sondern das Beyspiel und unsträfliche Betragen der Al- ten leuchtet ihnen auch darin vor.
Die meisten Verbrecher werden mit dem Tode be- straft, nicht wegen Größe oder Geringfügigkeit des Verbrechens, sondern weil man sich unterstanden hat, die geheiligten Gesetze des Reichs zu übertreten, und die Gerechtigkeit zu beleidigen, welche, nächst der Reli- gion, für das Allerheiligste gehalten wird. Geldbuße betrachtet man als mit Gerechtigkeit und Vernunft streitend; der Reiche, glaubt man, würde dabey von aller Stafe frey und dies würde höchst unrecht und un- gereimt seyn. Todtschlag wird mit der Todesstrafe ge- ahndet, und wenn er in einer Stadt oder auf öffentlicher Straße geschehen ist, so wird nicht nur der Mörder, sondern bisweilen auch die Anverwandten und Angehö- rigen, ja die Nachbaren desselben, bestraft, je nachdem sie mehr oder weniger dazu mit beygetragen, oder doch die That zu hindern unterlassen haben. Den Säbel gegen jemand zu ziehen, kostet das Leben. Alle Schleich- händler werden ohne Schonung am Leben gestraft, im- gleichen alle, die Theil daran gehabt haben, sowohl die Verkäufer als Käufer der Waare. Alle Todesur- theile müssen vor der Vollziehung vom Staatsrathe zu Jedo unterschrieben werden, und vor dem Urtheils- spruche muß ein förmliches Verhör vor dem dazu gesetz- ten Richter und mit Abhörung der Zeugen hergehen. Die Missethäter werden gewöhnlich im Gefängnisse selbst, ins Geheim, mit dem Säbel enthauptet, wiewohl auch in einigen Fällen öffentliche Creutzigung oder andre öffent- liche und zwar schmerzliche Todesstrafe üblich ist. Ver- brecher die den Tod nicht verdient haben, werden ent- weder auf Lebenslang mit Gefangenschaft bestraft, oder nach einer entfernten Insel verwiesen, und dabey ihr
Erſte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
ſondern das Beyſpiel und unſtraͤfliche Betragen der Al- ten leuchtet ihnen auch darin vor.
Die meiſten Verbrecher werden mit dem Tode be- ſtraft, nicht wegen Groͤße oder Geringfuͤgigkeit des Verbrechens, ſondern weil man ſich unterſtanden hat, die geheiligten Geſetze des Reichs zu uͤbertreten, und die Gerechtigkeit zu beleidigen, welche, naͤchſt der Reli- gion, fuͤr das Allerheiligſte gehalten wird. Geldbuße betrachtet man als mit Gerechtigkeit und Vernunft ſtreitend; der Reiche, glaubt man, wuͤrde dabey von aller Stafe frey und dies wuͤrde hoͤchſt unrecht und un- gereimt ſeyn. Todtſchlag wird mit der Todesſtrafe ge- ahndet, und wenn er in einer Stadt oder auf oͤffentlicher Straße geſchehen iſt, ſo wird nicht nur der Moͤrder, ſondern bisweilen auch die Anverwandten und Angehoͤ- rigen, ja die Nachbaren deſſelben, beſtraft, je nachdem ſie mehr oder weniger dazu mit beygetragen, oder doch die That zu hindern unterlaſſen haben. Den Saͤbel gegen jemand zu ziehen, koſtet das Leben. Alle Schleich- haͤndler werden ohne Schonung am Leben geſtraft, im- gleichen alle, die Theil daran gehabt haben, ſowohl die Verkaͤufer als Kaͤufer der Waare. Alle Todesur- theile muͤſſen vor der Vollziehung vom Staatsrathe zu Jedo unterſchrieben werden, und vor dem Urtheils- ſpruche muß ein foͤrmliches Verhoͤr vor dem dazu geſetz- ten Richter und mit Abhoͤrung der Zeugen hergehen. Die Miſſethaͤter werden gewoͤhnlich im Gefaͤngniſſe ſelbſt, ins Geheim, mit dem Saͤbel enthauptet, wiewohl auch in einigen Faͤllen oͤffentliche Creutzigung oder andre oͤffent- liche und zwar ſchmerzliche Todesſtrafe uͤblich iſt. Ver- brecher die den Tod nicht verdient haben, werden ent- weder auf Lebenslang mit Gefangenſchaft beſtraft, oder nach einer entfernten Inſel verwieſen, und dabey ihr
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0302"n="14"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Erſte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.</hi></fw><lb/>ſondern das Beyſpiel und unſtraͤfliche Betragen der Al-<lb/>
ten leuchtet ihnen auch darin vor.</p><lb/><p>Die meiſten Verbrecher werden mit dem Tode be-<lb/>ſtraft, nicht wegen Groͤße oder Geringfuͤgigkeit des<lb/>
Verbrechens, ſondern weil man ſich unterſtanden hat,<lb/>
die geheiligten Geſetze des Reichs zu uͤbertreten, und<lb/>
die Gerechtigkeit zu beleidigen, welche, naͤchſt der Reli-<lb/>
gion, fuͤr das Allerheiligſte gehalten wird. Geldbuße<lb/>
betrachtet man als mit Gerechtigkeit und Vernunft<lb/>ſtreitend; der Reiche, glaubt man, wuͤrde dabey von<lb/>
aller Stafe frey und dies wuͤrde hoͤchſt unrecht und un-<lb/>
gereimt ſeyn. Todtſchlag wird mit der Todesſtrafe ge-<lb/>
ahndet, und wenn er in einer Stadt oder auf oͤffentlicher<lb/>
Straße geſchehen iſt, ſo wird nicht nur der Moͤrder,<lb/>ſondern bisweilen auch die Anverwandten und Angehoͤ-<lb/>
rigen, ja die Nachbaren deſſelben, beſtraft, je nachdem ſie<lb/>
mehr oder weniger dazu mit beygetragen, oder doch die<lb/>
That zu hindern unterlaſſen haben. Den Saͤbel gegen<lb/>
jemand zu ziehen, koſtet das Leben. Alle Schleich-<lb/>
haͤndler werden ohne Schonung am Leben geſtraft, im-<lb/>
gleichen alle, die Theil daran gehabt haben, ſowohl<lb/>
die Verkaͤufer als Kaͤufer der Waare. Alle Todesur-<lb/>
theile muͤſſen vor der Vollziehung vom Staatsrathe zu<lb/><placeName>Jedo</placeName> unterſchrieben werden, und vor dem Urtheils-<lb/>ſpruche muß ein foͤrmliches Verhoͤr vor dem dazu geſetz-<lb/>
ten Richter und mit Abhoͤrung der Zeugen hergehen. Die<lb/>
Miſſethaͤter werden gewoͤhnlich im Gefaͤngniſſe ſelbſt, ins<lb/>
Geheim, mit dem Saͤbel enthauptet, wiewohl auch in<lb/>
einigen Faͤllen oͤffentliche Creutzigung oder andre oͤffent-<lb/>
liche und zwar ſchmerzliche Todesſtrafe uͤblich iſt. Ver-<lb/>
brecher die den Tod nicht verdient haben, werden ent-<lb/>
weder auf Lebenslang mit Gefangenſchaft beſtraft, oder<lb/>
nach einer entfernten Inſel verwieſen, und dabey ihr<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[14/0302]
Erſte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
ſondern das Beyſpiel und unſtraͤfliche Betragen der Al-
ten leuchtet ihnen auch darin vor.
Die meiſten Verbrecher werden mit dem Tode be-
ſtraft, nicht wegen Groͤße oder Geringfuͤgigkeit des
Verbrechens, ſondern weil man ſich unterſtanden hat,
die geheiligten Geſetze des Reichs zu uͤbertreten, und
die Gerechtigkeit zu beleidigen, welche, naͤchſt der Reli-
gion, fuͤr das Allerheiligſte gehalten wird. Geldbuße
betrachtet man als mit Gerechtigkeit und Vernunft
ſtreitend; der Reiche, glaubt man, wuͤrde dabey von
aller Stafe frey und dies wuͤrde hoͤchſt unrecht und un-
gereimt ſeyn. Todtſchlag wird mit der Todesſtrafe ge-
ahndet, und wenn er in einer Stadt oder auf oͤffentlicher
Straße geſchehen iſt, ſo wird nicht nur der Moͤrder,
ſondern bisweilen auch die Anverwandten und Angehoͤ-
rigen, ja die Nachbaren deſſelben, beſtraft, je nachdem ſie
mehr oder weniger dazu mit beygetragen, oder doch die
That zu hindern unterlaſſen haben. Den Saͤbel gegen
jemand zu ziehen, koſtet das Leben. Alle Schleich-
haͤndler werden ohne Schonung am Leben geſtraft, im-
gleichen alle, die Theil daran gehabt haben, ſowohl
die Verkaͤufer als Kaͤufer der Waare. Alle Todesur-
theile muͤſſen vor der Vollziehung vom Staatsrathe zu
Jedo unterſchrieben werden, und vor dem Urtheils-
ſpruche muß ein foͤrmliches Verhoͤr vor dem dazu geſetz-
ten Richter und mit Abhoͤrung der Zeugen hergehen. Die
Miſſethaͤter werden gewoͤhnlich im Gefaͤngniſſe ſelbſt, ins
Geheim, mit dem Saͤbel enthauptet, wiewohl auch in
einigen Faͤllen oͤffentliche Creutzigung oder andre oͤffent-
liche und zwar ſchmerzliche Todesſtrafe uͤblich iſt. Ver-
brecher die den Tod nicht verdient haben, werden ent-
weder auf Lebenslang mit Gefangenſchaft beſtraft, oder
nach einer entfernten Inſel verwieſen, und dabey ihr
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 2. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1794, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen02_1794/302>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.