Dritte Abtheilung. Aufenthalt in der Hauptstadt Jedo.
Gleich anfangs nach unsrer Ankunft zu Jedo bekamen wir täglich Besuch von vielen Japanern. Wir selbst hatten nicht anders Erlaubniß auszugehen, als zur Au- dienz. Aber auch uns zu besuchen, hatte niemand die Freyheit als die, welche sie von der Regierung ausdrück- lich erhalten hatten. Anfänglich machten uns nur vorneh- me Herren und Gelehrte die Visite; hernach fanden sich auch Kaufleute und andre ein. Die allerersten waren fünf Aerzte und zwey Astronomen, die nach empfangner Erlaubniß vom Reichsrathe, auf eine sehr feyerliche Weise kamen, um ihre Freude über unsre Ankunft zu be- zeugen. Der Ambassadeur, ich und der Secretair, nebst unsern Dolmetschern und den übrigen Japanischen Ober- Bedienten von unsrer Gesellschaft, nahmen sie in unserm Saale an, und unterredeten uns mit ihnen verschied- ne Stunden lang. So bald die Complimente und das gewöhnliche allgemeine Gespräch vorbey waren, wandten alle sich mit ihren Fragen fast ganz allein an mich. Sie hielten mich für bewandert in den Wissenschaften, worin sie über manche Materien Erläuterung wünschten. Die beyden Sternkundigen hießen Sakaki Bonsin und Su- bokawa Sulo, und waren ernsthafte, etwas bejahrte Männer. Ihre Erkundigungen betrafen meist die Ver- finsterungen, welche sie, wie ich merkte, nicht auf Mi- nuten, oft nicht einmahl auf Stunden ausrechnen konn-
Dritte Abtheilung.
Dritte Abtheilung. Aufenthalt in der Hauptſtadt Jedo.
Gleich anfangs nach unſrer Ankunft zu Jedo bekamen wir taͤglich Beſuch von vielen Japanern. Wir ſelbſt hatten nicht anders Erlaubniß auszugehen, als zur Au- dienz. Aber auch uns zu beſuchen, hatte niemand die Freyheit als die, welche ſie von der Regierung ausdruͤck- lich erhalten hatten. Anfaͤnglich machten uns nur vorneh- me Herren und Gelehrte die Viſite; hernach fanden ſich auch Kaufleute und andre ein. Die allererſten waren fuͤnf Aerzte und zwey Aſtronomen, die nach empfangner Erlaubniß vom Reichsrathe, auf eine ſehr feyerliche Weiſe kamen, um ihre Freude uͤber unſre Ankunft zu be- zeugen. Der Ambaſſadeur, ich und der Secretair, nebſt unſern Dolmetſchern und den uͤbrigen Japaniſchen Ober- Bedienten von unſrer Geſellſchaft, nahmen ſie in unſerm Saale an, und unterredeten uns mit ihnen verſchied- ne Stunden lang. So bald die Complimente und das gewoͤhnliche allgemeine Geſpraͤch vorbey waren, wandten alle ſich mit ihren Fragen faſt ganz allein an mich. Sie hielten mich fuͤr bewandert in den Wiſſenſchaften, worin ſie uͤber manche Materien Erlaͤuterung wuͤnſchten. Die beyden Sternkundigen hießen Sakaki Bonſin und Su- bokawa Sulo, und waren ernſthafte, etwas bejahrte Maͤnner. Ihre Erkundigungen betrafen meiſt die Ver- finſterungen, welche ſie, wie ich merkte, nicht auf Mi- nuten, oft nicht einmahl auf Stunden ausrechnen konn-
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Dritte Abtheilung.
Dritte Abtheilung.
Aufenthalt in der Hauptſtadt
Jedo.
Gleich anfangs nach unſrer Ankunft zu Jedo bekamen
wir taͤglich Beſuch von vielen Japanern. Wir ſelbſt
hatten nicht anders Erlaubniß auszugehen, als zur Au-
dienz. Aber auch uns zu beſuchen, hatte niemand die
Freyheit als die, welche ſie von der Regierung ausdruͤck-
lich erhalten hatten. Anfaͤnglich machten uns nur vorneh-
me Herren und Gelehrte die Viſite; hernach fanden ſich
auch Kaufleute und andre ein. Die allererſten waren
fuͤnf Aerzte und zwey Aſtronomen, die nach empfangner
Erlaubniß vom Reichsrathe, auf eine ſehr feyerliche
Weiſe kamen, um ihre Freude uͤber unſre Ankunft zu be-
zeugen. Der Ambaſſadeur, ich und der Secretair, nebſt
unſern Dolmetſchern und den uͤbrigen Japaniſchen Ober-
Bedienten von unſrer Geſellſchaft, nahmen ſie in unſerm
Saale an, und unterredeten uns mit ihnen verſchied-
ne Stunden lang. So bald die Complimente und das
gewoͤhnliche allgemeine Geſpraͤch vorbey waren, wandten
alle ſich mit ihren Fragen faſt ganz allein an mich. Sie
hielten mich fuͤr bewandert in den Wiſſenſchaften, worin
ſie uͤber manche Materien Erlaͤuterung wuͤnſchten. Die
beyden Sternkundigen hießen Sakaki Bonſin und Su-
bokawa Sulo, und waren ernſthafte, etwas bejahrte
Maͤnner. Ihre Erkundigungen betrafen meiſt die Ver-
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Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 2. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1794, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen02_1794/138>, abgerufen am 21.11.2024.
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