sten, um besser subsistiren zu können, Holz hauen, und nach dem Cap zu Kauf bringen. Die hier von den ehe- mahls zahlreichen Stämmen noch übrigen wenigen Hot- tentotten werden zum Dienste des Viehhofes gebraucht.
Diese Hottentotten gaben mir aufs neue Gelegen- heit, manches von der Lebensart, den Sitten und Ge- bräuchen dieses Volks zu erfahren. Verschiednes von dem, was ich jetzt beschreiben werde, mag bey demsel- ben allgemein, einiges aber den Stämmen, wozu die hiesigen gehörten, eigen seyn. Den ersten Abend, da sich der neue Mond zeigt, sieht man die Hottentotten springen, den Hut abnehmen und einen Knicks machen. Auch haben sie die Ceremonie noch nicht völlig abgelegt, daß sie die Jünglinge, wenn sie ein gewisses Alter er- reicht haben, zu Männern machen, die von der Zeit an von den Weibspersonen abgesondert leben und sich zum männlichen Geschlechte halten. Jene Feyerlichkeit be- steht bekanntlich darin, daß der Jüngling von den Män- nern förmlich bepißt wird, worauf man ein Stück Rind- vieh schlachtet, wovon sie das Darmnetz dem jungen Menschen um den Hals binden. Die Männer trinken nie Milch, die eine Frauensperson gemolken hat. Die Weiber haben hier oft einen rechten Mann und einen Nebenmann oder Vicarius zugleich, so wie auch die Männer manchmahl zwey Frauen nehmen. Die Hei- rath wird gewöhnlich so vollzogen, daß bey den Aeltern erst angefragt wird, und Braut und Bräutigam darauf zusammen zu Bette gehen, und bis an den späten Mor- gen bey einander schlafen. Die Todten werden förmlich begraben. Auf das Grab wird eine mit einem gewissen wohlriechenden Pulver angefüllte Schildkrötenschale ge- setzt, auch drey Zweige von irgend einem Busche dar- auf gesteckt. Hernach geht das Leichengefolge zu Hause
Reiſe v. Zwellendam bis zum Camtousfluſſe.
ſten, um beſſer ſubſiſtiren zu koͤnnen, Holz hauen, und nach dem Cap zu Kauf bringen. Die hier von den ehe- mahls zahlreichen Staͤmmen noch uͤbrigen wenigen Hot- tentotten werden zum Dienſte des Viehhofes gebraucht.
Dieſe Hottentotten gaben mir aufs neue Gelegen- heit, manches von der Lebensart, den Sitten und Ge- braͤuchen dieſes Volks zu erfahren. Verſchiednes von dem, was ich jetzt beſchreiben werde, mag bey demſel- ben allgemein, einiges aber den Staͤmmen, wozu die hieſigen gehoͤrten, eigen ſeyn. Den erſten Abend, da ſich der neue Mond zeigt, ſieht man die Hottentotten ſpringen, den Hut abnehmen und einen Knicks machen. Auch haben ſie die Ceremonie noch nicht voͤllig abgelegt, daß ſie die Juͤnglinge, wenn ſie ein gewiſſes Alter er- reicht haben, zu Maͤnnern machen, die von der Zeit an von den Weibsperſonen abgeſondert leben und ſich zum maͤnnlichen Geſchlechte halten. Jene Feyerlichkeit be- ſteht bekanntlich darin, daß der Juͤngling von den Maͤn- nern foͤrmlich bepißt wird, worauf man ein Stuͤck Rind- vieh ſchlachtet, wovon ſie das Darmnetz dem jungen Menſchen um den Hals binden. Die Maͤnner trinken nie Milch, die eine Frauensperſon gemolken hat. Die Weiber haben hier oft einen rechten Mann und einen Nebenmann oder Vicarius zugleich, ſo wie auch die Maͤnner manchmahl zwey Frauen nehmen. Die Hei- rath wird gewoͤhnlich ſo vollzogen, daß bey den Aeltern erſt angefragt wird, und Braut und Braͤutigam darauf zuſammen zu Bette gehen, und bis an den ſpaͤten Mor- gen bey einander ſchlafen. Die Todten werden foͤrmlich begraben. Auf das Grab wird eine mit einem gewiſſen wohlriechenden Pulver angefuͤllte Schildkroͤtenſchale ge- ſetzt, auch drey Zweige von irgend einem Buſche dar- auf geſteckt. Hernach geht das Leichengefolge zu Hauſe
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Reiſe v. Zwellendam bis zum Camtousfluſſe.
ſten, um beſſer ſubſiſtiren zu koͤnnen, Holz hauen, und
nach dem Cap zu Kauf bringen. Die hier von den ehe-
mahls zahlreichen Staͤmmen noch uͤbrigen wenigen Hot-
tentotten werden zum Dienſte des Viehhofes gebraucht.
Dieſe Hottentotten gaben mir aufs neue Gelegen-
heit, manches von der Lebensart, den Sitten und Ge-
braͤuchen dieſes Volks zu erfahren. Verſchiednes von
dem, was ich jetzt beſchreiben werde, mag bey demſel-
ben allgemein, einiges aber den Staͤmmen, wozu die
hieſigen gehoͤrten, eigen ſeyn. Den erſten Abend, da
ſich der neue Mond zeigt, ſieht man die Hottentotten
ſpringen, den Hut abnehmen und einen Knicks machen.
Auch haben ſie die Ceremonie noch nicht voͤllig abgelegt,
daß ſie die Juͤnglinge, wenn ſie ein gewiſſes Alter er-
reicht haben, zu Maͤnnern machen, die von der Zeit an
von den Weibsperſonen abgeſondert leben und ſich zum
maͤnnlichen Geſchlechte halten. Jene Feyerlichkeit be-
ſteht bekanntlich darin, daß der Juͤngling von den Maͤn-
nern foͤrmlich bepißt wird, worauf man ein Stuͤck Rind-
vieh ſchlachtet, wovon ſie das Darmnetz dem jungen
Menſchen um den Hals binden. Die Maͤnner trinken
nie Milch, die eine Frauensperſon gemolken hat. Die
Weiber haben hier oft einen rechten Mann und einen
Nebenmann oder Vicarius zugleich, ſo wie auch die
Maͤnner manchmahl zwey Frauen nehmen. Die Hei-
rath wird gewoͤhnlich ſo vollzogen, daß bey den Aeltern
erſt angefragt wird, und Braut und Braͤutigam darauf
zuſammen zu Bette gehen, und bis an den ſpaͤten Mor-
gen bey einander ſchlafen. Die Todten werden foͤrmlich
begraben. Auf das Grab wird eine mit einem gewiſſen
wohlriechenden Pulver angefuͤllte Schildkroͤtenſchale ge-
ſetzt, auch drey Zweige von irgend einem Buſche dar-
auf geſteckt. Hernach geht das Leichengefolge zu Hauſe
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Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792/375>, abgerufen am 22.11.2024.
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