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Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 2. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1794.

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Staatsverfass. Polizey, Gesetze etc. in Japan.

In alten Zeiten hielt er seinen Hof, wo es ihm
beliebte, bald an diesem, bald an jenem Orte. Jetzt
residirt er unabänderlich in der Stadt Miako. Der
Schloßbezirk ist von großem Umfange, und macht für
sich selbst schon eine ansehnliche Stadt aus. Er ist
mit Mauern, Gräben, Bollwerken und Thoren ver-
sehen. In der Mitte steht der Pallast des Dairi, der
mit hohen Thürmen prangt, und worin er mit seinen
Gemahlinnen wohnt. Rund umher sind die
Wohnungen für seinen hohen und niedern Hofstaat,
für seine zahlreiche Dienerschaft, und für die Priester,
welches die Gelehrten an seinem Hofe sind.

Der Kubo hält zu Miako, zum Dienste des Dairi,
einen Statthalter, und, zur Sicherheit seiner geheilig-
ten Person, eine Wache. Beyde sind aber auch dem
Kubo für allen Aufruhr verantwortlich. Ihr Auf-
enthalt ist ebenfalls im Umfange des Schloßbezirkes.

Am Hofe des Dairi werden Wissenschaften und
Gelehrsamkeit getrieben, und man kann ihn wie eine
Akademie, und zwar die einzige im Lande, ansehen.

Der vornehmste Hofbeamte des Dairi, ist der,
welchen die Holländer den Oberrichter nennen. Er ist
gleichsam sein Vicarius, oder eine Art Hofmarschall.
Er besorget in seinem Namen alles an seinem Hofe, und
besonders auch alle kirchliche Angelegenheiten ausserhalb
desselben. Er fertigt auch die Pässe für alle, welche
oben ins Reich, und nach dem Hofe des weltlichen
Kaisers reisen, aus. Indessen wird dieser sehr ange-
sehene Herr nicht vom Dairi selbst, sondern vom Kubo
angesetzt, welcher gewöhnlich einen Mann von Jahren
und Verstand, der schon wichtige und hohe Aemter
bekleidet hat, und Vermögen besitzt, dazu nimmt.
Da aber die Einkünfte dieses Ehrenamtes geringe und sehr

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Staatsverfaſſ. Polizey, Geſetze ꝛc. in Japan.

In alten Zeiten hielt er ſeinen Hof, wo es ihm
beliebte, bald an dieſem, bald an jenem Orte. Jetzt
reſidirt er unabaͤnderlich in der Stadt Miako. Der
Schloßbezirk iſt von großem Umfange, und macht fuͤr
ſich ſelbſt ſchon eine anſehnliche Stadt aus. Er iſt
mit Mauern, Graͤben, Bollwerken und Thoren ver-
ſehen. In der Mitte ſteht der Pallaſt des Dairi, der
mit hohen Thuͤrmen prangt, und worin er mit ſeinen
Gemahlinnen wohnt. Rund umher ſind die
Wohnungen fuͤr ſeinen hohen und niedern Hofſtaat,
fuͤr ſeine zahlreiche Dienerſchaft, und fuͤr die Prieſter,
welches die Gelehrten an ſeinem Hofe ſind.

Der Kubo haͤlt zu Miako, zum Dienſte des Dairi,
einen Statthalter, und, zur Sicherheit ſeiner geheilig-
ten Perſon, eine Wache. Beyde ſind aber auch dem
Kubo fuͤr allen Aufruhr verantwortlich. Ihr Auf-
enthalt iſt ebenfalls im Umfange des Schloßbezirkes.

Am Hofe des Dairi werden Wiſſenſchaften und
Gelehrſamkeit getrieben, und man kann ihn wie eine
Akademie, und zwar die einzige im Lande, anſehen.

Der vornehmſte Hofbeamte des Dairi, iſt der,
welchen die Hollaͤnder den Oberrichter nennen. Er iſt
gleichſam ſein Vicarius, oder eine Art Hofmarſchall.
Er beſorget in ſeinem Namen alles an ſeinem Hofe, und
beſonders auch alle kirchliche Angelegenheiten auſſerhalb
deſſelben. Er fertigt auch die Paͤſſe fuͤr alle, welche
oben ins Reich, und nach dem Hofe des weltlichen
Kaiſers reiſen, aus. Indeſſen wird dieſer ſehr ange-
ſehene Herr nicht vom Dairi ſelbſt, ſondern vom Kubo
angeſetzt, welcher gewoͤhnlich einen Mann von Jahren
und Verſtand, der ſchon wichtige und hohe Aemter
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[9/0297] Staatsverfaſſ. Polizey, Geſetze ꝛc. in Japan. In alten Zeiten hielt er ſeinen Hof, wo es ihm beliebte, bald an dieſem, bald an jenem Orte. Jetzt reſidirt er unabaͤnderlich in der Stadt Miako. Der Schloßbezirk iſt von großem Umfange, und macht fuͤr ſich ſelbſt ſchon eine anſehnliche Stadt aus. Er iſt mit Mauern, Graͤben, Bollwerken und Thoren ver- ſehen. In der Mitte ſteht der Pallaſt des Dairi, der mit hohen Thuͤrmen prangt, und worin er mit ſeinen Gemahlinnen wohnt. Rund umher ſind die Wohnungen fuͤr ſeinen hohen und niedern Hofſtaat, fuͤr ſeine zahlreiche Dienerſchaft, und fuͤr die Prieſter, welches die Gelehrten an ſeinem Hofe ſind. Der Kubo haͤlt zu Miako, zum Dienſte des Dairi, einen Statthalter, und, zur Sicherheit ſeiner geheilig- ten Perſon, eine Wache. Beyde ſind aber auch dem Kubo fuͤr allen Aufruhr verantwortlich. Ihr Auf- enthalt iſt ebenfalls im Umfange des Schloßbezirkes. Am Hofe des Dairi werden Wiſſenſchaften und Gelehrſamkeit getrieben, und man kann ihn wie eine Akademie, und zwar die einzige im Lande, anſehen. Der vornehmſte Hofbeamte des Dairi, iſt der, welchen die Hollaͤnder den Oberrichter nennen. Er iſt gleichſam ſein Vicarius, oder eine Art Hofmarſchall. Er beſorget in ſeinem Namen alles an ſeinem Hofe, und beſonders auch alle kirchliche Angelegenheiten auſſerhalb deſſelben. Er fertigt auch die Paͤſſe fuͤr alle, welche oben ins Reich, und nach dem Hofe des weltlichen Kaiſers reiſen, aus. Indeſſen wird dieſer ſehr ange- ſehene Herr nicht vom Dairi ſelbſt, ſondern vom Kubo angeſetzt, welcher gewoͤhnlich einen Mann von Jahren und Verſtand, der ſchon wichtige und hohe Aemter bekleidet hat, und Vermoͤgen beſitzt, dazu nimmt. Da aber die Einkuͤnfte dieſes Ehrenamtes geringe und ſehr A 5

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Zitationshilfe: Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 2. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1794, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen02_1794/297>, abgerufen am 22.11.2024.