Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 2. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1794.Staatsverfass. Polizey, Gesetze etc. in Japan. ganzes Vermögen confiscirt. In den Städten werdenoft die Bewohner einer ganzen Straße um eines einzi- gen Verbrechers willen gestraft; der Herr wegen der Vergehung seines Knechts, die Aeltern wegen dessen, was die Kinder begangen haben, und zwar nach Ver- hältniß ihres Antheils an dem Vergehen. In dem durch Philosophie und lautere Religion aufgeklärten Europa wird der, welcher jemand verführt oder zum Bösen verleitet, selten; Aeltern und Anverwandten hingegen, welche die Erziehung ihrer Kinder und An- gehörigen versäumten oder vernachlässigten, nie be- straft: dagegen finden diese sogenannten Heiden der- gleichen Bestrafung nicht unbillig. Gefängnisse sind zwar hier zu Lande, wie ander- Da die Strafen in diesem Lande ungewöhnlich Staatsverfaſſ. Polizey, Geſetze ꝛc. in Japan. ganzes Vermoͤgen confiſcirt. In den Staͤdten werdenoft die Bewohner einer ganzen Straße um eines einzi- gen Verbrechers willen geſtraft; der Herr wegen der Vergehung ſeines Knechts, die Aeltern wegen deſſen, was die Kinder begangen haben, und zwar nach Ver- haͤltniß ihres Antheils an dem Vergehen. In dem durch Philoſophie und lautere Religion aufgeklaͤrten Europa wird der, welcher jemand verfuͤhrt oder zum Boͤſen verleitet, ſelten; Aeltern und Anverwandten hingegen, welche die Erziehung ihrer Kinder und An- gehoͤrigen verſaͤumten oder vernachlaͤſſigten, nie be- ſtraft: dagegen finden dieſe ſogenannten Heiden der- gleichen Beſtrafung nicht unbillig. Gefaͤngniſſe ſind zwar hier zu Lande, wie ander- Da die Strafen in dieſem Lande ungewoͤhnlich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0303" n="15"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Staatsverfaſſ. Polizey, Geſetze ꝛc. in <placeName>Japan</placeName>.</hi></fw><lb/> ganzes Vermoͤgen confiſcirt. In den Staͤdten werden<lb/> oft die Bewohner einer ganzen Straße um eines einzi-<lb/> gen Verbrechers willen geſtraft; der Herr wegen der<lb/> Vergehung ſeines Knechts, die Aeltern wegen deſſen,<lb/> was die Kinder begangen haben, und zwar nach Ver-<lb/> haͤltniß ihres Antheils an dem Vergehen. In dem<lb/> durch Philoſophie und lautere Religion aufgeklaͤrten<lb/><placeName>Europa</placeName> wird der, welcher jemand verfuͤhrt oder zum<lb/> Boͤſen verleitet, ſelten; Aeltern und Anverwandten<lb/> hingegen, welche die Erziehung ihrer Kinder und An-<lb/> gehoͤrigen verſaͤumten oder vernachlaͤſſigten, nie be-<lb/> ſtraft: dagegen finden dieſe ſogenannten Heiden der-<lb/> gleichen Beſtrafung nicht unbillig.</p><lb/> <p>Gefaͤngniſſe ſind zwar hier zu Lande, wie ander-<lb/> waͤrts, ſehr unangenehme Aufenthaltsoͤrter, ſie werden<lb/> aber reinlich und geſund gehalten, und beſtehen außer<lb/> den Gemaͤchern fuͤr die Gefangenen, aus einem Zim-<lb/> mer zum peinlichen Verhoͤre, einem Gemache zu den<lb/> Hinrichtungen, Kuͤche, Eßſaale und Badſtube. Vor<lb/> den Staͤdten und Doͤrfern ſieht man bisweilen an der<lb/> linken Seite Kreuze und Pfaͤhle aufgerichtet; dies ſind<lb/> die Richtplaͤtze, wo, in vorigen Zeiten mehr als heuti-<lb/> ges Tages, die Delinquenten aus der Welt geſchaft<lb/> wurden.</p><lb/> <p>Da die Strafen in dieſem Lande ungewoͤhnlich<lb/> hart und, wie ſchon geſagt, die Geſetze unveraͤnderlich<lb/> ſind, ſo kann man mit Wahrheit behaupten, daß hier<lb/> weit weniger Verbrechen und geſetzwidrige Handlungen<lb/> begangen und beſtraft werden, als in andern volkrei-<lb/> chen Laͤndern, wo, außer den vielen Strafen, die jaͤhr-<lb/> lich vollzogen werden, viele Verbrecher und die Geſetze<lb/> uͤbertretende Perſonen, verborgen bleiben, Gelegen-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [15/0303]
Staatsverfaſſ. Polizey, Geſetze ꝛc. in Japan.
ganzes Vermoͤgen confiſcirt. In den Staͤdten werden
oft die Bewohner einer ganzen Straße um eines einzi-
gen Verbrechers willen geſtraft; der Herr wegen der
Vergehung ſeines Knechts, die Aeltern wegen deſſen,
was die Kinder begangen haben, und zwar nach Ver-
haͤltniß ihres Antheils an dem Vergehen. In dem
durch Philoſophie und lautere Religion aufgeklaͤrten
Europa wird der, welcher jemand verfuͤhrt oder zum
Boͤſen verleitet, ſelten; Aeltern und Anverwandten
hingegen, welche die Erziehung ihrer Kinder und An-
gehoͤrigen verſaͤumten oder vernachlaͤſſigten, nie be-
ſtraft: dagegen finden dieſe ſogenannten Heiden der-
gleichen Beſtrafung nicht unbillig.
Gefaͤngniſſe ſind zwar hier zu Lande, wie ander-
waͤrts, ſehr unangenehme Aufenthaltsoͤrter, ſie werden
aber reinlich und geſund gehalten, und beſtehen außer
den Gemaͤchern fuͤr die Gefangenen, aus einem Zim-
mer zum peinlichen Verhoͤre, einem Gemache zu den
Hinrichtungen, Kuͤche, Eßſaale und Badſtube. Vor
den Staͤdten und Doͤrfern ſieht man bisweilen an der
linken Seite Kreuze und Pfaͤhle aufgerichtet; dies ſind
die Richtplaͤtze, wo, in vorigen Zeiten mehr als heuti-
ges Tages, die Delinquenten aus der Welt geſchaft
wurden.
Da die Strafen in dieſem Lande ungewoͤhnlich
hart und, wie ſchon geſagt, die Geſetze unveraͤnderlich
ſind, ſo kann man mit Wahrheit behaupten, daß hier
weit weniger Verbrechen und geſetzwidrige Handlungen
begangen und beſtraft werden, als in andern volkrei-
chen Laͤndern, wo, außer den vielen Strafen, die jaͤhr-
lich vollzogen werden, viele Verbrecher und die Geſetze
uͤbertretende Perſonen, verborgen bleiben, Gelegen-
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