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Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792.

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Aufenthalt und Reisen in Holland.
in Quarantaine gehalten hatte, theils für den Trans-
port vom Lande ins Schiff.

In der Zwischenzeit, ehe ein Schiff nach Frank-
reich
abging, reisete ich etwas in Holland umher, um
einige der Naturalien-Sammlungen, Gärten und andere
Merkwürdigkeiten, die man in diesem Lande findet, in
Augenschein zu nehmen. Unter andern reisete ich mit
Professor Burmannus nach seinem nicht weit von der
Stadt belegenen Landhause. Hier ist ein schöner Engli-
scher Garten, wo die Hecken aus Taxus, Stechpalmen,
Hagbuchen und Eichen bestehen. Unter den vielen selt-
nen Gewächsen, die jetzt blüheten, waren die Ceylan-
sche Amaryllis und die traurige Siegwurz (Gladiolus
tristis
). Unter den Bäumen, die wie wild standen,
bemerkte ich die breitblättrige Kalmie (Calmia latifolia),
den Kastanienbaum mit Weidenblättern (Aesculus pa-
via
), die erlenblättrichte Clethre (Clethra alnifolia), und
die großblumige Magnolie (Magnolia grandiflora).

Von diesem Landhause reisete ich des Abends mit
einer sogenannten Treckschuit nach Leiden. Auf solchen
Postböten reiset man in Holland durchgängig, weil das
ganze Land mit Kanälen durchgraben ist. Sie sind sehr
lang und haben ein Obdach, so daß man allezeit gegen
Regen und Wind geschützt ist. An dem einen Ende ist
eine Kajüte, die der Schiffer solchen, die schlafen oder
allein seyn wollen, bisweilen für Geld überläßt. Diese
Fahrzeuge gehen wie Postwagen an gewissen Tagen, zu
gewissen Stunden und nach gewissen Oertern ab, und
kommen jedesmahl zu der festgesetzten Zeit an. Mitten
in der Schute ist ein Mast, von dessen Spitze ein lan-
ges Tau herabgeht, woran ein Pferd gespannt wird;
auf diese Art wird die Schute gezogen. Wenn der
Wind günstig ist, spannt man auch Segel auf, und

Aufenthalt und Reiſen in Holland.
in Quarantaine gehalten hatte, theils fuͤr den Trans-
port vom Lande ins Schiff.

In der Zwiſchenzeit, ehe ein Schiff nach Frank-
reich
abging, reiſete ich etwas in Holland umher, um
einige der Naturalien-Sammlungen, Gaͤrten und andere
Merkwuͤrdigkeiten, die man in dieſem Lande findet, in
Augenſchein zu nehmen. Unter andern reiſete ich mit
Profeſſor Burmannus nach ſeinem nicht weit von der
Stadt belegenen Landhauſe. Hier iſt ein ſchoͤner Engli-
ſcher Garten, wo die Hecken aus Taxus, Stechpalmen,
Hagbuchen und Eichen beſtehen. Unter den vielen ſelt-
nen Gewaͤchſen, die jetzt bluͤheten, waren die Ceylan-
ſche Amaryllis und die traurige Siegwurz (Gladiolus
triſtis
). Unter den Baͤumen, die wie wild ſtanden,
bemerkte ich die breitblaͤttrige Kalmie (Calmia latifolia),
den Kaſtanienbaum mit Weidenblaͤttern (Aeſculus pa-
via
), die erlenblaͤttrichte Clethre (Clethra alnifolia), und
die großblumige Magnolie (Magnolia grandiflora).

Von dieſem Landhauſe reiſete ich des Abends mit
einer ſogenannten Treckſchuit nach Leiden. Auf ſolchen
Poſtboͤten reiſet man in Holland durchgaͤngig, weil das
ganze Land mit Kanaͤlen durchgraben iſt. Sie ſind ſehr
lang und haben ein Obdach, ſo daß man allezeit gegen
Regen und Wind geſchuͤtzt iſt. An dem einen Ende iſt
eine Kajuͤte, die der Schiffer ſolchen, die ſchlafen oder
allein ſeyn wollen, bisweilen fuͤr Geld uͤberlaͤßt. Dieſe
Fahrzeuge gehen wie Poſtwagen an gewiſſen Tagen, zu
gewiſſen Stunden und nach gewiſſen Oertern ab, und
kommen jedesmahl zu der feſtgeſetzten Zeit an. Mitten
in der Schute iſt ein Maſt, von deſſen Spitze ein lan-
ges Tau herabgeht, woran ein Pferd geſpannt wird;
auf dieſe Art wird die Schute gezogen. Wenn der
Wind guͤnſtig iſt, ſpannt man auch Segel auf, und

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[15/0043] Aufenthalt und Reiſen in Holland. in Quarantaine gehalten hatte, theils fuͤr den Trans- port vom Lande ins Schiff. In der Zwiſchenzeit, ehe ein Schiff nach Frank- reich abging, reiſete ich etwas in Holland umher, um einige der Naturalien-Sammlungen, Gaͤrten und andere Merkwuͤrdigkeiten, die man in dieſem Lande findet, in Augenſchein zu nehmen. Unter andern reiſete ich mit Profeſſor Burmannus nach ſeinem nicht weit von der Stadt belegenen Landhauſe. Hier iſt ein ſchoͤner Engli- ſcher Garten, wo die Hecken aus Taxus, Stechpalmen, Hagbuchen und Eichen beſtehen. Unter den vielen ſelt- nen Gewaͤchſen, die jetzt bluͤheten, waren die Ceylan- ſche Amaryllis und die traurige Siegwurz (Gladiolus triſtis). Unter den Baͤumen, die wie wild ſtanden, bemerkte ich die breitblaͤttrige Kalmie (Calmia latifolia), den Kaſtanienbaum mit Weidenblaͤttern (Aeſculus pa- via), die erlenblaͤttrichte Clethre (Clethra alnifolia), und die großblumige Magnolie (Magnolia grandiflora). Von dieſem Landhauſe reiſete ich des Abends mit einer ſogenannten Treckſchuit nach Leiden. Auf ſolchen Poſtboͤten reiſet man in Holland durchgaͤngig, weil das ganze Land mit Kanaͤlen durchgraben iſt. Sie ſind ſehr lang und haben ein Obdach, ſo daß man allezeit gegen Regen und Wind geſchuͤtzt iſt. An dem einen Ende iſt eine Kajuͤte, die der Schiffer ſolchen, die ſchlafen oder allein ſeyn wollen, bisweilen fuͤr Geld uͤberlaͤßt. Dieſe Fahrzeuge gehen wie Poſtwagen an gewiſſen Tagen, zu gewiſſen Stunden und nach gewiſſen Oertern ab, und kommen jedesmahl zu der feſtgeſetzten Zeit an. Mitten in der Schute iſt ein Maſt, von deſſen Spitze ein lan- ges Tau herabgeht, woran ein Pferd geſpannt wird; auf dieſe Art wird die Schute gezogen. Wenn der Wind guͤnſtig iſt, ſpannt man auch Segel auf, und

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Zitationshilfe: Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792/43>, abgerufen am 03.12.2024.