den Göttern, Himmel, Sonne und Mond zu haben, den sich mehrere Asiatische Völker zueignen. Kein Wunder, wenn sie wähnen, etwas mehr als andre Menschen zu seyn, und wenn sie besonders die Europäer sehr geringe achten. Ertrüge ein Japaner auch jede an- dere Beleidigung, so würde er doch Stolz an andern nicht ertragen können. Stolz und Hochmuth waren es, wel- che die Portugiesen aus dem Lande verjagten, und sie sind es auch, welche dem Holländischen Handel hier mit der Zeit vielleicht ein Ende machen werden.
Daß das Japanische Volk nie, auch nicht ein- mahl in den ältesten Zeiten, von irgend einer auswärti- gen Macht besiegt oder unterjocht gewesen ist, weiß man. Aber in ihren Geschichtbüchern lieset man auch von ihrer Tapferkeit und ihrem unbesiegbaren Muth solche Erzäh- lungen, die man weit eher für Fabeln, als für wirkli- che Thatsachen zu halten Ursache hätte, wenn man nicht in späteren Jahrhunderten redende Beweise davon hätte. Als die Tataren zum ersten Mahl, im Jahr 799, mit einem unzählbaren Heere einen Theil von Japan über- schwemmt hatten, und die Japanische Flotte durch einen heftigen Sturm verunglückt und in einer einzigen Nacht ganz ruinirt war, brach am folgenden Tage der Feldherr der Japaner auf, griff die zahllose und muthige Armee der Feinde an, und richtete sie so ganz zu Grunde, daß auch nicht ein Mann am Leben blieb, der hätte zurück gehen und von einer so unerhörten Niederlage die Nach- richt überbringen können. Eben so groß und eben so eh- renvoll war der Sieg der Japaner im Jahr 1281, als sie von den Tataren, die 240,000 Mann stark waren, zum andern Mahl angegriffen wurden. Die Vertreibung der Portugiesen und die zugleich geschehene Ausrottung der christlichen Religion im Anfange des siebzehnten Jahr
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Beſchaffenheit u. Charakter der Japaner.
den Goͤttern, Himmel, Sonne und Mond zu haben, den ſich mehrere Aſiatiſche Voͤlker zueignen. Kein Wunder, wenn ſie waͤhnen, etwas mehr als andre Menſchen zu ſeyn, und wenn ſie beſonders die Europaͤer ſehr geringe achten. Ertruͤge ein Japaner auch jede an- dere Beleidigung, ſo wuͤrde er doch Stolz an andern nicht ertragen koͤnnen. Stolz und Hochmuth waren es, wel- che die Portugieſen aus dem Lande verjagten, und ſie ſind es auch, welche dem Hollaͤndiſchen Handel hier mit der Zeit vielleicht ein Ende machen werden.
Daß das Japaniſche Volk nie, auch nicht ein- mahl in den aͤlteſten Zeiten, von irgend einer auswaͤrti- gen Macht beſiegt oder unterjocht geweſen iſt, weiß man. Aber in ihren Geſchichtbuͤchern lieſet man auch von ihrer Tapferkeit und ihrem unbeſiegbaren Muth ſolche Erzaͤh- lungen, die man weit eher fuͤr Fabeln, als fuͤr wirkli- che Thatſachen zu halten Urſache haͤtte, wenn man nicht in ſpaͤteren Jahrhunderten redende Beweiſe davon haͤtte. Als die Tataren zum erſten Mahl, im Jahr 799, mit einem unzaͤhlbaren Heere einen Theil von Japan uͤber- ſchwemmt hatten, und die Japaniſche Flotte durch einen heftigen Sturm verungluͤckt und in einer einzigen Nacht ganz ruinirt war, brach am folgenden Tage der Feldherr der Japaner auf, griff die zahlloſe und muthige Armee der Feinde an, und richtete ſie ſo ganz zu Grunde, daß auch nicht ein Mann am Leben blieb, der haͤtte zuruͤck gehen und von einer ſo unerhoͤrten Niederlage die Nach- richt uͤberbringen koͤnnen. Eben ſo groß und eben ſo eh- renvoll war der Sieg der Japaner im Jahr 1281, als ſie von den Tataren, die 240,000 Mann ſtark waren, zum andern Mahl angegriffen wurden. Die Vertreibung der Portugieſen und die zugleich geſchehene Ausrottung der chriſtlichen Religion im Anfange des ſiebzehnten Jahr
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Beſchaffenheit u. Charakter der Japaner.
den Goͤttern, Himmel, Sonne und Mond zu haben,
den ſich mehrere Aſiatiſche Voͤlker zueignen. Kein
Wunder, wenn ſie waͤhnen, etwas mehr als andre
Menſchen zu ſeyn, und wenn ſie beſonders die Europaͤer
ſehr geringe achten. Ertruͤge ein Japaner auch jede an-
dere Beleidigung, ſo wuͤrde er doch Stolz an andern nicht
ertragen koͤnnen. Stolz und Hochmuth waren es, wel-
che die Portugieſen aus dem Lande verjagten, und ſie
ſind es auch, welche dem Hollaͤndiſchen Handel hier mit
der Zeit vielleicht ein Ende machen werden.
Daß das Japaniſche Volk nie, auch nicht ein-
mahl in den aͤlteſten Zeiten, von irgend einer auswaͤrti-
gen Macht beſiegt oder unterjocht geweſen iſt, weiß man.
Aber in ihren Geſchichtbuͤchern lieſet man auch von ihrer
Tapferkeit und ihrem unbeſiegbaren Muth ſolche Erzaͤh-
lungen, die man weit eher fuͤr Fabeln, als fuͤr wirkli-
che Thatſachen zu halten Urſache haͤtte, wenn man nicht
in ſpaͤteren Jahrhunderten redende Beweiſe davon haͤtte.
Als die Tataren zum erſten Mahl, im Jahr 799, mit
einem unzaͤhlbaren Heere einen Theil von Japan uͤber-
ſchwemmt hatten, und die Japaniſche Flotte durch einen
heftigen Sturm verungluͤckt und in einer einzigen Nacht
ganz ruinirt war, brach am folgenden Tage der Feldherr
der Japaner auf, griff die zahlloſe und muthige Armee
der Feinde an, und richtete ſie ſo ganz zu Grunde, daß
auch nicht ein Mann am Leben blieb, der haͤtte zuruͤck
gehen und von einer ſo unerhoͤrten Niederlage die Nach-
richt uͤberbringen koͤnnen. Eben ſo groß und eben ſo eh-
renvoll war der Sieg der Japaner im Jahr 1281, als ſie
von den Tataren, die 240,000 Mann ſtark waren, zum
andern Mahl angegriffen wurden. Die Vertreibung der
Portugieſen und die zugleich geſchehene Ausrottung der
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Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 2. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1794, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen02_1794/197>, abgerufen am 24.11.2024.
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