werden kann. Das kleine hat nur vier Speichen, läuft allezeit auf der ungepflügten höhern Seite, und hält da- durch den Pflug gerade. -- Ich fand hier, daß man die Schafe Morgens und Abends, wenn sie ausgetrie- ben wurden und zu Hause kamen, genau zählte; auch daß man sie, um sie zu kennen, wenn sie unter fremde Schafe kommen sollten, an einem, auch wohl an beyden Ohren gezeichnet hatte. Das Zählen war das Geschäfft der Hausfrau, die auch jedem Schafe seinen eignen Nah- men gegeben hatte. Ihr sehr gutes Gedächtniß und die tägliche Uebung hatten ihr hierin eine solche Fertigkeit und Genauigkeit gegeben, daß sie, wenn unter den mehreren Hundert auch nur eins weg war, es sogleich vermißte.
Den 20. October kamen wir zu Wilhelm Preto- ris. Hier trafen wir zwar einen sehr wohl gelegenen Hof an; die Witterung ist aber in dieser Gegend im Junius, Julius und August so kalt und rauh, daß viel Schnee fällt, manchmahl mehrere Tage nach einander, und daß Eiszapfen an den Dächern frieren. Alle Kälber, Lämmer und Füllen, die an den Tagen, da der Frost anhält, zur Welt kommen, sterben in den Hürden oder Pferchen, worin sie eingeschlossen gehalten werden, ohne daß man sie auf die Weide gehen lassen kann, vor Käl- te und Hunger.
Jan Rasmus und van Heeres Höfe vorbey, reise- ten wir weiter zu Jakob Pinard. Hier fanden wir et- was Waldung. Der Wirth und seine Frau waren eben nicht zu Hause, und wir trafen nur ein Paar Sklaven und einige Hottentotten-Kinder an. Wir mußten uns daher begnügen, diese Nacht unter Obdach zuzubringen, und auf Essen und Trinken und jede Art von Verpflegung Verzicht thun, ob wir gleich den ganzen Tag, ohne et- was gegessen zu haben, geritten waren, und der nächste
Reiſe von Cap nach Zwellendam.
werden kann. Das kleine hat nur vier Speichen, laͤuft allezeit auf der ungepfluͤgten hoͤhern Seite, und haͤlt da- durch den Pflug gerade. — Ich fand hier, daß man die Schafe Morgens und Abends, wenn ſie ausgetrie- ben wurden und zu Hauſe kamen, genau zaͤhlte; auch daß man ſie, um ſie zu kennen, wenn ſie unter fremde Schafe kommen ſollten, an einem, auch wohl an beyden Ohren gezeichnet hatte. Das Zaͤhlen war das Geſchaͤfft der Hausfrau, die auch jedem Schafe ſeinen eignen Nah- men gegeben hatte. Ihr ſehr gutes Gedaͤchtniß und die taͤgliche Uebung hatten ihr hierin eine ſolche Fertigkeit und Genauigkeit gegeben, daß ſie, wenn unter den mehreren Hundert auch nur eins weg war, es ſogleich vermißte.
Den 20. October kamen wir zu Wilhelm Preto- ris. Hier trafen wir zwar einen ſehr wohl gelegenen Hof an; die Witterung iſt aber in dieſer Gegend im Junius, Julius und Auguſt ſo kalt und rauh, daß viel Schnee faͤllt, manchmahl mehrere Tage nach einander, und daß Eiszapfen an den Daͤchern frieren. Alle Kaͤlber, Laͤmmer und Fuͤllen, die an den Tagen, da der Froſt anhaͤlt, zur Welt kommen, ſterben in den Huͤrden oder Pferchen, worin ſie eingeſchloſſen gehalten werden, ohne daß man ſie auf die Weide gehen laſſen kann, vor Kaͤl- te und Hunger.
Jan Rasmus und van Heeres Hoͤfe vorbey, reiſe- ten wir weiter zu Jakob Pinard. Hier fanden wir et- was Waldung. Der Wirth und ſeine Frau waren eben nicht zu Hauſe, und wir trafen nur ein Paar Sklaven und einige Hottentotten-Kinder an. Wir mußten uns daher begnuͤgen, dieſe Nacht unter Obdach zuzubringen, und auf Eſſen und Trinken und jede Art von Verpflegung Verzicht thun, ob wir gleich den ganzen Tag, ohne et- was gegeſſen zu haben, geritten waren, und der naͤchſte
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Reiſe von Cap nach Zwellendam.
werden kann. Das kleine hat nur vier Speichen, laͤuft
allezeit auf der ungepfluͤgten hoͤhern Seite, und haͤlt da-
durch den Pflug gerade. — Ich fand hier, daß man
die Schafe Morgens und Abends, wenn ſie ausgetrie-
ben wurden und zu Hauſe kamen, genau zaͤhlte; auch
daß man ſie, um ſie zu kennen, wenn ſie unter fremde
Schafe kommen ſollten, an einem, auch wohl an beyden
Ohren gezeichnet hatte. Das Zaͤhlen war das Geſchaͤfft
der Hausfrau, die auch jedem Schafe ſeinen eignen Nah-
men gegeben hatte. Ihr ſehr gutes Gedaͤchtniß und die
taͤgliche Uebung hatten ihr hierin eine ſolche Fertigkeit und
Genauigkeit gegeben, daß ſie, wenn unter den mehreren
Hundert auch nur eins weg war, es ſogleich vermißte.
Den 20. October kamen wir zu Wilhelm Preto-
ris. Hier trafen wir zwar einen ſehr wohl gelegenen Hof
an; die Witterung iſt aber in dieſer Gegend im Junius,
Julius und Auguſt ſo kalt und rauh, daß viel Schnee
faͤllt, manchmahl mehrere Tage nach einander, und
daß Eiszapfen an den Daͤchern frieren. Alle Kaͤlber,
Laͤmmer und Fuͤllen, die an den Tagen, da der Froſt
anhaͤlt, zur Welt kommen, ſterben in den Huͤrden oder
Pferchen, worin ſie eingeſchloſſen gehalten werden, ohne
daß man ſie auf die Weide gehen laſſen kann, vor Kaͤl-
te und Hunger.
Jan Rasmus und van Heeres Hoͤfe vorbey, reiſe-
ten wir weiter zu Jakob Pinard. Hier fanden wir et-
was Waldung. Der Wirth und ſeine Frau waren eben
nicht zu Hauſe, und wir trafen nur ein Paar Sklaven
und einige Hottentotten-Kinder an. Wir mußten uns
daher begnuͤgen, dieſe Nacht unter Obdach zuzubringen,
und auf Eſſen und Trinken und jede Art von Verpflegung
Verzicht thun, ob wir gleich den ganzen Tag, ohne et-
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Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792/363>, abgerufen am 18.06.2024.
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