mehr, von andern weniger an, die hier wohnen, um in dieser Hauptstadt Ostindiens sich durch die Handlung zu bereichern.
Die Europäer zu Batavia verrichten ihre Geschäffte gewöhnlich des Morgens früh. Auch sind die Frühstunden die Zeit, wo die sämmtlichen Ober-Bedienten der Compagnie sich zum Gouverneur begeben, um ihm Bericht abzustat- ten, und seine Befehle zu erwarten. Diese besorgen denn ihre Arbeiten zwar zwischen neun und zehn Uhr, aber doch im Zimmer, und zwar wo es kühl ist. Nach Mittag, so bald man gegessen hat, ein Paar Stunden Mittags- schlaf zu halten, bis die größte Hitze des Tages vorüber ist, wird als eine allgemein eingeführte Sitte beobachtet: eine Sitte, die unter einem so brennenden Himmelsstri- che sehr zu entschuldigen ist. Ein Sklave muß während dieser Mittagsruhe vor dem Sofa stehen, mit einem großen Fächer die Mücken verscheuchen und zugleich sei- nem schlafenden Herrn eine angenehme Kühlung zuwehen.
Jeden Abend von sechs bis neun Uhr ist die allge- meine Visiten-Zeit. Man besucht alsdann ungebethen seine guten Freunde, und die Gesellschaft vertreibt unter Gesprächen und bey einem Glase guten, meistens rothen Europäischen Weins, wobey aber ununterbrochen ge- raucht wird, die Zeit. So bald es neun schlägt, geht jeder zu Hause, wofern man nicht ausdrücklich gebe- then wird, zum Abendessen zu bleiben. Gewöhnlich kommt man mit Rock, Perucke, Huth, Degen und Stock, und hat einen Sklaven bey sich, der einen gro- ßen weiten Sonnenschirm trägt. So bald die Compli- mente vorbey sind, giebt man Huth und Stock dem Sklaven, nimmt die Perucke ab, und setzt auf den kahl geschornen Kopf eine weiße baumwollne Mütze. Darauf legt man Rock und Degen ab, und läßt alles durch den
Sechste Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
mehr, von andern weniger an, die hier wohnen, um in dieſer Hauptſtadt Oſtindiens ſich durch die Handlung zu bereichern.
Die Europaͤer zu Batavia verrichten ihre Geſchaͤffte gewoͤhnlich des Morgens fruͤh. Auch ſind die Fruͤhſtunden die Zeit, wo die ſaͤmmtlichen Ober-Bedienten der Compagnie ſich zum Gouverneur begeben, um ihm Bericht abzuſtat- ten, und ſeine Befehle zu erwarten. Dieſe beſorgen denn ihre Arbeiten zwar zwiſchen neun und zehn Uhr, aber doch im Zimmer, und zwar wo es kuͤhl iſt. Nach Mittag, ſo bald man gegeſſen hat, ein Paar Stunden Mittags- ſchlaf zu halten, bis die groͤßte Hitze des Tages voruͤber iſt, wird als eine allgemein eingefuͤhrte Sitte beobachtet: eine Sitte, die unter einem ſo brennenden Himmelsſtri- che ſehr zu entſchuldigen iſt. Ein Sklave muß waͤhrend dieſer Mittagsruhe vor dem Sofa ſtehen, mit einem großen Faͤcher die Muͤcken verſcheuchen und zugleich ſei- nem ſchlafenden Herrn eine angenehme Kuͤhlung zuwehen.
Jeden Abend von ſechs bis neun Uhr iſt die allge- meine Viſiten-Zeit. Man beſucht alsdann ungebethen ſeine guten Freunde, und die Geſellſchaft vertreibt unter Geſpraͤchen und bey einem Glaſe guten, meiſtens rothen Europaͤiſchen Weins, wobey aber ununterbrochen ge- raucht wird, die Zeit. So bald es neun ſchlaͤgt, geht jeder zu Hauſe, wofern man nicht ausdruͤcklich gebe- then wird, zum Abendeſſen zu bleiben. Gewoͤhnlich kommt man mit Rock, Perucke, Huth, Degen und Stock, und hat einen Sklaven bey ſich, der einen gro- ßen weiten Sonnenſchirm traͤgt. So bald die Compli- mente vorbey ſind, giebt man Huth und Stock dem Sklaven, nimmt die Perucke ab, und ſetzt auf den kahl geſchornen Kopf eine weiße baumwollne Muͤtze. Darauf legt man Rock und Degen ab, und laͤßt alles durch den
<TEI><text><body><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0542"n="204"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Sechste Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.</hi></fw><lb/>
mehr, von andern weniger an, die hier wohnen, um<lb/>
in dieſer Hauptſtadt <placeName>Oſtindiens</placeName>ſich durch die Handlung<lb/>
zu bereichern.</p><lb/><p>Die Europaͤer zu <placeName>Batavia</placeName> verrichten ihre Geſchaͤffte<lb/>
gewoͤhnlich des Morgens fruͤh. Auch ſind die Fruͤhſtunden<lb/>
die Zeit, wo die ſaͤmmtlichen Ober-Bedienten der Compagnie<lb/>ſich zum Gouverneur begeben, um ihm Bericht abzuſtat-<lb/>
ten, und ſeine Befehle zu erwarten. Dieſe beſorgen denn<lb/>
ihre Arbeiten zwar zwiſchen neun und zehn Uhr, aber doch<lb/>
im Zimmer, und zwar wo es kuͤhl iſt. Nach Mittag,<lb/>ſo bald man gegeſſen hat, ein Paar Stunden Mittags-<lb/>ſchlaf zu halten, bis die groͤßte Hitze des Tages voruͤber<lb/>
iſt, wird als eine allgemein eingefuͤhrte Sitte beobachtet:<lb/>
eine Sitte, die unter einem ſo brennenden Himmelsſtri-<lb/>
che ſehr zu entſchuldigen iſt. Ein Sklave muß waͤhrend<lb/>
dieſer Mittagsruhe vor dem Sofa ſtehen, mit einem<lb/>
großen Faͤcher die Muͤcken verſcheuchen und zugleich ſei-<lb/>
nem ſchlafenden Herrn eine angenehme Kuͤhlung zuwehen.</p><lb/><p>Jeden Abend von ſechs bis neun Uhr iſt die allge-<lb/>
meine Viſiten-Zeit. Man beſucht alsdann ungebethen<lb/>ſeine guten Freunde, und die Geſellſchaft vertreibt unter<lb/>
Geſpraͤchen und bey einem Glaſe guten, meiſtens rothen<lb/>
Europaͤiſchen Weins, wobey aber ununterbrochen ge-<lb/>
raucht wird, die Zeit. So bald es neun ſchlaͤgt, geht<lb/>
jeder zu Hauſe, wofern man nicht ausdruͤcklich gebe-<lb/>
then wird, zum Abendeſſen zu bleiben. Gewoͤhnlich<lb/>
kommt man mit Rock, Perucke, Huth, Degen und<lb/>
Stock, und hat einen Sklaven bey ſich, der einen gro-<lb/>
ßen weiten Sonnenſchirm traͤgt. So bald die Compli-<lb/>
mente vorbey ſind, giebt man Huth und Stock dem<lb/>
Sklaven, nimmt die Perucke ab, und ſetzt auf den kahl<lb/>
geſchornen Kopf eine weiße baumwollne Muͤtze. Darauf<lb/>
legt man Rock und Degen ab, und laͤßt alles durch den<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[204/0542]
Sechste Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
mehr, von andern weniger an, die hier wohnen, um
in dieſer Hauptſtadt Oſtindiens ſich durch die Handlung
zu bereichern.
Die Europaͤer zu Batavia verrichten ihre Geſchaͤffte
gewoͤhnlich des Morgens fruͤh. Auch ſind die Fruͤhſtunden
die Zeit, wo die ſaͤmmtlichen Ober-Bedienten der Compagnie
ſich zum Gouverneur begeben, um ihm Bericht abzuſtat-
ten, und ſeine Befehle zu erwarten. Dieſe beſorgen denn
ihre Arbeiten zwar zwiſchen neun und zehn Uhr, aber doch
im Zimmer, und zwar wo es kuͤhl iſt. Nach Mittag,
ſo bald man gegeſſen hat, ein Paar Stunden Mittags-
ſchlaf zu halten, bis die groͤßte Hitze des Tages voruͤber
iſt, wird als eine allgemein eingefuͤhrte Sitte beobachtet:
eine Sitte, die unter einem ſo brennenden Himmelsſtri-
che ſehr zu entſchuldigen iſt. Ein Sklave muß waͤhrend
dieſer Mittagsruhe vor dem Sofa ſtehen, mit einem
großen Faͤcher die Muͤcken verſcheuchen und zugleich ſei-
nem ſchlafenden Herrn eine angenehme Kuͤhlung zuwehen.
Jeden Abend von ſechs bis neun Uhr iſt die allge-
meine Viſiten-Zeit. Man beſucht alsdann ungebethen
ſeine guten Freunde, und die Geſellſchaft vertreibt unter
Geſpraͤchen und bey einem Glaſe guten, meiſtens rothen
Europaͤiſchen Weins, wobey aber ununterbrochen ge-
raucht wird, die Zeit. So bald es neun ſchlaͤgt, geht
jeder zu Hauſe, wofern man nicht ausdruͤcklich gebe-
then wird, zum Abendeſſen zu bleiben. Gewoͤhnlich
kommt man mit Rock, Perucke, Huth, Degen und
Stock, und hat einen Sklaven bey ſich, der einen gro-
ßen weiten Sonnenſchirm traͤgt. So bald die Compli-
mente vorbey ſind, giebt man Huth und Stock dem
Sklaven, nimmt die Perucke ab, und ſetzt auf den kahl
geſchornen Kopf eine weiße baumwollne Muͤtze. Darauf
legt man Rock und Degen ab, und laͤßt alles durch den
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792/542>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.