Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

Einige kleine Reisen vom Cap ins Land.
und zwar aus einer Pfeife, die so kurz war, daß der
Kopf fast die Lippen berührte. Sie haben besonderes
Haar; es ist ganz schwarz, und wie kurze Wolle zusam-
mengekrüllt, und sieht wie die Flocken auf gewissen woll-
nen Zeugen mit kahlen Zwischenräumen, aus.

Die Häuser bauet sich jeder Bauer selbst, biswei-
len von Ziegelsteinen, bisweilen nur von Lehm, Kalk und
Sand. Die Häuser der begüterten Landbewohner sind
ungefähr eben so, als die Häuser in der Stadt eingerich-
tet. Zuerst kommt man auf die Diele, vor welcher
eine lange Gallerie hergeht. Zu beyden Seiten der Diele
ist eine Kammer; auf der einen Seite die Gallerie, die
Küche, und auf der andern eine Schlafkammer. Bey
weniger wohlhabenden Landleuten hat die Gallerie zu
beyden Seiten eine Kammer, und die Küche ist hinten.
Die Hütten der Armen sind bloß von Lehmsteinen auf-
geführt, und die Thüren und Fenster darin sind so
schlecht, daß allenthalben der Wind durchstreicht.

Zu Paarl ist eine Kirche, die einen reformirten
Prediger und Küster hat. Indessen wird nicht alle
Sonntage förmlicher Gottesdienst gehalten, sondern
wenn der Prediger verreiset oder krank ist, oder andre
Abhaltung hat, lieset der Küster der Gemeine etwas aus
der Bibel vor. Auf dem Lande werden die Todten
ohne Geistlichen, ohne Gebet, und ohne daß man,
wie in Schweden gebräuchlich ist, dreymahl feyerlich
Erde auf den Sarg wirft, begraben. Die Trauungen
und Kindtaufen müssen allezeit in der Kirche geschehen,
und von Nothtaufe will man hier nichts wissen.

Die Töchter der Kolonisten lassen sich bisweilen
von schwarzen Sklaven schwängern. Das Geld,
welches ein solches Mädchen zur Aussteuer be-
kommt, verschafft ihr hernach demungeachtet ge-

Einige kleine Reiſen vom Cap ins Land.
und zwar aus einer Pfeife, die ſo kurz war, daß der
Kopf faſt die Lippen beruͤhrte. Sie haben beſonderes
Haar; es iſt ganz ſchwarz, und wie kurze Wolle zuſam-
mengekruͤllt, und ſieht wie die Flocken auf gewiſſen woll-
nen Zeugen mit kahlen Zwiſchenraͤumen, aus.

Die Haͤuſer bauet ſich jeder Bauer ſelbſt, biswei-
len von Ziegelſteinen, bisweilen nur von Lehm, Kalk und
Sand. Die Haͤuſer der beguͤterten Landbewohner ſind
ungefaͤhr eben ſo, als die Haͤuſer in der Stadt eingerich-
tet. Zuerſt kommt man auf die Diele, vor welcher
eine lange Gallerie hergeht. Zu beyden Seiten der Diele
iſt eine Kammer; auf der einen Seite die Gallerie, die
Kuͤche, und auf der andern eine Schlafkammer. Bey
weniger wohlhabenden Landleuten hat die Gallerie zu
beyden Seiten eine Kammer, und die Kuͤche iſt hinten.
Die Huͤtten der Armen ſind bloß von Lehmſteinen auf-
gefuͤhrt, und die Thuͤren und Fenſter darin ſind ſo
ſchlecht, daß allenthalben der Wind durchſtreicht.

Zu Paarl iſt eine Kirche, die einen reformirten
Prediger und Kuͤſter hat. Indeſſen wird nicht alle
Sonntage foͤrmlicher Gottesdienſt gehalten, ſondern
wenn der Prediger verreiſet oder krank iſt, oder andre
Abhaltung hat, lieſet der Kuͤſter der Gemeine etwas aus
der Bibel vor. Auf dem Lande werden die Todten
ohne Geiſtlichen, ohne Gebet, und ohne daß man,
wie in Schweden gebraͤuchlich iſt, dreymahl feyerlich
Erde auf den Sarg wirft, begraben. Die Trauungen
und Kindtaufen muͤſſen allezeit in der Kirche geſchehen,
und von Nothtaufe will man hier nichts wiſſen.

Die Toͤchter der Koloniſten laſſen ſich bisweilen
von ſchwarzen Sklaven ſchwaͤngern. Das Geld,
welches ein ſolches Maͤdchen zur Ausſteuer be-
kommt, verſchafft ihr hernach demungeachtet ge-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div n="3">
          <p><pb facs="#f0155" n="127"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Einige kleine Rei&#x017F;en vom <placeName>Cap</placeName> ins Land.</hi></fw><lb/>
und zwar aus einer Pfeife, die &#x017F;o kurz war, daß der<lb/>
Kopf fa&#x017F;t die Lippen beru&#x0364;hrte. Sie haben be&#x017F;onderes<lb/>
Haar; es i&#x017F;t ganz &#x017F;chwarz, und wie kurze Wolle zu&#x017F;am-<lb/>
mengekru&#x0364;llt, und &#x017F;ieht wie die Flocken auf gewi&#x017F;&#x017F;en woll-<lb/>
nen Zeugen mit kahlen Zwi&#x017F;chenra&#x0364;umen, aus.</p><lb/>
          <p>Die Ha&#x0364;u&#x017F;er bauet &#x017F;ich jeder Bauer &#x017F;elb&#x017F;t, biswei-<lb/>
len von Ziegel&#x017F;teinen, bisweilen nur von Lehm, Kalk und<lb/>
Sand. Die Ha&#x0364;u&#x017F;er der begu&#x0364;terten Landbewohner &#x017F;ind<lb/>
ungefa&#x0364;hr eben &#x017F;o, als die Ha&#x0364;u&#x017F;er in der Stadt eingerich-<lb/>
tet. Zuer&#x017F;t kommt man auf die Diele, vor welcher<lb/>
eine lange Gallerie hergeht. Zu beyden Seiten der Diele<lb/>
i&#x017F;t eine Kammer; auf der einen Seite die Gallerie, die<lb/>
Ku&#x0364;che, und auf der andern eine Schlafkammer. Bey<lb/>
weniger wohlhabenden Landleuten hat die Gallerie zu<lb/>
beyden Seiten eine Kammer, und die Ku&#x0364;che i&#x017F;t hinten.<lb/>
Die Hu&#x0364;tten der Armen &#x017F;ind bloß von Lehm&#x017F;teinen auf-<lb/>
gefu&#x0364;hrt, und die Thu&#x0364;ren und Fen&#x017F;ter darin &#x017F;ind &#x017F;o<lb/>
&#x017F;chlecht, daß allenthalben der Wind durch&#x017F;treicht.</p><lb/>
          <p>Zu <placeName>Paarl</placeName> i&#x017F;t eine Kirche, die einen reformirten<lb/>
Prediger und Ku&#x0364;&#x017F;ter hat. Inde&#x017F;&#x017F;en wird nicht alle<lb/>
Sonntage fo&#x0364;rmlicher Gottesdien&#x017F;t gehalten, &#x017F;ondern<lb/>
wenn der Prediger verrei&#x017F;et oder krank i&#x017F;t, oder andre<lb/>
Abhaltung hat, lie&#x017F;et der Ku&#x0364;&#x017F;ter der Gemeine etwas aus<lb/>
der Bibel vor. Auf dem Lande werden die Todten<lb/>
ohne Gei&#x017F;tlichen, ohne Gebet, und ohne daß man,<lb/>
wie in <placeName>Schweden</placeName> gebra&#x0364;uchlich i&#x017F;t, dreymahl feyerlich<lb/>
Erde auf den Sarg wirft, begraben. Die Trauungen<lb/>
und Kindtaufen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en allezeit in der Kirche ge&#x017F;chehen,<lb/>
und von Nothtaufe will man hier nichts wi&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Die To&#x0364;chter der Koloni&#x017F;ten la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich bisweilen<lb/>
von &#x017F;chwarzen Sklaven &#x017F;chwa&#x0364;ngern. Das Geld,<lb/>
welches ein &#x017F;olches Ma&#x0364;dchen zur Aus&#x017F;teuer be-<lb/>
kommt, ver&#x017F;chafft ihr hernach demungeachtet ge-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[127/0155] Einige kleine Reiſen vom Cap ins Land. und zwar aus einer Pfeife, die ſo kurz war, daß der Kopf faſt die Lippen beruͤhrte. Sie haben beſonderes Haar; es iſt ganz ſchwarz, und wie kurze Wolle zuſam- mengekruͤllt, und ſieht wie die Flocken auf gewiſſen woll- nen Zeugen mit kahlen Zwiſchenraͤumen, aus. Die Haͤuſer bauet ſich jeder Bauer ſelbſt, biswei- len von Ziegelſteinen, bisweilen nur von Lehm, Kalk und Sand. Die Haͤuſer der beguͤterten Landbewohner ſind ungefaͤhr eben ſo, als die Haͤuſer in der Stadt eingerich- tet. Zuerſt kommt man auf die Diele, vor welcher eine lange Gallerie hergeht. Zu beyden Seiten der Diele iſt eine Kammer; auf der einen Seite die Gallerie, die Kuͤche, und auf der andern eine Schlafkammer. Bey weniger wohlhabenden Landleuten hat die Gallerie zu beyden Seiten eine Kammer, und die Kuͤche iſt hinten. Die Huͤtten der Armen ſind bloß von Lehmſteinen auf- gefuͤhrt, und die Thuͤren und Fenſter darin ſind ſo ſchlecht, daß allenthalben der Wind durchſtreicht. Zu Paarl iſt eine Kirche, die einen reformirten Prediger und Kuͤſter hat. Indeſſen wird nicht alle Sonntage foͤrmlicher Gottesdienſt gehalten, ſondern wenn der Prediger verreiſet oder krank iſt, oder andre Abhaltung hat, lieſet der Kuͤſter der Gemeine etwas aus der Bibel vor. Auf dem Lande werden die Todten ohne Geiſtlichen, ohne Gebet, und ohne daß man, wie in Schweden gebraͤuchlich iſt, dreymahl feyerlich Erde auf den Sarg wirft, begraben. Die Trauungen und Kindtaufen muͤſſen allezeit in der Kirche geſchehen, und von Nothtaufe will man hier nichts wiſſen. Die Toͤchter der Koloniſten laſſen ſich bisweilen von ſchwarzen Sklaven ſchwaͤngern. Das Geld, welches ein ſolches Maͤdchen zur Ausſteuer be- kommt, verſchafft ihr hernach demungeachtet ge-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792/155
Zitationshilfe: Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792/155>, abgerufen am 21.11.2024.