lb/> April 1767, da ſie ebenfalls durch ein Daͤniſches Schiff<lb/> hergebracht waren. Seit dieſer Zeit haben ſie ſich nicht<lb/> gezeigt. Als die Maſern zum letztenmahl im Schwange<lb/> gingen, verurſachten ſie eine ſo viel aͤrgere Verwuͤſtung<lb/> im Lande, da die vom Statthalter umhergeſchickten Chi-<lb/> rurgen ſie nicht kannten, ſondern auf eine ganz verkehrte<lb/> Art behandelten. Zu bedauern iſt es freylich, daß die<lb/> Nachrichten von dem Zuſtande der Arzneywiſſenſchaft<lb/> und der Geſchicklichkeit der Aerzte zu <placeName>Cap</placeName> von den letzten<lb/> Jahren wenig troͤſtlicher lauten, als die man beym Kaͤm-<lb/> pher von den Chirurgen in <placeName>Oſtindien</placeName> antrifft.</p><lb/> <p>Die Kaͤlte iſt hier im Auguſt oder September am<lb/> ſtaͤrkſten, beſonders des Morgens und Abends, wenn<lb/> es regnet oder ſehr wehet. Den Wind fuͤhlt man hier<lb/> ſehr, weil man nur duͤnne Kleidung traͤgt. Als Win-<lb/> termonathe betrachtet man hier den halben May, den<lb/> Junius, den Julius und den halben Auguſt. Waͤh-<lb/> rend dieſer Zeit koͤnnen keine Schiffe in der <placeName>Tafelbay</placeName> an-<lb/> kommen, woran die heftigen Stuͤrme aus Nord-Weſt<lb/> <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g"><persName>Thunbergs</persName></hi> Reiſe. Erſter Theil. H</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [113/0141]
Aufenthalt in der Capſtadt.
fliehet jedermann ins Land hinein. Jetzt waren auch
Pocken und Franzoͤſiſche Schiffe, die man gewiſſerma-
ßen fuͤr feindlich hielt, das einzige, welches die reichen
Bauern und Buͤrger erſchrocken, furchtſam und fluͤchtig
machen konnte. Die Einimpfung der Blattern einzu-
fuͤhren, ſo vernuͤnftig iſt man hier noch nicht geweſen.
Im Jahr 1713 kamen die Blattern zum erſtenmahl, und
zwar mit einem Daͤniſchen Schiffe hieher. Sie richte-
ten damahls ſowohl unter den Europaͤern als Hottentot-
ten eine ſchreckliche Verheerung an, und nur drey Haͤu-
ſer blieben frey davon. Die Hottentotten ſtarben in
ſolcher Menge, daß ſie todt auf dem Felde und an den
Wegen lagen, ohne begraben zu werden. Zum an-
dernmahl graſſirten ſie 1755, und zum drittenmahl im
April 1767, da ſie ebenfalls durch ein Daͤniſches Schiff
hergebracht waren. Seit dieſer Zeit haben ſie ſich nicht
gezeigt. Als die Maſern zum letztenmahl im Schwange
gingen, verurſachten ſie eine ſo viel aͤrgere Verwuͤſtung
im Lande, da die vom Statthalter umhergeſchickten Chi-
rurgen ſie nicht kannten, ſondern auf eine ganz verkehrte
Art behandelten. Zu bedauern iſt es freylich, daß die
Nachrichten von dem Zuſtande der Arzneywiſſenſchaft
und der Geſchicklichkeit der Aerzte zu Cap von den letzten
Jahren wenig troͤſtlicher lauten, als die man beym Kaͤm-
pher von den Chirurgen in Oſtindien antrifft.
Die Kaͤlte iſt hier im Auguſt oder September am
ſtaͤrkſten, beſonders des Morgens und Abends, wenn
es regnet oder ſehr wehet. Den Wind fuͤhlt man hier
ſehr, weil man nur duͤnne Kleidung traͤgt. Als Win-
termonathe betrachtet man hier den halben May, den
Junius, den Julius und den halben Auguſt. Waͤh-
rend dieſer Zeit koͤnnen keine Schiffe in der Tafelbay an-
kommen, woran die heftigen Stuͤrme aus Nord-Weſt
Thunbergs Reiſe. Erſter Theil. H
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
| URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792 |
| URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792/141 |
| Zitationshilfe: | Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792/141>, abgerufen am 18.05.2024. |
