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Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 2. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1794.

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nach der Kaiserl. Residenz-Stadt Jedo.
stand, sahen wir uns genöthigt unsere Anker wiederum
zu lichten, und ganze vierzehn Meilen bis Kaminoseki
zurück zu segeln, um in den dasigen bequemern und siche-
rern Hafen einzulaufen. Hier mußten wir gegen drey
Wochen zubringen, ehe wir günstigen Wind bekamen,
und die Reise fortsetzen konnten. Diese ganze Zeit wa-
ren wir beständig auf dem Schiffe, hatten aber doch ver-
schiedne Mahl Gelegenheit, ans Land zu gehen, und uns
in den Wirthshäusern und Tempeln umzusehen. Es war
jetzt auf dem Schiffe so kalt, daß wir in den Zimmern ein-
heitzen mußten, und doch Schnupfen und andre Erkäl-
tungen davon trugen. Die Japaner vertrieben sich die
Zeit mit allerhand Spielen. Meine Freunde unter ihnen
beschäfftigte ich theils mit medicinischen Vorlesungen, theils
mit Erkundigungen nach dem Lande, der Regierung, der
Haushaltung, der Sprache und dergleichen. Die
Sprache studierte ich besonders fleißig, und bereicherte
jetzt sehr mein schon angefangnes Wörterbuch.

Die Küsten, welche wir bisher vorbey gefahren wa-
ren, sind überall bergig, dennoch aber aufs höchste ange-
bauet. Die Berge sahen meistens wie schöne Gärten aus.

Zu Kaminoseki und zu Simonoseki bemerkte ich,
daß die öffentlichen Beamten zum Theil zwey Säbel, zum
Theil aber nicht mehr als einen tragen dürfen: jene
heißen Samrai, diese Tjonen. In beyden Städten ha-
ben auch junge Leute aus der Bürgerschaft, wirkliche
Bürgersöhne, bey dem Bürgermeister auf eine gewisse
Zeit die Aufwartung. Sie werden Kodom genannt,
sind wohlgekleidet, und tragen, wie Personen in öffent-
lichen Aemtern, lange Beinkleider. Nach Verlauf ei-
ner gewissen Zeit werden sie von andern abgelöset.

Endlich nach langem Harren machte sich ein günsti-
ger Wind auf, und wir konnten weiter unter Segel ge-

nach der Kaiſerl. Reſidenz-Stadt Jedo.
ſtand, ſahen wir uns genoͤthigt unſere Anker wiederum
zu lichten, und ganze vierzehn Meilen bis Kaminoſeki
zuruͤck zu ſegeln, um in den daſigen bequemern und ſiche-
rern Hafen einzulaufen. Hier mußten wir gegen drey
Wochen zubringen, ehe wir guͤnſtigen Wind bekamen,
und die Reiſe fortſetzen konnten. Dieſe ganze Zeit wa-
ren wir beſtaͤndig auf dem Schiffe, hatten aber doch ver-
ſchiedne Mahl Gelegenheit, ans Land zu gehen, und uns
in den Wirthshaͤuſern und Tempeln umzuſehen. Es war
jetzt auf dem Schiffe ſo kalt, daß wir in den Zimmern ein-
heitzen mußten, und doch Schnupfen und andre Erkaͤl-
tungen davon trugen. Die Japaner vertrieben ſich die
Zeit mit allerhand Spielen. Meine Freunde unter ihnen
beſchaͤfftigte ich theils mit mediciniſchen Vorleſungen, theils
mit Erkundigungen nach dem Lande, der Regierung, der
Haushaltung, der Sprache und dergleichen. Die
Sprache ſtudierte ich beſonders fleißig, und bereicherte
jetzt ſehr mein ſchon angefangnes Woͤrterbuch.

Die Kuͤſten, welche wir bisher vorbey gefahren wa-
ren, ſind uͤberall bergig, dennoch aber aufs hoͤchſte ange-
bauet. Die Berge ſahen meiſtens wie ſchoͤne Gaͤrten aus.

Zu Kaminoſeki und zu Simonoſeki bemerkte ich,
daß die oͤffentlichen Beamten zum Theil zwey Saͤbel, zum
Theil aber nicht mehr als einen tragen duͤrfen: jene
heißen Samrai, dieſe Tjonen. In beyden Staͤdten ha-
ben auch junge Leute aus der Buͤrgerſchaft, wirkliche
Buͤrgerſoͤhne, bey dem Buͤrgermeiſter auf eine gewiſſe
Zeit die Aufwartung. Sie werden Kodom genannt,
ſind wohlgekleidet, und tragen, wie Perſonen in oͤffent-
lichen Aemtern, lange Beinkleider. Nach Verlauf ei-
ner gewiſſen Zeit werden ſie von andern abgeloͤſet.

Endlich nach langem Harren machte ſich ein guͤnſti-
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[75/0109] nach der Kaiſerl. Reſidenz-Stadt Jedo. ſtand, ſahen wir uns genoͤthigt unſere Anker wiederum zu lichten, und ganze vierzehn Meilen bis Kaminoſeki zuruͤck zu ſegeln, um in den daſigen bequemern und ſiche- rern Hafen einzulaufen. Hier mußten wir gegen drey Wochen zubringen, ehe wir guͤnſtigen Wind bekamen, und die Reiſe fortſetzen konnten. Dieſe ganze Zeit wa- ren wir beſtaͤndig auf dem Schiffe, hatten aber doch ver- ſchiedne Mahl Gelegenheit, ans Land zu gehen, und uns in den Wirthshaͤuſern und Tempeln umzuſehen. Es war jetzt auf dem Schiffe ſo kalt, daß wir in den Zimmern ein- heitzen mußten, und doch Schnupfen und andre Erkaͤl- tungen davon trugen. Die Japaner vertrieben ſich die Zeit mit allerhand Spielen. Meine Freunde unter ihnen beſchaͤfftigte ich theils mit mediciniſchen Vorleſungen, theils mit Erkundigungen nach dem Lande, der Regierung, der Haushaltung, der Sprache und dergleichen. Die Sprache ſtudierte ich beſonders fleißig, und bereicherte jetzt ſehr mein ſchon angefangnes Woͤrterbuch. Die Kuͤſten, welche wir bisher vorbey gefahren wa- ren, ſind uͤberall bergig, dennoch aber aufs hoͤchſte ange- bauet. Die Berge ſahen meiſtens wie ſchoͤne Gaͤrten aus. Zu Kaminoſeki und zu Simonoſeki bemerkte ich, daß die oͤffentlichen Beamten zum Theil zwey Saͤbel, zum Theil aber nicht mehr als einen tragen duͤrfen: jene heißen Samrai, dieſe Tjonen. In beyden Staͤdten ha- ben auch junge Leute aus der Buͤrgerſchaft, wirkliche Buͤrgerſoͤhne, bey dem Buͤrgermeiſter auf eine gewiſſe Zeit die Aufwartung. Sie werden Kodom genannt, ſind wohlgekleidet, und tragen, wie Perſonen in oͤffent- lichen Aemtern, lange Beinkleider. Nach Verlauf ei- ner gewiſſen Zeit werden ſie von andern abgeloͤſet. Endlich nach langem Harren machte ſich ein guͤnſti- ger Wind auf, und wir konnten weiter unter Segel ge-

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Zitationshilfe: Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 2. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1794, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen02_1794/109>, abgerufen am 15.05.2024.