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Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792.

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Erste Abtheilung. Dritter Abschnitt.
Landvolk trägt hölzerne Schuh, worin Socken oder
Stroh liegt. -- Die wilden Gewächse, welche ich hier an-
traf, waren gemeine Möhren, Masliebe oder Tausend-
schön, Kreutzpflanze (Senecio), Münze, Betonien
(Betonica), Mistel; um die Bäume fand ich viel Epheu.

Als wir gegen Abend in eine solche Gegend gekom-
men waren, wo der Strom von hohen Hügeln umgeben
wird, und der Wind nicht stark wehen kann, wurde das
Schiff von vier, auch wohl mehr, Pferden an einem
Taue den Strom hinaufgezogen. Die Pferde werden
von den Bauern zu diesem Gebrauche gem[i]ethet, und die-
se geben sie auch gern dazu her. Als wir Rouen näher
kamen, schienen verschiedne Inseln sich im Strome zu
bilden. Den 25. November langten wir in dieser Stadt
endlich an.

Rouen ist eine ziemlich große und befestigte Stadt.
Die Häuser sind theils steinern, theils von Fachwerk.
Sie hat ein sehr langes und großes Kloster. Die Schiffe
legen dicht bey der Brücke an, gerade vor dem Markte
und der Börse. Diese Börse ist ein unbedeckter Platz und
nur mit einem eisernen Gitter umgeben. Sie wird nur
bey schönem Wetter gebraucht, und dient auch oft zum
gewöhnlichen Spatziergange. Eine andre Börse liegt tie-
fer in der Stadt. Die ganze Straße längs dem Hafen
ist voll Buden, worin die Schiffsbesucher sich aufhalten;
und vom Hafen in die Stadt geht man durch Thore,
die des Abends um neun Uhr geschlossen werden. Die
Häuser sind hier häufig mit Schiefer gedeckt. Die
Pferde sind klein, und haben einen übeln Gang. Auch
Frauenspersonen reiten, und oft sitzt eine hintenauf.
Waaren und Lasten werden auf großen und unbehülf-
lichen Karren gefahren, und man spannt vier bis fünf
Pferde hinter einander vor, die bisweilen großes und

Erſte Abtheilung. Dritter Abſchnitt.
Landvolk traͤgt hoͤlzerne Schuh, worin Socken oder
Stroh liegt. — Die wilden Gewaͤchſe, welche ich hier an-
traf, waren gemeine Moͤhren, Masliebe oder Tauſend-
ſchoͤn, Kreutzpflanze (Senecio), Muͤnze, Betonien
(Betonica), Miſtel; um die Baͤume fand ich viel Epheu.

Als wir gegen Abend in eine ſolche Gegend gekom-
men waren, wo der Strom von hohen Huͤgeln umgeben
wird, und der Wind nicht ſtark wehen kann, wurde das
Schiff von vier, auch wohl mehr, Pferden an einem
Taue den Strom hinaufgezogen. Die Pferde werden
von den Bauern zu dieſem Gebrauche gem[i]ethet, und die-
ſe geben ſie auch gern dazu her. Als wir Rouen naͤher
kamen, ſchienen verſchiedne Inſeln ſich im Strome zu
bilden. Den 25. November langten wir in dieſer Stadt
endlich an.

Rouen iſt eine ziemlich große und befeſtigte Stadt.
Die Haͤuſer ſind theils ſteinern, theils von Fachwerk.
Sie hat ein ſehr langes und großes Kloſter. Die Schiffe
legen dicht bey der Bruͤcke an, gerade vor dem Markte
und der Boͤrſe. Dieſe Boͤrſe iſt ein unbedeckter Platz und
nur mit einem eiſernen Gitter umgeben. Sie wird nur
bey ſchoͤnem Wetter gebraucht, und dient auch oft zum
gewoͤhnlichen Spatziergange. Eine andre Boͤrſe liegt tie-
fer in der Stadt. Die ganze Straße laͤngs dem Hafen
iſt voll Buden, worin die Schiffsbeſucher ſich aufhalten;
und vom Hafen in die Stadt geht man durch Thore,
die des Abends um neun Uhr geſchloſſen werden. Die
Haͤuſer ſind hier haͤufig mit Schiefer gedeckt. Die
Pferde ſind klein, und haben einen uͤbeln Gang. Auch
Frauensperſonen reiten, und oft ſitzt eine hintenauf.
Waaren und Laſten werden auf großen und unbehuͤlf-
lichen Karren gefahren, und man ſpannt vier bis fuͤnf
Pferde hinter einander vor, die bisweilen großes und

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[30/0058] Erſte Abtheilung. Dritter Abſchnitt. Landvolk traͤgt hoͤlzerne Schuh, worin Socken oder Stroh liegt. — Die wilden Gewaͤchſe, welche ich hier an- traf, waren gemeine Moͤhren, Masliebe oder Tauſend- ſchoͤn, Kreutzpflanze (Senecio), Muͤnze, Betonien (Betonica), Miſtel; um die Baͤume fand ich viel Epheu. Als wir gegen Abend in eine ſolche Gegend gekom- men waren, wo der Strom von hohen Huͤgeln umgeben wird, und der Wind nicht ſtark wehen kann, wurde das Schiff von vier, auch wohl mehr, Pferden an einem Taue den Strom hinaufgezogen. Die Pferde werden von den Bauern zu dieſem Gebrauche gemiethet, und die- ſe geben ſie auch gern dazu her. Als wir Rouen naͤher kamen, ſchienen verſchiedne Inſeln ſich im Strome zu bilden. Den 25. November langten wir in dieſer Stadt endlich an. Rouen iſt eine ziemlich große und befeſtigte Stadt. Die Haͤuſer ſind theils ſteinern, theils von Fachwerk. Sie hat ein ſehr langes und großes Kloſter. Die Schiffe legen dicht bey der Bruͤcke an, gerade vor dem Markte und der Boͤrſe. Dieſe Boͤrſe iſt ein unbedeckter Platz und nur mit einem eiſernen Gitter umgeben. Sie wird nur bey ſchoͤnem Wetter gebraucht, und dient auch oft zum gewoͤhnlichen Spatziergange. Eine andre Boͤrſe liegt tie- fer in der Stadt. Die ganze Straße laͤngs dem Hafen iſt voll Buden, worin die Schiffsbeſucher ſich aufhalten; und vom Hafen in die Stadt geht man durch Thore, die des Abends um neun Uhr geſchloſſen werden. Die Haͤuſer ſind hier haͤufig mit Schiefer gedeckt. Die Pferde ſind klein, und haben einen uͤbeln Gang. Auch Frauensperſonen reiten, und oft ſitzt eine hintenauf. Waaren und Laſten werden auf großen und unbehuͤlf- lichen Karren gefahren, und man ſpannt vier bis fuͤnf Pferde hinter einander vor, die bisweilen großes und

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Zitationshilfe: Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792/58>, abgerufen am 18.05.2024.