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Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792.

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Vierte Abtheilung. Aufenthalt zu Cap
mit demselben vor dieser Zeit vorgefallen seyn mögen.
Alte Ruinen hat das Land ganz und gar nicht, weder
von verbrannten Pallästen und zerstörten Schlössern, noch
von verwüsteten Städten. Die Hottentotten selbst ken-
nen weder ihren eignen Ursprung, noch die Entstehung
und Veranlassung der bey ihnen gebräuchlichen Ceremo-
nien und Sitten. Die wenigsten unter ihnen können et-
was von dem erzählen, was sich vor der Zeit ihrer Vä-
ter bey ihnen zugetragen hat.

Seitdem die Europäer angefangen haben, diesen
Theil des südlichen Afrika zu bewohnen, hat derselbe man-
cherley und große Veränderungen erfahren. Die eigen-
thümlichen Einwohner sind theils nach und nach ausge-
storben, wozu hauptsächlich verheerende und ansteckende
Krankheiten das Ihrige beygetragen haben; zum Theil
haben sie sich allmählig weg und in die inneren Gegenden
gezogen. In ihre Stelle sind in eben dem Verhältnisse
die Europäer gerückt und immer weiter zu allen Seiten
vorgedrungen. Vor anderthalb hundert Jahren stand
das Land gleichsam unter der Gewalt der gefährlichsten
und schrecklichsten Raubthiere, die unter einer unzähligen
Menge andrer wilden Thiere das Gleichgewicht erhielten.
Jetzt reiset man in eben diesem Lande meistens sicher und
ohne Gefahr. Da wo vor Zeiten nur Herden weideten,
sieht man jetzt verschiedne Ostindische und die meisten Eu-
ropäischen Getreidearten wachsen, Gartengewächse ge-
deihen und Obstgärten und Weinberge prangen. Von
zahmen Thieren hat man so wohl aus Europa als aus an-
dern Ländern verschiedne Arten hieher gebracht, und hier
mit gutem Erfolge einheimisch gemacht, als Pferde, Kü-
he, Schweine, und verschiedne Arten Federvieh und Vö-
gel. Eben dies gilt von vielen nützlichen Produkten des
Gewächsreichs, die unter den Händen der fleißigen Ko-

Vierte Abtheilung. Aufenthalt zu Cap
mit demſelben vor dieſer Zeit vorgefallen ſeyn moͤgen.
Alte Ruinen hat das Land ganz und gar nicht, weder
von verbrannten Pallaͤſten und zerſtoͤrten Schloͤſſern, noch
von verwuͤſteten Staͤdten. Die Hottentotten ſelbſt ken-
nen weder ihren eignen Urſprung, noch die Entſtehung
und Veranlaſſung der bey ihnen gebraͤuchlichen Ceremo-
nien und Sitten. Die wenigſten unter ihnen koͤnnen et-
was von dem erzaͤhlen, was ſich vor der Zeit ihrer Vaͤ-
ter bey ihnen zugetragen hat.

Seitdem die Europaͤer angefangen haben, dieſen
Theil des ſuͤdlichen Afrika zu bewohnen, hat derſelbe man-
cherley und große Veraͤnderungen erfahren. Die eigen-
thuͤmlichen Einwohner ſind theils nach und nach ausge-
ſtorben, wozu hauptſaͤchlich verheerende und anſteckende
Krankheiten das Ihrige beygetragen haben; zum Theil
haben ſie ſich allmaͤhlig weg und in die inneren Gegenden
gezogen. In ihre Stelle ſind in eben dem Verhaͤltniſſe
die Europaͤer geruͤckt und immer weiter zu allen Seiten
vorgedrungen. Vor anderthalb hundert Jahren ſtand
das Land gleichſam unter der Gewalt der gefaͤhrlichſten
und ſchrecklichſten Raubthiere, die unter einer unzaͤhligen
Menge andrer wilden Thiere das Gleichgewicht erhielten.
Jetzt reiſet man in eben dieſem Lande meiſtens ſicher und
ohne Gefahr. Da wo vor Zeiten nur Herden weideten,
ſieht man jetzt verſchiedne Oſtindiſche und die meiſten Eu-
ropaͤiſchen Getreidearten wachſen, Gartengewaͤchſe ge-
deihen und Obſtgaͤrten und Weinberge prangen. Von
zahmen Thieren hat man ſo wohl aus Europa als aus an-
dern Laͤndern verſchiedne Arten hieher gebracht, und hier
mit gutem Erfolge einheimiſch gemacht, als Pferde, Kuͤ-
he, Schweine, und verſchiedne Arten Federvieh und Voͤ-
gel. Eben dies gilt von vielen nuͤtzlichen Produkten des
Gewaͤchsreichs, die unter den Haͤnden der fleißigen Ko-

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[174/0512] Vierte Abtheilung. Aufenthalt zu Cap mit demſelben vor dieſer Zeit vorgefallen ſeyn moͤgen. Alte Ruinen hat das Land ganz und gar nicht, weder von verbrannten Pallaͤſten und zerſtoͤrten Schloͤſſern, noch von verwuͤſteten Staͤdten. Die Hottentotten ſelbſt ken- nen weder ihren eignen Urſprung, noch die Entſtehung und Veranlaſſung der bey ihnen gebraͤuchlichen Ceremo- nien und Sitten. Die wenigſten unter ihnen koͤnnen et- was von dem erzaͤhlen, was ſich vor der Zeit ihrer Vaͤ- ter bey ihnen zugetragen hat. Seitdem die Europaͤer angefangen haben, dieſen Theil des ſuͤdlichen Afrika zu bewohnen, hat derſelbe man- cherley und große Veraͤnderungen erfahren. Die eigen- thuͤmlichen Einwohner ſind theils nach und nach ausge- ſtorben, wozu hauptſaͤchlich verheerende und anſteckende Krankheiten das Ihrige beygetragen haben; zum Theil haben ſie ſich allmaͤhlig weg und in die inneren Gegenden gezogen. In ihre Stelle ſind in eben dem Verhaͤltniſſe die Europaͤer geruͤckt und immer weiter zu allen Seiten vorgedrungen. Vor anderthalb hundert Jahren ſtand das Land gleichſam unter der Gewalt der gefaͤhrlichſten und ſchrecklichſten Raubthiere, die unter einer unzaͤhligen Menge andrer wilden Thiere das Gleichgewicht erhielten. Jetzt reiſet man in eben dieſem Lande meiſtens ſicher und ohne Gefahr. Da wo vor Zeiten nur Herden weideten, ſieht man jetzt verſchiedne Oſtindiſche und die meiſten Eu- ropaͤiſchen Getreidearten wachſen, Gartengewaͤchſe ge- deihen und Obſtgaͤrten und Weinberge prangen. Von zahmen Thieren hat man ſo wohl aus Europa als aus an- dern Laͤndern verſchiedne Arten hieher gebracht, und hier mit gutem Erfolge einheimiſch gemacht, als Pferde, Kuͤ- he, Schweine, und verſchiedne Arten Federvieh und Voͤ- gel. Eben dies gilt von vielen nuͤtzlichen Produkten des Gewaͤchsreichs, die unter den Haͤnden der fleißigen Ko-

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Zitationshilfe: Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792/512>, abgerufen am 22.11.2024.