Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 2. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1794.nach der Kaiserl. Residenz-Stadt Jedo. Eingange in die Stadt vorbey waren, ging der Weg ei-ne gute Stunde lang durch eine große und breite Straße, ehe wir in der gewöhnlichen Herberge der Holländischen Ambassade eintrafen. Hier wurden wir durch die Hin- terthür hinein, und darauf durch einen schmalen Gang nach dem andern Ende des Hauses getragen. Der er- ste Eintritt schien uns nicht viel großes und schönes zu versprechen. Als wir aber die Treppe hinauf waren, fanden wir unsre Zimmer ziemlich nett, obgleich nicht so anständig, als ich sie in Rücksicht auf eine förmliche aus- wärtige Ambassade erwartet hatte. Ein großes Zimmer machte unser Vorzimmer, unsern Audienz-Saal und un- sern Speisesaal aus. Außer diesem stand nur noch eine besondre Kammer für den Ambassadeur, eine andre, die abgeschauert werden konnte, für den Doctor und den Secretair, und ein kleines Gemach zum Baden, bereit. Dies war alles, was wir zu unsrer Bequemlichkeit hat- ten, und damit mußten wir uns die ganze Zeit über be- gnügen. Die Aussicht ging nach einer kleinen Gasse, die selten leer von Jungen war, welche beständig jauchzten, und schrien, so bald sich nur einer von uns sehen ließ, und bisweilen so gar an den Wänden der gegen über ste- henden Häuser hoch hinauf kletterten, um uns zu sehen. So hatten wir denn mit Gesundheit und Vergnü- G 2
nach der Kaiſerl. Reſidenz-Stadt Jedo. Eingange in die Stadt vorbey waren, ging der Weg ei-ne gute Stunde lang durch eine große und breite Straße, ehe wir in der gewoͤhnlichen Herberge der Hollaͤndiſchen Ambaſſade eintrafen. Hier wurden wir durch die Hin- terthuͤr hinein, und darauf durch einen ſchmalen Gang nach dem andern Ende des Hauſes getragen. Der er- ſte Eintritt ſchien uns nicht viel großes und ſchoͤnes zu verſprechen. Als wir aber die Treppe hinauf waren, fanden wir unſre Zimmer ziemlich nett, obgleich nicht ſo anſtaͤndig, als ich ſie in Ruͤckſicht auf eine foͤrmliche aus- waͤrtige Ambaſſade erwartet hatte. Ein großes Zimmer machte unſer Vorzimmer, unſern Audienz-Saal und un- ſern Speiſeſaal aus. Außer dieſem ſtand nur noch eine beſondre Kammer fuͤr den Ambaſſadeur, eine andre, die abgeſchauert werden konnte, fuͤr den Doctor und den Secretair, und ein kleines Gemach zum Baden, bereit. Dies war alles, was wir zu unſrer Bequemlichkeit hat- ten, und damit mußten wir uns die ganze Zeit uͤber be- gnuͤgen. Die Ausſicht ging nach einer kleinen Gaſſe, die ſelten leer von Jungen war, welche beſtaͤndig jauchzten, und ſchrien, ſo bald ſich nur einer von uns ſehen ließ, und bisweilen ſo gar an den Waͤnden der gegen uͤber ſte- henden Haͤuſer hoch hinauf kletterten, um uns zu ſehen. So hatten wir denn mit Geſundheit und Vergnuͤ- G 2
<TEI> <text> <body> <div n="2"> <p><pb facs="#f0133" n="99"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">nach der Kaiſerl. Reſidenz-Stadt <placeName>Jedo</placeName>.</hi></fw><lb/> Eingange in die Stadt vorbey waren, ging der Weg ei-<lb/> ne gute Stunde lang durch eine große und breite Straße,<lb/> ehe wir in der gewoͤhnlichen Herberge der Hollaͤndiſchen<lb/> Ambaſſade eintrafen. Hier wurden wir durch die Hin-<lb/> terthuͤr hinein, und darauf durch einen ſchmalen Gang<lb/> nach dem andern Ende des Hauſes getragen. Der er-<lb/> ſte Eintritt ſchien uns nicht viel großes und ſchoͤnes zu<lb/> verſprechen. Als wir aber die Treppe hinauf waren,<lb/> fanden wir unſre Zimmer ziemlich nett, obgleich nicht ſo<lb/> anſtaͤndig, als ich ſie in Ruͤckſicht auf eine foͤrmliche aus-<lb/> waͤrtige Ambaſſade erwartet hatte. Ein großes Zimmer<lb/> machte unſer Vorzimmer, unſern Audienz-Saal und un-<lb/> ſern Speiſeſaal aus. Außer dieſem ſtand nur noch eine<lb/> beſondre Kammer fuͤr den Ambaſſadeur, eine andre, die<lb/> abgeſchauert werden konnte, fuͤr den Doctor und den<lb/> Secretair, und ein kleines Gemach zum Baden, bereit.<lb/> Dies war alles, was wir zu unſrer Bequemlichkeit hat-<lb/> ten, und damit mußten wir uns die ganze Zeit uͤber be-<lb/> gnuͤgen. Die Ausſicht ging nach einer kleinen Gaſſe, die<lb/> ſelten leer von Jungen war, welche beſtaͤndig jauchzten,<lb/> und ſchrien, ſo bald ſich nur einer von uns ſehen ließ,<lb/> und bisweilen ſo gar an den Waͤnden der gegen uͤber ſte-<lb/> henden Haͤuſer hoch hinauf kletterten, um uns zu ſehen.</p><lb/> <p>So hatten wir denn mit Geſundheit und Vergnuͤ-<lb/> gen unſre weite Reiſe vollendet, und waren wohlbehalten<lb/> in der, ganz im oͤſtlichen Theile des Landes liegenden<lb/> Hauptſtadt des ganzen Reichs angekommen. Niemand<lb/> als der Secretair war krank geweſen; ihn hatte auf den<lb/> Waſſerreiſen das Podagra geplagt. Die Provinzen,<lb/> durch welche wir gereiſet waren, waren vierzehn. <placeName>Omu-<lb/> ra</placeName>, <placeName>Fiſen</placeName>, <placeName>Tſikungo</placeName>, <placeName>Tſikudſen</placeName>, <placeName>Budſen</placeName>, <placeName>Jammaſiwo</placeName>,<lb/><placeName>Omi</placeName>, <placeName>Iſi</placeName>, <placeName>Owari</placeName>, <placeName>Mikawa</placeName>, <placeName>Tootomi</placeName>, <placeName>Surunga</placeName>,<lb/><placeName>Sagami</placeName> und <placeName>Muſafi</placeName>. Außer dieſen waren wir zur<lb/> <fw place="bottom" type="sig">G 2</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [99/0133]
nach der Kaiſerl. Reſidenz-Stadt Jedo.
Eingange in die Stadt vorbey waren, ging der Weg ei-
ne gute Stunde lang durch eine große und breite Straße,
ehe wir in der gewoͤhnlichen Herberge der Hollaͤndiſchen
Ambaſſade eintrafen. Hier wurden wir durch die Hin-
terthuͤr hinein, und darauf durch einen ſchmalen Gang
nach dem andern Ende des Hauſes getragen. Der er-
ſte Eintritt ſchien uns nicht viel großes und ſchoͤnes zu
verſprechen. Als wir aber die Treppe hinauf waren,
fanden wir unſre Zimmer ziemlich nett, obgleich nicht ſo
anſtaͤndig, als ich ſie in Ruͤckſicht auf eine foͤrmliche aus-
waͤrtige Ambaſſade erwartet hatte. Ein großes Zimmer
machte unſer Vorzimmer, unſern Audienz-Saal und un-
ſern Speiſeſaal aus. Außer dieſem ſtand nur noch eine
beſondre Kammer fuͤr den Ambaſſadeur, eine andre, die
abgeſchauert werden konnte, fuͤr den Doctor und den
Secretair, und ein kleines Gemach zum Baden, bereit.
Dies war alles, was wir zu unſrer Bequemlichkeit hat-
ten, und damit mußten wir uns die ganze Zeit uͤber be-
gnuͤgen. Die Ausſicht ging nach einer kleinen Gaſſe, die
ſelten leer von Jungen war, welche beſtaͤndig jauchzten,
und ſchrien, ſo bald ſich nur einer von uns ſehen ließ,
und bisweilen ſo gar an den Waͤnden der gegen uͤber ſte-
henden Haͤuſer hoch hinauf kletterten, um uns zu ſehen.
So hatten wir denn mit Geſundheit und Vergnuͤ-
gen unſre weite Reiſe vollendet, und waren wohlbehalten
in der, ganz im oͤſtlichen Theile des Landes liegenden
Hauptſtadt des ganzen Reichs angekommen. Niemand
als der Secretair war krank geweſen; ihn hatte auf den
Waſſerreiſen das Podagra geplagt. Die Provinzen,
durch welche wir gereiſet waren, waren vierzehn. Omu-
ra, Fiſen, Tſikungo, Tſikudſen, Budſen, Jammaſiwo,
Omi, Iſi, Owari, Mikawa, Tootomi, Surunga,
Sagami und Muſafi. Außer dieſen waren wir zur
G 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |