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Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792.

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Reise von Rothesand nach Zwellendam.

Den 15. October reiseten wir Gerts Hof vor-
bey; über einen sehr tiefen Fluß zu Philipp Bota und von
da Droskis Hof vorbey zu Jakob Bota. Hier zeigte man
mir ein aus dem Gebirge aufgenommnes Stück Katzen-
silber oder Katzenglimmer (Mica argentea), das mit
durchsichtigem und unordentlich krystallisirtem Kalkspath
vermischt war. Auch sah ich Bergpech (Bitumen), das
der Landmann in diesen Gegenden Dachsenharn (Dassen-
Piss
) nennt, weil er glaubt, es sey verdickter Urin von
den großen Bergratzen oder Capschen Kavia (Cavia ca-
pensis
), die man hier findet. Man erzählte, es werde
in den Ritzen des Berges häufig angetroffen, besonders bey
einem hervorspringenden großen Kranze (groote Krants).
Dies Bergpech war sehr unrein, unter dem Landvolke
aber als ein sehr gutes Heilmittel bey Arm- und Bein-
brüchen bekannt. -- Die Büsche vom herzblättrichten
Gägel (Myrica cordifolia), dessen Beeren mit einem
Fette, das dem Wachse ähnlich ist, umzogen sind, legt
man hier in große Kochtöpfe mit siedendem Wasser, um
das Fett zu schmelzen und hernach abzuschäumen. Es
sieht wie graues unreines Wachs aus, ist härter als Talg,
und etwas loser als Wachs. Die Bauern gießen Lich-
ter davon; die Hottentotten aber essen es wie ein Stück
Brot, bald allein, bald zu Fleisch.

Weiter ging unsre Reise den Bruyntjesfluß (Bruynt-
jes-Rivier
), und den Löwenfluß (Leeuwen-Rivier)
vorbey nach dem Keurebaumsflusse (Keure-Booms-Ri-
vier
), der seinen Nahmen von der in dieser Gegend häu-
fig wachsenden Capschen Sophore (Sophora capensis),
hat. Die Wurzel der wellenförmigen Aeskulapie (Ascle-
pia undulata
) gebraucht man hier infundirt gegen die
Kolik. Auch bedient man sich der scharfen Beeren der
Capschen Fagare (Fagara capensis) gegen diese Krank-

Reiſe von Rotheſand nach Zwellendam.

Den 15. October reiſeten wir Gerts Hof vor-
bey; uͤber einen ſehr tiefen Fluß zu Philipp Bota und von
da Droſkis Hof vorbey zu Jakob Bota. Hier zeigte man
mir ein aus dem Gebirge aufgenommnes Stuͤck Katzen-
ſilber oder Katzenglimmer (Mica argentea), das mit
durchſichtigem und unordentlich kryſtalliſirtem Kalkſpath
vermiſcht war. Auch ſah ich Bergpech (Bitumen), das
der Landmann in dieſen Gegenden Dachſenharn (Daſſen-
Piſs
) nennt, weil er glaubt, es ſey verdickter Urin von
den großen Bergratzen oder Capſchen Kavia (Cavia ca-
penſis
), die man hier findet. Man erzaͤhlte, es werde
in den Ritzen des Berges haͤufig angetroffen, beſonders bey
einem hervorſpringenden großen Kranze (groote Krants).
Dies Bergpech war ſehr unrein, unter dem Landvolke
aber als ein ſehr gutes Heilmittel bey Arm- und Bein-
bruͤchen bekannt. — Die Buͤſche vom herzblaͤttrichten
Gaͤgel (Myrica cordifolia), deſſen Beeren mit einem
Fette, das dem Wachſe aͤhnlich iſt, umzogen ſind, legt
man hier in große Kochtoͤpfe mit ſiedendem Waſſer, um
das Fett zu ſchmelzen und hernach abzuſchaͤumen. Es
ſieht wie graues unreines Wachs aus, iſt haͤrter als Talg,
und etwas loſer als Wachs. Die Bauern gießen Lich-
ter davon; die Hottentotten aber eſſen es wie ein Stuͤck
Brot, bald allein, bald zu Fleiſch.

Weiter ging unſre Reiſe den Bruyntjesfluß (Bruynt-
jes-Rivier
), und den Loͤwenfluß (Leeuwen-Rivier)
vorbey nach dem Keurebaumsfluſſe (Keure-Booms-Ri-
vier
), der ſeinen Nahmen von der in dieſer Gegend haͤu-
fig wachſenden Capſchen Sophore (Sophora capenſis),
hat. Die Wurzel der wellenfoͤrmigen Aeſkulapie (Aſcle-
pia undulata
) gebraucht man hier infundirt gegen die
Kolik. Auch bedient man ſich der ſcharfen Beeren der
Capſchen Fagare (Fagara capenſis) gegen dieſe Krank-

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[153/0181] Reiſe von Rotheſand nach Zwellendam. Den 15. October reiſeten wir Gerts Hof vor- bey; uͤber einen ſehr tiefen Fluß zu Philipp Bota und von da Droſkis Hof vorbey zu Jakob Bota. Hier zeigte man mir ein aus dem Gebirge aufgenommnes Stuͤck Katzen- ſilber oder Katzenglimmer (Mica argentea), das mit durchſichtigem und unordentlich kryſtalliſirtem Kalkſpath vermiſcht war. Auch ſah ich Bergpech (Bitumen), das der Landmann in dieſen Gegenden Dachſenharn (Daſſen- Piſs) nennt, weil er glaubt, es ſey verdickter Urin von den großen Bergratzen oder Capſchen Kavia (Cavia ca- penſis), die man hier findet. Man erzaͤhlte, es werde in den Ritzen des Berges haͤufig angetroffen, beſonders bey einem hervorſpringenden großen Kranze (groote Krants). Dies Bergpech war ſehr unrein, unter dem Landvolke aber als ein ſehr gutes Heilmittel bey Arm- und Bein- bruͤchen bekannt. — Die Buͤſche vom herzblaͤttrichten Gaͤgel (Myrica cordifolia), deſſen Beeren mit einem Fette, das dem Wachſe aͤhnlich iſt, umzogen ſind, legt man hier in große Kochtoͤpfe mit ſiedendem Waſſer, um das Fett zu ſchmelzen und hernach abzuſchaͤumen. Es ſieht wie graues unreines Wachs aus, iſt haͤrter als Talg, und etwas loſer als Wachs. Die Bauern gießen Lich- ter davon; die Hottentotten aber eſſen es wie ein Stuͤck Brot, bald allein, bald zu Fleiſch. Weiter ging unſre Reiſe den Bruyntjesfluß (Bruynt- jes-Rivier), und den Loͤwenfluß (Leeuwen-Rivier) vorbey nach dem Keurebaumsfluſſe (Keure-Booms-Ri- vier), der ſeinen Nahmen von der in dieſer Gegend haͤu- fig wachſenden Capſchen Sophore (Sophora capenſis), hat. Die Wurzel der wellenfoͤrmigen Aeſkulapie (Aſcle- pia undulata) gebraucht man hier infundirt gegen die Kolik. Auch bedient man ſich der ſcharfen Beeren der Capſchen Fagare (Fagara capenſis) gegen dieſe Krank-

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Zitationshilfe: Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792/181>, abgerufen am 21.11.2024.