eine merkwürdige und dabey schreckliche Begebenheit. Diese ging aufs Feld, und wollte einen Löwen, der ihrem Vieh viel Schaden gethan hatte, und jetzt in der Nachbar- schaft desselben sich aufhielt, vertreiben. Allein der Löwe kam auf sie zugerannt, biß ihr sogleich einen Arm ab und fraß ihn auf. Hierauf fiel sie in eine Ohnmacht, und da fraß er ihr so gar den Kopf auf. Eine Hottentottische Dienst- magd wollte ihr zu Hülfe kommen, wurde aber auch von ihm aufgefressen. Die Kinder im Hause sahen durch die Ritzen der Hausthür dem entsetzlichen Schauspiele zu, gru- ben sich darauf durch die Erde unter der Wand hinten im Hause, und liefen zu dem nächsten Hofe.
Von diesem gefährlichen Platze begaben wir uns nach Daunis, wo die Buschmänner die Wohnung ver- brannt, und die ganze Kolonie zerstöhrt haben, so daß der Besitzer mit seinen Leuten sich anderswohin bege- ben müssen.
Das Land ist hier eben und hat verschiedne nach Nord-Ost und Süd-West fortlaufende Berge. Vor uns lagen jetzt die Rockenlandberge.
Auch hier beschrieb man uns die so genannte Möhre (Moorwortel) als eine Wurzel, woraus mit einem Zu- satze von Wasser und Honig die Hottentotten sich einen berauschenden Trank bereiten. Die Zeit, dieselbe zu sammeln, ist besonders im November und December.
Ferner ritten wir längs dem trocknen Flusse (Droo- ge-Rivier) hinauf, wo zwey Bauern, die uns nach- kamen, erzählten, sie hätten gesehen, daß gestern ein Löwe uns den ganzen Weg auf dem Fuße nachgegangen, endlich aber bey dem Anblick einer Herde Schafe umge- kehrt und auf diese zugerannt sey.
Hierauf ging unsre Reise oberhalb der Rockenland- berge und längs derselben fort; von da weiter durch ein
Thal,
Dritte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
eine merkwuͤrdige und dabey ſchreckliche Begebenheit. Dieſe ging aufs Feld, und wollte einen Loͤwen, der ihrem Vieh viel Schaden gethan hatte, und jetzt in der Nachbar- ſchaft deſſelben ſich aufhielt, vertreiben. Allein der Loͤwe kam auf ſie zugerannt, biß ihr ſogleich einen Arm ab und fraß ihn auf. Hierauf fiel ſie in eine Ohnmacht, und da fraß er ihr ſo gar den Kopf auf. Eine Hottentottiſche Dienſt- magd wollte ihr zu Huͤlfe kommen, wurde aber auch von ihm aufgefreſſen. Die Kinder im Hauſe ſahen durch die Ritzen der Hausthuͤr dem entſetzlichen Schauſpiele zu, gru- ben ſich darauf durch die Erde unter der Wand hinten im Hauſe, und liefen zu dem naͤchſten Hofe.
Von dieſem gefaͤhrlichen Platze begaben wir uns nach Daunis, wo die Buſchmaͤnner die Wohnung ver- brannt, und die ganze Kolonie zerſtoͤhrt haben, ſo daß der Beſitzer mit ſeinen Leuten ſich anderswohin bege- ben muͤſſen.
Das Land iſt hier eben und hat verſchiedne nach Nord-Oſt und Suͤd-Weſt fortlaufende Berge. Vor uns lagen jetzt die Rockenlandberge.
Auch hier beſchrieb man uns die ſo genannte Moͤhre (Moorwortel) als eine Wurzel, woraus mit einem Zu- ſatze von Waſſer und Honig die Hottentotten ſich einen berauſchenden Trank bereiten. Die Zeit, dieſelbe zu ſammeln, iſt beſonders im November und December.
Ferner ritten wir laͤngs dem trocknen Fluſſe (Droo- ge-Rivier) hinauf, wo zwey Bauern, die uns nach- kamen, erzaͤhlten, ſie haͤtten geſehen, daß geſtern ein Loͤwe uns den ganzen Weg auf dem Fuße nachgegangen, endlich aber bey dem Anblick einer Herde Schafe umge- kehrt und auf dieſe zugerannt ſey.
Hierauf ging unſre Reiſe oberhalb der Rockenland- berge und laͤngs derſelben fort; von da weiter durch ein
Thal,
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Dritte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
eine merkwuͤrdige und dabey ſchreckliche Begebenheit.
Dieſe ging aufs Feld, und wollte einen Loͤwen, der ihrem
Vieh viel Schaden gethan hatte, und jetzt in der Nachbar-
ſchaft deſſelben ſich aufhielt, vertreiben. Allein der Loͤwe kam
auf ſie zugerannt, biß ihr ſogleich einen Arm ab und fraß
ihn auf. Hierauf fiel ſie in eine Ohnmacht, und da fraß
er ihr ſo gar den Kopf auf. Eine Hottentottiſche Dienſt-
magd wollte ihr zu Huͤlfe kommen, wurde aber auch von
ihm aufgefreſſen. Die Kinder im Hauſe ſahen durch die
Ritzen der Hausthuͤr dem entſetzlichen Schauſpiele zu, gru-
ben ſich darauf durch die Erde unter der Wand hinten im
Hauſe, und liefen zu dem naͤchſten Hofe.
Von dieſem gefaͤhrlichen Platze begaben wir uns
nach Daunis, wo die Buſchmaͤnner die Wohnung ver-
brannt, und die ganze Kolonie zerſtoͤhrt haben, ſo
daß der Beſitzer mit ſeinen Leuten ſich anderswohin bege-
ben muͤſſen.
Das Land iſt hier eben und hat verſchiedne nach
Nord-Oſt und Suͤd-Weſt fortlaufende Berge. Vor
uns lagen jetzt die Rockenlandberge.
Auch hier beſchrieb man uns die ſo genannte Moͤhre
(Moorwortel) als eine Wurzel, woraus mit einem Zu-
ſatze von Waſſer und Honig die Hottentotten ſich einen
berauſchenden Trank bereiten. Die Zeit, dieſelbe zu
ſammeln, iſt beſonders im November und December.
Ferner ritten wir laͤngs dem trocknen Fluſſe (Droo-
ge-Rivier) hinauf, wo zwey Bauern, die uns nach-
kamen, erzaͤhlten, ſie haͤtten geſehen, daß geſtern ein
Loͤwe uns den ganzen Weg auf dem Fuße nachgegangen,
endlich aber bey dem Anblick einer Herde Schafe umge-
kehrt und auf dieſe zugerannt ſey.
Hierauf ging unſre Reiſe oberhalb der Rockenland-
berge und laͤngs derſelben fort; von da weiter durch ein
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Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792/482>, abgerufen am 16.06.2024.
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