Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 2. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1794.

Bild:
<< vorherige Seite

Beschaffenheit u. Charakter der Japaner.
gehorchen muß. Die Japaner hassen und verabscheuen
den unmenschlichen Sklavenhandel der Holländer und die
unbillige Behandlung ihrer Sklaven. Die Freyheit und
Rechte nicht nur der Vornehmen, sondern auch der Nie-
dern werden durch die Gesetze geschützt, und die außeror-
dentliche Strenge und unfehlbare Ausübung der Gesetze
hält jeden in den gebührenden Schranken. In Rücksicht
auf Ausländer ist keine Nation in ganz Indien, die so
eifersüchtig über ihre Freyheit wacht, als diese. Auch ist
keine so frey von Beeinträchtigung, Betrügerey, Zwang
und Gewaltthätigkeit andrer Völker. Die in diesem
Betracht genommenen Maaßregeln haben auf den Erd-
boden nicht ihres gleichen. Denn seitdem allen Einwoh-
nern ohne Unterschied bey Lebensstrafe verbothen ist, aus
dem Reiche zu gehen, ist kein Japaner im Stande hinaus
zu kommen. Eben so wenig ist irgend einem Fremden er-
laubt, ins Land herein zu kommen, außer einigen wenigen
Holländern und Chinesern, die, wie die Leser bereits wissen,
gleichsam in einem Civil-Arrest gehalten werden. Die
Vornehmen und Reichen haben eine große und zahlreiche
Bedienung. Sonst hat fast ein jeder jemanden zur Be-
dienung und Aufwartung im Hause, der, wenn der Herr
ausgeht, mitgehen, und Mantel, Schuhe, Regenschirm,
Laterne und dergleichen tragen muß.

An Höflichkeit und Unterthänigkeit haben die Ja-
paner
wenige ihres Gleichen. Gehorsam und Unterwür-
figkeit gegen Aeltern und Obrigkeit werden den Kindern
schon in den ersten Jahren eingeprägt, und die Alten in
jedem Stande gehen ihnen hierin mit dem besten Beyspie-
le stets vor. Daher kommts auch, daß die Kinder hier
selten gescholten oder mit körperlichen Züchtigungen be-
straft werden. Die Geringeren erweisen den Vorneh-
meren und ihren Vorgesetzten tiefe und feyerliche Verbeu-

Beſchaffenheit u. Charakter der Japaner.
gehorchen muß. Die Japaner haſſen und verabſcheuen
den unmenſchlichen Sklavenhandel der Hollaͤnder und die
unbillige Behandlung ihrer Sklaven. Die Freyheit und
Rechte nicht nur der Vornehmen, ſondern auch der Nie-
dern werden durch die Geſetze geſchuͤtzt, und die außeror-
dentliche Strenge und unfehlbare Ausuͤbung der Geſetze
haͤlt jeden in den gebuͤhrenden Schranken. In Ruͤckſicht
auf Auslaͤnder iſt keine Nation in ganz Indien, die ſo
eiferſuͤchtig uͤber ihre Freyheit wacht, als dieſe. Auch iſt
keine ſo frey von Beeintraͤchtigung, Betruͤgerey, Zwang
und Gewaltthaͤtigkeit andrer Voͤlker. Die in dieſem
Betracht genommenen Maaßregeln haben auf den Erd-
boden nicht ihres gleichen. Denn ſeitdem allen Einwoh-
nern ohne Unterſchied bey Lebensſtrafe verbothen iſt, aus
dem Reiche zu gehen, iſt kein Japaner im Stande hinaus
zu kommen. Eben ſo wenig iſt irgend einem Fremden er-
laubt, ins Land herein zu kommen, außer einigen wenigen
Hollaͤndern und Chineſern, die, wie die Leſer bereits wiſſen,
gleichſam in einem Civil-Arreſt gehalten werden. Die
Vornehmen und Reichen haben eine große und zahlreiche
Bedienung. Sonſt hat faſt ein jeder jemanden zur Be-
dienung und Aufwartung im Hauſe, der, wenn der Herr
ausgeht, mitgehen, und Mantel, Schuhe, Regenſchirm,
Laterne und dergleichen tragen muß.

An Hoͤflichkeit und Unterthaͤnigkeit haben die Ja-
paner
wenige ihres Gleichen. Gehorſam und Unterwuͤr-
figkeit gegen Aeltern und Obrigkeit werden den Kindern
ſchon in den erſten Jahren eingepraͤgt, und die Alten in
jedem Stande gehen ihnen hierin mit dem beſten Beyſpie-
le ſtets vor. Daher kommts auch, daß die Kinder hier
ſelten geſcholten oder mit koͤrperlichen Zuͤchtigungen be-
ſtraft werden. Die Geringeren erweiſen den Vorneh-
meren und ihren Vorgeſetzten tiefe und feyerliche Verbeu-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div n="3">
          <p><pb facs="#f0191" n="157"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Be&#x017F;chaffenheit u. Charakter der Japaner.</hi></fw><lb/>
gehorchen muß. Die Japaner ha&#x017F;&#x017F;en und verab&#x017F;cheuen<lb/>
den unmen&#x017F;chlichen Sklavenhandel der Holla&#x0364;nder und die<lb/>
unbillige Behandlung ihrer Sklaven. Die Freyheit und<lb/>
Rechte nicht nur der Vornehmen, &#x017F;ondern auch der Nie-<lb/>
dern werden durch die Ge&#x017F;etze ge&#x017F;chu&#x0364;tzt, und die außeror-<lb/>
dentliche Strenge und unfehlbare Ausu&#x0364;bung der Ge&#x017F;etze<lb/>
ha&#x0364;lt jeden in den gebu&#x0364;hrenden Schranken. In Ru&#x0364;ck&#x017F;icht<lb/>
auf Ausla&#x0364;nder i&#x017F;t keine Nation in ganz <placeName>Indien</placeName>, die &#x017F;o<lb/>
eifer&#x017F;u&#x0364;chtig u&#x0364;ber ihre Freyheit wacht, als die&#x017F;e. Auch i&#x017F;t<lb/>
keine &#x017F;o frey von Beeintra&#x0364;chtigung, Betru&#x0364;gerey, Zwang<lb/>
und Gewalttha&#x0364;tigkeit andrer Vo&#x0364;lker. Die in die&#x017F;em<lb/>
Betracht genommenen Maaßregeln haben auf den Erd-<lb/>
boden nicht ihres gleichen. Denn &#x017F;eitdem allen Einwoh-<lb/>
nern ohne Unter&#x017F;chied bey Lebens&#x017F;trafe verbothen i&#x017F;t, aus<lb/>
dem Reiche zu gehen, i&#x017F;t kein Japaner im Stande hinaus<lb/>
zu kommen. Eben &#x017F;o wenig i&#x017F;t irgend einem Fremden er-<lb/>
laubt, ins Land herein zu kommen, außer einigen wenigen<lb/>
Holla&#x0364;ndern und Chine&#x017F;ern, die, wie die Le&#x017F;er bereits wi&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
gleich&#x017F;am in einem Civil-Arre&#x017F;t gehalten werden. Die<lb/>
Vornehmen und Reichen haben eine große und zahlreiche<lb/>
Bedienung. Son&#x017F;t hat fa&#x017F;t ein jeder jemanden zur Be-<lb/>
dienung und Aufwartung im Hau&#x017F;e, der, wenn der Herr<lb/>
ausgeht, mitgehen, und Mantel, Schuhe, Regen&#x017F;chirm,<lb/>
Laterne und dergleichen tragen muß.</p><lb/>
          <p>An Ho&#x0364;flichkeit und Untertha&#x0364;nigkeit haben die <placeName>Ja-<lb/>
paner</placeName> wenige ihres Gleichen. Gehor&#x017F;am und Unterwu&#x0364;r-<lb/>
figkeit gegen Aeltern und Obrigkeit werden den Kindern<lb/>
&#x017F;chon in den er&#x017F;ten Jahren eingepra&#x0364;gt, und die Alten in<lb/>
jedem Stande gehen ihnen hierin mit dem be&#x017F;ten Bey&#x017F;pie-<lb/>
le &#x017F;tets vor. Daher kommts auch, daß die Kinder hier<lb/>
&#x017F;elten ge&#x017F;cholten oder mit ko&#x0364;rperlichen Zu&#x0364;chtigungen be-<lb/>
&#x017F;traft werden. Die Geringeren erwei&#x017F;en den Vorneh-<lb/>
meren und ihren Vorge&#x017F;etzten tiefe und feyerliche Verbeu-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[157/0191] Beſchaffenheit u. Charakter der Japaner. gehorchen muß. Die Japaner haſſen und verabſcheuen den unmenſchlichen Sklavenhandel der Hollaͤnder und die unbillige Behandlung ihrer Sklaven. Die Freyheit und Rechte nicht nur der Vornehmen, ſondern auch der Nie- dern werden durch die Geſetze geſchuͤtzt, und die außeror- dentliche Strenge und unfehlbare Ausuͤbung der Geſetze haͤlt jeden in den gebuͤhrenden Schranken. In Ruͤckſicht auf Auslaͤnder iſt keine Nation in ganz Indien, die ſo eiferſuͤchtig uͤber ihre Freyheit wacht, als dieſe. Auch iſt keine ſo frey von Beeintraͤchtigung, Betruͤgerey, Zwang und Gewaltthaͤtigkeit andrer Voͤlker. Die in dieſem Betracht genommenen Maaßregeln haben auf den Erd- boden nicht ihres gleichen. Denn ſeitdem allen Einwoh- nern ohne Unterſchied bey Lebensſtrafe verbothen iſt, aus dem Reiche zu gehen, iſt kein Japaner im Stande hinaus zu kommen. Eben ſo wenig iſt irgend einem Fremden er- laubt, ins Land herein zu kommen, außer einigen wenigen Hollaͤndern und Chineſern, die, wie die Leſer bereits wiſſen, gleichſam in einem Civil-Arreſt gehalten werden. Die Vornehmen und Reichen haben eine große und zahlreiche Bedienung. Sonſt hat faſt ein jeder jemanden zur Be- dienung und Aufwartung im Hauſe, der, wenn der Herr ausgeht, mitgehen, und Mantel, Schuhe, Regenſchirm, Laterne und dergleichen tragen muß. An Hoͤflichkeit und Unterthaͤnigkeit haben die Ja- paner wenige ihres Gleichen. Gehorſam und Unterwuͤr- figkeit gegen Aeltern und Obrigkeit werden den Kindern ſchon in den erſten Jahren eingepraͤgt, und die Alten in jedem Stande gehen ihnen hierin mit dem beſten Beyſpie- le ſtets vor. Daher kommts auch, daß die Kinder hier ſelten geſcholten oder mit koͤrperlichen Zuͤchtigungen be- ſtraft werden. Die Geringeren erweiſen den Vorneh- meren und ihren Vorgeſetzten tiefe und feyerliche Verbeu-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen02_1794
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen02_1794/191
Zitationshilfe: Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 2. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1794, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen02_1794/191>, abgerufen am 24.11.2024.