Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

Aufenthalt und Reisen in Holland.
eines Fremden beschäfftigen, so wird das Ohr durch die
vielen Glockenspiele entzückt. Beynahe von allen Kirch-
thürmen und vom Rathhause lassen diese sich mehrere-
mahl in einer Stunde hören. Sie spielen alle fünf Mi-
nuten sehr kurz, alle Viertelstunden etwas länger, und
alle Stunden, ehe es schlägt, ein ganzes Stück.

Zu den vornehmsten und merkwürdigsten Gebäu-
den gehören das Rathhaus, welches schwerlich seines
Gleichen hat; der Prinzenhof, wo alle Schiffe ihre La-
dung angeben müssen; und die große Börse. Das
Rathhaus ist auswendig mit Quadersteinen bekleidet;
im zweyten Stockwerke befindet sich ein großer hoher
Saal, der mit verschiednen Arten Marmor ausgelegt,
und mit mehreren marmornen Statüen ausgeziert ist.

In einer so großen Stadt, wo eine solche Menge
Leute in Bewegung ist, und so ansehnliche Handlung ge-
trieben wird, kann wohl nicht anders als viel Lärm und
Geschrey auf den Gassen seyn. Bald hört man jemand
Obst oder Gartengewächse ausrufen. Bald schreyet ein
Weib: Fische zu Kauf. Eine andre kommt alle Mor-
gen, trägt zwey so weiß als möglich gescheuerte Eimer,
und ruft ihre Milch aus. Bald hört man einen lum-
picht gekleideten Juden, der alte Kleidungsstücke feil hat,
seine Stimme erheben. Bald schreyet ein altes Weib:
kauft frisches Brot. Und dergleichen mehr hört man
jeden Augenblick. Dies gereicht indessen denen, welche
etwas kaufen wollen, zur Bequemlichkeit. Denn man
darf nur die Magd nach der Hausthür schicken, ohne
irgend etwas weit herhohlen zu lassen. Sogleich beym
Eintritte in die Stadt begegnete mir auf der Straße ein
Kerl mit einer Klapper, durch deren Gerassel er ankün-
digte, daß die Gasse gefegt werden sollte. Alle Mor-
gen fahren große Bretkarren umher, die mehrere Abthei-

Aufenthalt und Reiſen in Holland.
eines Fremden beſchaͤfftigen, ſo wird das Ohr durch die
vielen Glockenſpiele entzuͤckt. Beynahe von allen Kirch-
thuͤrmen und vom Rathhauſe laſſen dieſe ſich mehrere-
mahl in einer Stunde hoͤren. Sie ſpielen alle fuͤnf Mi-
nuten ſehr kurz, alle Viertelſtunden etwas laͤnger, und
alle Stunden, ehe es ſchlaͤgt, ein ganzes Stuͤck.

Zu den vornehmſten und merkwuͤrdigſten Gebaͤu-
den gehoͤren das Rathhaus, welches ſchwerlich ſeines
Gleichen hat; der Prinzenhof, wo alle Schiffe ihre La-
dung angeben muͤſſen; und die große Boͤrſe. Das
Rathhaus iſt auswendig mit Quaderſteinen bekleidet;
im zweyten Stockwerke befindet ſich ein großer hoher
Saal, der mit verſchiednen Arten Marmor ausgelegt,
und mit mehreren marmornen Statuͤen ausgeziert iſt.

In einer ſo großen Stadt, wo eine ſolche Menge
Leute in Bewegung iſt, und ſo anſehnliche Handlung ge-
trieben wird, kann wohl nicht anders als viel Laͤrm und
Geſchrey auf den Gaſſen ſeyn. Bald hoͤrt man jemand
Obſt oder Gartengewaͤchſe ausrufen. Bald ſchreyet ein
Weib: Fiſche zu Kauf. Eine andre kommt alle Mor-
gen, traͤgt zwey ſo weiß als moͤglich geſcheuerte Eimer,
und ruft ihre Milch aus. Bald hoͤrt man einen lum-
picht gekleideten Juden, der alte Kleidungsſtuͤcke feil hat,
ſeine Stimme erheben. Bald ſchreyet ein altes Weib:
kauft friſches Brot. Und dergleichen mehr hoͤrt man
jeden Augenblick. Dies gereicht indeſſen denen, welche
etwas kaufen wollen, zur Bequemlichkeit. Denn man
darf nur die Magd nach der Hausthuͤr ſchicken, ohne
irgend etwas weit herhohlen zu laſſen. Sogleich beym
Eintritte in die Stadt begegnete mir auf der Straße ein
Kerl mit einer Klapper, durch deren Geraſſel er ankuͤn-
digte, daß die Gaſſe gefegt werden ſollte. Alle Mor-
gen fahren große Bretkarren umher, die mehrere Abthei-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div n="3">
          <p><pb facs="#f0039" n="11"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Aufenthalt und Rei&#x017F;en in <placeName>Holland</placeName>.</hi></fw><lb/>
eines Fremden be&#x017F;cha&#x0364;fftigen, &#x017F;o wird das Ohr durch die<lb/>
vielen Glocken&#x017F;piele entzu&#x0364;ckt. Beynahe von allen Kirch-<lb/>
thu&#x0364;rmen und vom Rathhau&#x017F;e la&#x017F;&#x017F;en die&#x017F;e &#x017F;ich mehrere-<lb/>
mahl in einer Stunde ho&#x0364;ren. Sie &#x017F;pielen alle fu&#x0364;nf Mi-<lb/>
nuten &#x017F;ehr kurz, alle Viertel&#x017F;tunden etwas la&#x0364;nger, und<lb/>
alle Stunden, ehe es &#x017F;chla&#x0364;gt, ein ganzes Stu&#x0364;ck.</p><lb/>
          <p>Zu den vornehm&#x017F;ten und merkwu&#x0364;rdig&#x017F;ten Geba&#x0364;u-<lb/>
den geho&#x0364;ren das Rathhaus, welches &#x017F;chwerlich &#x017F;eines<lb/>
Gleichen hat; der Prinzenhof, wo alle Schiffe ihre La-<lb/>
dung angeben mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en; und die große Bo&#x0364;r&#x017F;e. Das<lb/>
Rathhaus i&#x017F;t auswendig mit Quader&#x017F;teinen bekleidet;<lb/>
im zweyten Stockwerke befindet &#x017F;ich ein großer hoher<lb/>
Saal, der mit ver&#x017F;chiednen Arten Marmor ausgelegt,<lb/>
und mit mehreren marmornen Statu&#x0364;en ausgeziert i&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>In einer &#x017F;o großen Stadt, wo eine &#x017F;olche Menge<lb/>
Leute in Bewegung i&#x017F;t, und &#x017F;o an&#x017F;ehnliche Handlung ge-<lb/>
trieben wird, kann wohl nicht anders als viel La&#x0364;rm und<lb/>
Ge&#x017F;chrey auf den Ga&#x017F;&#x017F;en &#x017F;eyn. Bald ho&#x0364;rt man jemand<lb/>
Ob&#x017F;t oder Gartengewa&#x0364;ch&#x017F;e ausrufen. Bald &#x017F;chreyet ein<lb/>
Weib: Fi&#x017F;che zu Kauf. Eine andre kommt alle Mor-<lb/>
gen, tra&#x0364;gt zwey &#x017F;o weiß als mo&#x0364;glich ge&#x017F;cheuerte Eimer,<lb/>
und ruft ihre Milch aus. Bald ho&#x0364;rt man einen lum-<lb/>
picht gekleideten Juden, der alte Kleidungs&#x017F;tu&#x0364;cke feil hat,<lb/>
&#x017F;eine Stimme erheben. Bald &#x017F;chreyet ein altes Weib:<lb/>
kauft fri&#x017F;ches Brot. Und dergleichen mehr ho&#x0364;rt man<lb/>
jeden Augenblick. Dies gereicht inde&#x017F;&#x017F;en denen, welche<lb/>
etwas kaufen wollen, zur Bequemlichkeit. Denn man<lb/>
darf nur die Magd nach der Hausthu&#x0364;r &#x017F;chicken, ohne<lb/>
irgend etwas weit herhohlen zu la&#x017F;&#x017F;en. Sogleich beym<lb/>
Eintritte in die Stadt begegnete mir auf der Straße ein<lb/>
Kerl mit einer Klapper, durch deren Gera&#x017F;&#x017F;el er anku&#x0364;n-<lb/>
digte, daß die Ga&#x017F;&#x017F;e gefegt werden &#x017F;ollte. Alle Mor-<lb/>
gen fahren große Bretkarren umher, die mehrere Abthei-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[11/0039] Aufenthalt und Reiſen in Holland. eines Fremden beſchaͤfftigen, ſo wird das Ohr durch die vielen Glockenſpiele entzuͤckt. Beynahe von allen Kirch- thuͤrmen und vom Rathhauſe laſſen dieſe ſich mehrere- mahl in einer Stunde hoͤren. Sie ſpielen alle fuͤnf Mi- nuten ſehr kurz, alle Viertelſtunden etwas laͤnger, und alle Stunden, ehe es ſchlaͤgt, ein ganzes Stuͤck. Zu den vornehmſten und merkwuͤrdigſten Gebaͤu- den gehoͤren das Rathhaus, welches ſchwerlich ſeines Gleichen hat; der Prinzenhof, wo alle Schiffe ihre La- dung angeben muͤſſen; und die große Boͤrſe. Das Rathhaus iſt auswendig mit Quaderſteinen bekleidet; im zweyten Stockwerke befindet ſich ein großer hoher Saal, der mit verſchiednen Arten Marmor ausgelegt, und mit mehreren marmornen Statuͤen ausgeziert iſt. In einer ſo großen Stadt, wo eine ſolche Menge Leute in Bewegung iſt, und ſo anſehnliche Handlung ge- trieben wird, kann wohl nicht anders als viel Laͤrm und Geſchrey auf den Gaſſen ſeyn. Bald hoͤrt man jemand Obſt oder Gartengewaͤchſe ausrufen. Bald ſchreyet ein Weib: Fiſche zu Kauf. Eine andre kommt alle Mor- gen, traͤgt zwey ſo weiß als moͤglich geſcheuerte Eimer, und ruft ihre Milch aus. Bald hoͤrt man einen lum- picht gekleideten Juden, der alte Kleidungsſtuͤcke feil hat, ſeine Stimme erheben. Bald ſchreyet ein altes Weib: kauft friſches Brot. Und dergleichen mehr hoͤrt man jeden Augenblick. Dies gereicht indeſſen denen, welche etwas kaufen wollen, zur Bequemlichkeit. Denn man darf nur die Magd nach der Hausthuͤr ſchicken, ohne irgend etwas weit herhohlen zu laſſen. Sogleich beym Eintritte in die Stadt begegnete mir auf der Straße ein Kerl mit einer Klapper, durch deren Geraſſel er ankuͤn- digte, daß die Gaſſe gefegt werden ſollte. Alle Mor- gen fahren große Bretkarren umher, die mehrere Abthei-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792/39
Zitationshilfe: Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792/39>, abgerufen am 03.12.2024.