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Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 2. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1794.

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Aufenthalt in der Hauptstadt Jedo.
noch viel weniger von Fremden, und die zur Kaiserlichen
Familie gehörigen Personen sind oft so unbekannt, daß
sehr wenige Leute im ganzen Reiche den Nahmen des re-
gierenden Kaisers eher, als nach seinem Tode, zu wissen
bekommen. Ich konnte daher gar nicht erwarten, mei-
nen hohen Patienten kennen zu lernen. Anfangs drang
ich zwar darauf, mit dem Kranken selbst zu sprechen,
und ihm die nöthigen Fragen zu thun. Der Gefahr we-
gen, worin derselbe war, wäre mir dies vielleicht auch
geglückt. Allein man hätte doch dabey die Vorsicht beob-
achtet, mich nur im nächsten Zimmer bleiben zu lassen,
und dabey noch die Gardinen vorzuziehen. Ich hätte
ihn also doch weder sehen, noch nach dem Pulse fühlen
können. Da mir also jenes nichts geholfen haben würde,
nahm ich den Ausweg, durch die Dolmetscher und meine
Schüler ganz von fern die Umstände zu erforschen, welche
ich schlechterdings wissen mußte. Darauf konnte ich
denn endlich diensame Mittel verordnen, und der vor-
nehme Patient, der, so viel ich aus allen Umständen
schließen konnte, eine von den Kaiserlichen Prinzessinnen
war, wurde sehr bald wieder hergestellt.

Vor meiner Abreise ersuchten mich meine, in der
Europäischen Praxis nun ziemlich unterwiesenen und ge-
übten Schüler, um ein schriftliches Zeugniß von dem
genoßnen Unterrichte und ihren Progressen. Ich gab
es ihnen, und zwar in Holländischer Sprache. Sie
wurden so erfreuet, und zugleich so stolz darauf, daß ge-
wiß weder ich, noch irgend ein andrer so eben creirter
Doctor, uns auf unsern herrlichen Doctor-Hut und das
gedruckte Diplom mehr zu gut gethan haben. Ich hatte
das Glück gehabt, mir ihre Liebe und Freundschaft in so
hohem Grade zu erwerben, daß sie nicht nur gegen meine
Kenntnisse und das Wohlwollen, womit ich sie unter-

Aufenthalt in der Hauptſtadt Jedo.
noch viel weniger von Fremden, und die zur Kaiſerlichen
Familie gehoͤrigen Perſonen ſind oft ſo unbekannt, daß
ſehr wenige Leute im ganzen Reiche den Nahmen des re-
gierenden Kaiſers eher, als nach ſeinem Tode, zu wiſſen
bekommen. Ich konnte daher gar nicht erwarten, mei-
nen hohen Patienten kennen zu lernen. Anfangs drang
ich zwar darauf, mit dem Kranken ſelbſt zu ſprechen,
und ihm die noͤthigen Fragen zu thun. Der Gefahr we-
gen, worin derſelbe war, waͤre mir dies vielleicht auch
gegluͤckt. Allein man haͤtte doch dabey die Vorſicht beob-
achtet, mich nur im naͤchſten Zimmer bleiben zu laſſen,
und dabey noch die Gardinen vorzuziehen. Ich haͤtte
ihn alſo doch weder ſehen, noch nach dem Pulſe fuͤhlen
koͤnnen. Da mir alſo jenes nichts geholfen haben wuͤrde,
nahm ich den Ausweg, durch die Dolmetſcher und meine
Schuͤler ganz von fern die Umſtaͤnde zu erforſchen, welche
ich ſchlechterdings wiſſen mußte. Darauf konnte ich
denn endlich dienſame Mittel verordnen, und der vor-
nehme Patient, der, ſo viel ich aus allen Umſtaͤnden
ſchließen konnte, eine von den Kaiſerlichen Prinzeſſinnen
war, wurde ſehr bald wieder hergeſtellt.

Vor meiner Abreiſe erſuchten mich meine, in der
Europaͤiſchen Praxis nun ziemlich unterwieſenen und ge-
uͤbten Schuͤler, um ein ſchriftliches Zeugniß von dem
genoßnen Unterrichte und ihren Progreſſen. Ich gab
es ihnen, und zwar in Hollaͤndiſcher Sprache. Sie
wurden ſo erfreuet, und zugleich ſo ſtolz darauf, daß ge-
wiß weder ich, noch irgend ein andrer ſo eben creirter
Doctor, uns auf unſern herrlichen Doctor-Hut und das
gedruckte Diplom mehr zu gut gethan haben. Ich hatte
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[117/0151] Aufenthalt in der Hauptſtadt Jedo. noch viel weniger von Fremden, und die zur Kaiſerlichen Familie gehoͤrigen Perſonen ſind oft ſo unbekannt, daß ſehr wenige Leute im ganzen Reiche den Nahmen des re- gierenden Kaiſers eher, als nach ſeinem Tode, zu wiſſen bekommen. Ich konnte daher gar nicht erwarten, mei- nen hohen Patienten kennen zu lernen. Anfangs drang ich zwar darauf, mit dem Kranken ſelbſt zu ſprechen, und ihm die noͤthigen Fragen zu thun. Der Gefahr we- gen, worin derſelbe war, waͤre mir dies vielleicht auch gegluͤckt. Allein man haͤtte doch dabey die Vorſicht beob- achtet, mich nur im naͤchſten Zimmer bleiben zu laſſen, und dabey noch die Gardinen vorzuziehen. Ich haͤtte ihn alſo doch weder ſehen, noch nach dem Pulſe fuͤhlen koͤnnen. Da mir alſo jenes nichts geholfen haben wuͤrde, nahm ich den Ausweg, durch die Dolmetſcher und meine Schuͤler ganz von fern die Umſtaͤnde zu erforſchen, welche ich ſchlechterdings wiſſen mußte. Darauf konnte ich denn endlich dienſame Mittel verordnen, und der vor- nehme Patient, der, ſo viel ich aus allen Umſtaͤnden ſchließen konnte, eine von den Kaiſerlichen Prinzeſſinnen war, wurde ſehr bald wieder hergeſtellt. Vor meiner Abreiſe erſuchten mich meine, in der Europaͤiſchen Praxis nun ziemlich unterwieſenen und ge- uͤbten Schuͤler, um ein ſchriftliches Zeugniß von dem genoßnen Unterrichte und ihren Progreſſen. Ich gab es ihnen, und zwar in Hollaͤndiſcher Sprache. Sie wurden ſo erfreuet, und zugleich ſo ſtolz darauf, daß ge- wiß weder ich, noch irgend ein andrer ſo eben creirter Doctor, uns auf unſern herrlichen Doctor-Hut und das gedruckte Diplom mehr zu gut gethan haben. Ich hatte das Gluͤck gehabt, mir ihre Liebe und Freundſchaft in ſo hohem Grade zu erwerben, daß ſie nicht nur gegen meine Kenntniſſe und das Wohlwollen, womit ich ſie unter-

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Zitationshilfe: Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 2. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1794, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen02_1794/151>, abgerufen am 22.11.2024.