heben allezeit die Vorderfüße auf, wie die Indier, wenn sie grüßen oder um etwas bitten wollen. Weil dies Thier sehr träge, sich selten, und wenn es geschieht, un- gemein langsam bewegt, die Brust völlig wie der Stiel eines Blatts, und die Flügel mit ihren dunkeln Adern genau wie ein Blatt aussehen, so hat man deswegen eine Art des Gespenstkäfers (Mantis gongylodes) das wan- dernde oder lebendige Blatt genannt. Die Indier sehen sie für heilige, wenigstens für glückbringende Thiere an.
In den Javaschen Wäldern hält sich eine Gattung großer Cicaden (Cicada) auf, die man Garing nennt. Sie sitzen auf den Bäumen, und geben einen so gellen- den Schall von sich, als wenn man eine Trompete hörte. Es ist schwer, dies Insekt zu sehen zu bekommen, noch schwerer es zu fangen. Es sitzt an den Stämmen und an großen kahlen Zweigen der Bäume, und man ent- deckt es nicht leicht mit den Augen. Wenn man ihm näher kommt, schweigt es allmählig mehr still, und fliegt endlich in Geschwindigkeit davon. Am bequemsten fängt man es mit einem Insektenfänger, den man ihnen vor- hält. Die Indier haben noch eine andre Methode: sie bringen das Ende eines mit Vogelleim bestrichnen langen Stocks an den Hintertheil der Flügel, und machen da- durch, daß diese zusammenkleben; alsdann können sie nicht wegfliegen.
Fliegende Eidechsen (Draco volans) fliegen in den heißen Stunden des Tages vor der Stadt in Menge um- her; es sieht gerade so aus, als wenn bey uns die Fle- dermäuse des Abends umherschwirren. Sie thun aber niemand etwas zu leide. Ich fing manche von ihnen im Fliegen.
Kakerlaken (Blattae) und Ameisen sind in In- dien eben so allgemein, als in hohem Grade beschwerlich.
Sechste Abtheilung. Achter Abſchnitt.
heben allezeit die Vorderfuͤße auf, wie die Indier, wenn ſie gruͤßen oder um etwas bitten wollen. Weil dies Thier ſehr traͤge, ſich ſelten, und wenn es geſchieht, un- gemein langſam bewegt, die Bruſt voͤllig wie der Stiel eines Blatts, und die Fluͤgel mit ihren dunkeln Adern genau wie ein Blatt ausſehen, ſo hat man deswegen eine Art des Geſpenſtkaͤfers (Mantis gongylodes) das wan- dernde oder lebendige Blatt genannt. Die Indier ſehen ſie fuͤr heilige, wenigſtens fuͤr gluͤckbringende Thiere an.
In den Javaſchen Waͤldern haͤlt ſich eine Gattung großer Cicaden (Cicada) auf, die man Garing nennt. Sie ſitzen auf den Baͤumen, und geben einen ſo gellen- den Schall von ſich, als wenn man eine Trompete hoͤrte. Es iſt ſchwer, dies Inſekt zu ſehen zu bekommen, noch ſchwerer es zu fangen. Es ſitzt an den Staͤmmen und an großen kahlen Zweigen der Baͤume, und man ent- deckt es nicht leicht mit den Augen. Wenn man ihm naͤher kommt, ſchweigt es allmaͤhlig mehr ſtill, und fliegt endlich in Geſchwindigkeit davon. Am bequemſten faͤngt man es mit einem Inſektenfaͤnger, den man ihnen vor- haͤlt. Die Indier haben noch eine andre Methode: ſie bringen das Ende eines mit Vogelleim beſtrichnen langen Stocks an den Hintertheil der Fluͤgel, und machen da- durch, daß dieſe zuſammenkleben; alsdann koͤnnen ſie nicht wegfliegen.
Fliegende Eidechſen (Draco volans) fliegen in den heißen Stunden des Tages vor der Stadt in Menge um- her; es ſieht gerade ſo aus, als wenn bey uns die Fle- dermaͤuſe des Abends umherſchwirren. Sie thun aber niemand etwas zu leide. Ich fing manche von ihnen im Fliegen.
Kakerlaken (Blattae) und Ameiſen ſind in In- dien eben ſo allgemein, als in hohem Grade beſchwerlich.
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Sechste Abtheilung. Achter Abſchnitt.
heben allezeit die Vorderfuͤße auf, wie die Indier, wenn
ſie gruͤßen oder um etwas bitten wollen. Weil dies
Thier ſehr traͤge, ſich ſelten, und wenn es geſchieht, un-
gemein langſam bewegt, die Bruſt voͤllig wie der Stiel
eines Blatts, und die Fluͤgel mit ihren dunkeln Adern
genau wie ein Blatt ausſehen, ſo hat man deswegen eine
Art des Geſpenſtkaͤfers (Mantis gongylodes) das wan-
dernde oder lebendige Blatt genannt. Die Indier ſehen
ſie fuͤr heilige, wenigſtens fuͤr gluͤckbringende Thiere an.
In den Javaſchen Waͤldern haͤlt ſich eine Gattung
großer Cicaden (Cicada) auf, die man Garing nennt.
Sie ſitzen auf den Baͤumen, und geben einen ſo gellen-
den Schall von ſich, als wenn man eine Trompete hoͤrte.
Es iſt ſchwer, dies Inſekt zu ſehen zu bekommen, noch
ſchwerer es zu fangen. Es ſitzt an den Staͤmmen und
an großen kahlen Zweigen der Baͤume, und man ent-
deckt es nicht leicht mit den Augen. Wenn man ihm
naͤher kommt, ſchweigt es allmaͤhlig mehr ſtill, und fliegt
endlich in Geſchwindigkeit davon. Am bequemſten faͤngt
man es mit einem Inſektenfaͤnger, den man ihnen vor-
haͤlt. Die Indier haben noch eine andre Methode: ſie
bringen das Ende eines mit Vogelleim beſtrichnen langen
Stocks an den Hintertheil der Fluͤgel, und machen da-
durch, daß dieſe zuſammenkleben; alsdann koͤnnen ſie
nicht wegfliegen.
Fliegende Eidechſen (Draco volans) fliegen in den
heißen Stunden des Tages vor der Stadt in Menge um-
her; es ſieht gerade ſo aus, als wenn bey uns die Fle-
dermaͤuſe des Abends umherſchwirren. Sie thun aber
niemand etwas zu leide. Ich fing manche von ihnen
im Fliegen.
Kakerlaken (Blattae) und Ameiſen ſind in In-
dien eben ſo allgemein, als in hohem Grade beſchwerlich.
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Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792/602>, abgerufen am 22.11.2024.
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