Von der Holzbay wanderten wir über die Berge nach der Norderecke (Nord-Hoek), wo drey Höfe liegen, und ein großer Meerstrudel befindlich ist. Diese Ecke ist die äußerste Spitze des Berges selbst, gegen über ist eine andre Landspitze, der man den Nahmen Schlangenkopf (Slangen-Kop) gegeben hat. Die Dünen bestehen hier alle aus Triebsand, der in Hügeln von verschiedner Höhe liegt, wovon die neueren noch kahl, die älteren aber mit Gesträuch bewachsen sind. Unter diesem bemerkte ich be- sonders häufig den Wachsstrauch oder die herzblättrichte Gagel (Myrica cordifolia), welcher hier meistentheils niedrig wächst und am Boden kriecht. Gegen Süd-Ost stößt man auf eine tiefe Stelle, die wie ein Teich ist, und eine Höhe von drey bis vier Ellen hat. Jetzt war sie zum Theil mit Wasser angefüllt, dessen Oberfläche von Flamingern (Phoenicopterus ruber) fast bedeckt war. Der Grund ist sandig, mit Lehm vermischt. Im Winter steht diese tiefe Stelle verschiedne Monathe ganz voll Wasser. Sie bekommt dies aber nicht aus dem Meere, von dem sie auch eine ziemliche Strecke entfernt ist, sondern vom Regen; das Wasser steigt und fällt da- her auch nicht mit der Fluth und Ebbe. -- Unter den hier wachsenden Sträuchen heißt einer Dünenholz (Duyn- Hout) oder Schwarzholz (Zwart-Hout); er hat flei- schichte Blätter; jetzt blühete er nicht. Der Schlangen- busch, sonst Bucken (Seriphium), der hier wächst, soll die Würmer abtreiben. -- Wir trafen hier einen sehr berühmten Bauer, Nahmens Jan Bruyns, einen der fertigsten und geschicktesten Schützen im ganzen Lande. Dieses ist der Mann, welcher mit Heupner die unglück- liche Reise nach Rio de la Goa, durch das Kafferland machte, da sieben von der Gesellschaft durch die Kaffern ermordet wurden, und nur er mit fünf andern entkam.
Thunbergs Reise. Erster Theil. O
Kleine Nebenreiſen in der Naͤhe der Capſtadt.
Von der Holzbay wanderten wir uͤber die Berge nach der Norderecke (Nord-Hoek), wo drey Hoͤfe liegen, und ein großer Meerſtrudel befindlich iſt. Dieſe Ecke iſt die aͤußerſte Spitze des Berges ſelbſt, gegen uͤber iſt eine andre Landſpitze, der man den Nahmen Schlangenkopf (Slangen-Kop) gegeben hat. Die Duͤnen beſtehen hier alle aus Triebſand, der in Huͤgeln von verſchiedner Hoͤhe liegt, wovon die neueren noch kahl, die aͤlteren aber mit Geſtraͤuch bewachſen ſind. Unter dieſem bemerkte ich be- ſonders haͤufig den Wachsſtrauch oder die herzblaͤttrichte Gagel (Myrica cordifolia), welcher hier meiſtentheils niedrig waͤchſt und am Boden kriecht. Gegen Suͤd-Oſt ſtoͤßt man auf eine tiefe Stelle, die wie ein Teich iſt, und eine Hoͤhe von drey bis vier Ellen hat. Jetzt war ſie zum Theil mit Waſſer angefuͤllt, deſſen Oberflaͤche von Flamingern (Phoenicopterus ruber) faſt bedeckt war. Der Grund iſt ſandig, mit Lehm vermiſcht. Im Winter ſteht dieſe tiefe Stelle verſchiedne Monathe ganz voll Waſſer. Sie bekommt dies aber nicht aus dem Meere, von dem ſie auch eine ziemliche Strecke entfernt iſt, ſondern vom Regen; das Waſſer ſteigt und faͤllt da- her auch nicht mit der Fluth und Ebbe. — Unter den hier wachſenden Straͤuchen heißt einer Duͤnenholz (Duyn- Hout) oder Schwarzholz (Zwart-Hout); er hat flei- ſchichte Blaͤtter; jetzt bluͤhete er nicht. Der Schlangen- buſch, ſonſt Bucken (Seriphium), der hier waͤchſt, ſoll die Wuͤrmer abtreiben. — Wir trafen hier einen ſehr beruͤhmten Bauer, Nahmens Jan Bruyns, einen der fertigſten und geſchickteſten Schuͤtzen im ganzen Lande. Dieſes iſt der Mann, welcher mit Heupner die ungluͤck- liche Reiſe nach Rio de la Goa, durch das Kafferland machte, da ſieben von der Geſellſchaft durch die Kaffern ermordet wurden, und nur er mit fuͤnf andern entkam.
Thunbergs Reiſe. Erſter Theil. O
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Kleine Nebenreiſen in der Naͤhe der Capſtadt.
Von der Holzbay wanderten wir uͤber die Berge
nach der Norderecke (Nord-Hoek), wo drey Hoͤfe liegen,
und ein großer Meerſtrudel befindlich iſt. Dieſe Ecke
iſt die aͤußerſte Spitze des Berges ſelbſt, gegen uͤber iſt
eine andre Landſpitze, der man den Nahmen Schlangenkopf
(Slangen-Kop) gegeben hat. Die Duͤnen beſtehen hier
alle aus Triebſand, der in Huͤgeln von verſchiedner Hoͤhe
liegt, wovon die neueren noch kahl, die aͤlteren aber mit
Geſtraͤuch bewachſen ſind. Unter dieſem bemerkte ich be-
ſonders haͤufig den Wachsſtrauch oder die herzblaͤttrichte
Gagel (Myrica cordifolia), welcher hier meiſtentheils
niedrig waͤchſt und am Boden kriecht. Gegen Suͤd-Oſt
ſtoͤßt man auf eine tiefe Stelle, die wie ein Teich iſt,
und eine Hoͤhe von drey bis vier Ellen hat. Jetzt war
ſie zum Theil mit Waſſer angefuͤllt, deſſen Oberflaͤche
von Flamingern (Phoenicopterus ruber) faſt bedeckt
war. Der Grund iſt ſandig, mit Lehm vermiſcht. Im
Winter ſteht dieſe tiefe Stelle verſchiedne Monathe ganz
voll Waſſer. Sie bekommt dies aber nicht aus dem
Meere, von dem ſie auch eine ziemliche Strecke entfernt
iſt, ſondern vom Regen; das Waſſer ſteigt und faͤllt da-
her auch nicht mit der Fluth und Ebbe. — Unter den
hier wachſenden Straͤuchen heißt einer Duͤnenholz (Duyn-
Hout) oder Schwarzholz (Zwart-Hout); er hat flei-
ſchichte Blaͤtter; jetzt bluͤhete er nicht. Der Schlangen-
buſch, ſonſt Bucken (Seriphium), der hier waͤchſt, ſoll
die Wuͤrmer abtreiben. — Wir trafen hier einen ſehr
beruͤhmten Bauer, Nahmens Jan Bruyns, einen der
fertigſten und geſchickteſten Schuͤtzen im ganzen Lande.
Dieſes iſt der Mann, welcher mit Heupner die ungluͤck-
liche Reiſe nach Rio de la Goa, durch das Kafferland
machte, da ſieben von der Geſellſchaft durch die Kaffern
ermordet wurden, und nur er mit fuͤnf andern entkam.
Thunbergs Reiſe. Erſter Theil. O
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Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792/237>, abgerufen am 24.11.2024.
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