es an den meisten Orten eine flache Klippe, nackt und kahl. Auch hat es keinen Abhang, wie andre Berge, son- dern es ist fast durchgängig eben, und erstreckt sich in dieser Lage so weit nordwärts, daß das Ende den Kolo- nisten noch nicht bekannt war. Es liegt zwar der Sonne und dem Aequator um verschiedne Grade näher, als das Cap; demungeachtet aber ist es da nicht nur kalt, sondern die Kälte ist im Winter so streng, daß das Land eine ge- raume Zeit hindurch mit Schnee, Hagel und Eis ganz bedeckt ist.
Während meiner Reisen so wohl als meines Aufent- halts zu Cap hatte ich viel Gelegenheit, den südlichen Himmel zu betrachten. Großentheils war sein Anblick für mich fremd. Einige bekannte Gestirne hatten eine ganz andere Lage als auf der Nord-Seite der Mittellinie, andre vermißte ich ganz. Der Heerwagen, welcher den Bauer auf der nördlichen Hälfte des Erdbodens im Win- ter des Nachts die Zeit so getreu anzeigt, sah ich tief am Horizonte herabgesunken. Dagegen schienen den Ein- wohnern dieses Landes die so genannten Capschen Wolken, die bekanntlich zwey dunkle Flecken am Himmel sind, ein eben so sicheres Kennzeichen zu seyn. Jetzt bedauerte ich, mit lebhaftem Gefühl, wie viel ich entbehrte, daß ich mich in jungen Jahren nicht mehr auf die Erlernung ei- ner so vortrefflichen Wissenschaft, als die Sternkunde, gelegt hatte. Fürwahr ich hätte gern alle ehemahls mit so vieler Mühe und Verdruß auswendig gelernte Defini- tionen und einen großen Theil meiner Kenntniß und Fer- tigkeit in todten Sprachen, deren Erlernung einen be- trächtlichen Theil meiner Jugendzeit, die ich dieser und andern so nützlichen Wissenschaften hätte widmen können, weggenommen hatten, für die Kenntniß eines einzigen Gestirns hingegeben.
nach der dritten Afrikaniſchen Reiſe.
es an den meiſten Orten eine flache Klippe, nackt und kahl. Auch hat es keinen Abhang, wie andre Berge, ſon- dern es iſt faſt durchgaͤngig eben, und erſtreckt ſich in dieſer Lage ſo weit nordwaͤrts, daß das Ende den Kolo- niſten noch nicht bekannt war. Es liegt zwar der Sonne und dem Aequator um verſchiedne Grade naͤher, als das Cap; demungeachtet aber iſt es da nicht nur kalt, ſondern die Kaͤlte iſt im Winter ſo ſtreng, daß das Land eine ge- raume Zeit hindurch mit Schnee, Hagel und Eis ganz bedeckt iſt.
Waͤhrend meiner Reiſen ſo wohl als meines Aufent- halts zu Cap hatte ich viel Gelegenheit, den ſuͤdlichen Himmel zu betrachten. Großentheils war ſein Anblick fuͤr mich fremd. Einige bekannte Geſtirne hatten eine ganz andere Lage als auf der Nord-Seite der Mittellinie, andre vermißte ich ganz. Der Heerwagen, welcher den Bauer auf der noͤrdlichen Haͤlfte des Erdbodens im Win- ter des Nachts die Zeit ſo getreu anzeigt, ſah ich tief am Horizonte herabgeſunken. Dagegen ſchienen den Ein- wohnern dieſes Landes die ſo genannten Capſchen Wolken, die bekanntlich zwey dunkle Flecken am Himmel ſind, ein eben ſo ſicheres Kennzeichen zu ſeyn. Jetzt bedauerte ich, mit lebhaftem Gefuͤhl, wie viel ich entbehrte, daß ich mich in jungen Jahren nicht mehr auf die Erlernung ei- ner ſo vortrefflichen Wiſſenſchaft, als die Sternkunde, gelegt hatte. Fuͤrwahr ich haͤtte gern alle ehemahls mit ſo vieler Muͤhe und Verdruß auswendig gelernte Defini- tionen und einen großen Theil meiner Kenntniß und Fer- tigkeit in todten Sprachen, deren Erlernung einen be- traͤchtlichen Theil meiner Jugendzeit, die ich dieſer und andern ſo nuͤtzlichen Wiſſenſchaften haͤtte widmen koͤnnen, weggenommen hatten, fuͤr die Kenntniß eines einzigen Geſtirns hingegeben.
<TEI><text><body><divn="2"><p><pbfacs="#f0519"n="181"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">nach der dritten Afrikaniſchen Reiſe.</hi></fw><lb/>
es an den meiſten Orten eine flache Klippe, nackt und<lb/>
kahl. Auch hat es keinen Abhang, wie andre Berge, ſon-<lb/>
dern es iſt faſt durchgaͤngig eben, und erſtreckt ſich in<lb/>
dieſer Lage ſo weit nordwaͤrts, daß das Ende den Kolo-<lb/>
niſten noch nicht bekannt war. Es liegt zwar der Sonne<lb/>
und dem Aequator um verſchiedne Grade naͤher, als das<lb/><placeName>Cap</placeName>; demungeachtet aber iſt es da nicht nur kalt, ſondern<lb/>
die Kaͤlte iſt im Winter ſo ſtreng, daß das Land eine ge-<lb/>
raume Zeit hindurch mit Schnee, Hagel und Eis ganz<lb/>
bedeckt iſt.</p><lb/><p>Waͤhrend meiner Reiſen ſo wohl als meines Aufent-<lb/>
halts zu <placeName>Cap</placeName> hatte ich viel Gelegenheit, den ſuͤdlichen<lb/>
Himmel zu betrachten. Großentheils war ſein Anblick<lb/>
fuͤr mich fremd. Einige bekannte Geſtirne hatten eine<lb/>
ganz andere Lage als auf der Nord-Seite der Mittellinie,<lb/>
andre vermißte ich ganz. Der Heerwagen, welcher den<lb/>
Bauer auf der noͤrdlichen Haͤlfte des Erdbodens im Win-<lb/>
ter des Nachts die Zeit ſo getreu anzeigt, ſah ich tief am<lb/>
Horizonte herabgeſunken. Dagegen ſchienen den Ein-<lb/>
wohnern dieſes Landes die ſo genannten Capſchen Wolken,<lb/>
die bekanntlich zwey dunkle Flecken am Himmel ſind,<lb/>
ein eben ſo ſicheres Kennzeichen zu ſeyn. Jetzt bedauerte<lb/>
ich, mit lebhaftem Gefuͤhl, wie viel ich entbehrte, daß ich<lb/>
mich in jungen Jahren nicht mehr auf die Erlernung ei-<lb/>
ner ſo vortrefflichen Wiſſenſchaft, als die Sternkunde,<lb/>
gelegt hatte. Fuͤrwahr ich haͤtte gern alle ehemahls mit<lb/>ſo vieler Muͤhe und Verdruß auswendig gelernte Defini-<lb/>
tionen und einen großen Theil meiner Kenntniß und Fer-<lb/>
tigkeit in todten Sprachen, deren Erlernung einen be-<lb/>
traͤchtlichen Theil meiner Jugendzeit, die ich dieſer und<lb/>
andern ſo nuͤtzlichen Wiſſenſchaften haͤtte widmen koͤnnen,<lb/>
weggenommen hatten, fuͤr die Kenntniß eines einzigen<lb/>
Geſtirns hingegeben.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[181/0519]
nach der dritten Afrikaniſchen Reiſe.
es an den meiſten Orten eine flache Klippe, nackt und
kahl. Auch hat es keinen Abhang, wie andre Berge, ſon-
dern es iſt faſt durchgaͤngig eben, und erſtreckt ſich in
dieſer Lage ſo weit nordwaͤrts, daß das Ende den Kolo-
niſten noch nicht bekannt war. Es liegt zwar der Sonne
und dem Aequator um verſchiedne Grade naͤher, als das
Cap; demungeachtet aber iſt es da nicht nur kalt, ſondern
die Kaͤlte iſt im Winter ſo ſtreng, daß das Land eine ge-
raume Zeit hindurch mit Schnee, Hagel und Eis ganz
bedeckt iſt.
Waͤhrend meiner Reiſen ſo wohl als meines Aufent-
halts zu Cap hatte ich viel Gelegenheit, den ſuͤdlichen
Himmel zu betrachten. Großentheils war ſein Anblick
fuͤr mich fremd. Einige bekannte Geſtirne hatten eine
ganz andere Lage als auf der Nord-Seite der Mittellinie,
andre vermißte ich ganz. Der Heerwagen, welcher den
Bauer auf der noͤrdlichen Haͤlfte des Erdbodens im Win-
ter des Nachts die Zeit ſo getreu anzeigt, ſah ich tief am
Horizonte herabgeſunken. Dagegen ſchienen den Ein-
wohnern dieſes Landes die ſo genannten Capſchen Wolken,
die bekanntlich zwey dunkle Flecken am Himmel ſind,
ein eben ſo ſicheres Kennzeichen zu ſeyn. Jetzt bedauerte
ich, mit lebhaftem Gefuͤhl, wie viel ich entbehrte, daß ich
mich in jungen Jahren nicht mehr auf die Erlernung ei-
ner ſo vortrefflichen Wiſſenſchaft, als die Sternkunde,
gelegt hatte. Fuͤrwahr ich haͤtte gern alle ehemahls mit
ſo vieler Muͤhe und Verdruß auswendig gelernte Defini-
tionen und einen großen Theil meiner Kenntniß und Fer-
tigkeit in todten Sprachen, deren Erlernung einen be-
traͤchtlichen Theil meiner Jugendzeit, die ich dieſer und
andern ſo nuͤtzlichen Wiſſenſchaften haͤtte widmen koͤnnen,
weggenommen hatten, fuͤr die Kenntniß eines einzigen
Geſtirns hingegeben.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792/519>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.