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Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 2. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1794.

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Religion der Japaner, etc.
bekanntlich aus China her, wo Confucius vier hun-
dert Jahr nach Budsdo gebohren wurde. Ihre An-
hänger beten zwar eigentlich keinen Gott an, glauben
auch nur Belohnung des Guten und Bestrafung des
Bösen in dieser Welt, setzen aber doch das höchste Gut
in ein tugendhaftes Leben. Sie glauben, die Welt
gehöre einer allgemeinen Weltseele, ohne sonst einen
Gott zu erkennen; sie haben auch weder Tempel noch
irgend eine Art Gottesverehrung. Ihre Religion be-
steht wie gesagt, hauptsächlich darin, tugendhaft zu leben,
gegen jedermann recht zu handeln, und aufrichtigen
Herzens zu seyn. Zugleich schreibt ihre Sittenlehre
viele und vortrefliche Regeln zur Regierung des Staats
und zu einem wohlanständigen und artigen Betragen
vor. Sie verbrennen ihre Todten nicht, sondern
legen sie, wie man in Europa thut, in einen Sarg,
und begraben sie in die Erde. Den Selbstmord hal-
ten sie nicht nur für erlaubt, sondern rühmen ihn auch
als einen Beweis von Heldenmuth.

Das Christenthum wurde in Japan, sogleich
nach der Entdeckung dieses Landes, von den Portugie-
sen eingeführt. Ein junger Japaner, der zu Goa ge-
tauft ward, unterrichtete die Portugiesen von den
Vortheilen, die sie sich in Japan, sowohl in Ansehung
des Handels als der Fortpflanzung der christlichen
Religion, zu Nutze machen könnten. Die Portugiesen
hatten damals völlige Freyheit, allenthalben zu reisen,
zu handeln und zu predigen. Der Handel war sehr ein-
träglich, und das Bekehrungsgeschäft, welches
die Jesuiten seitdem sie im Jahr 1549. zuerst nach
Japan und zwar nach der Provinz Bugo gekommen
waren, im ganzen Lande trieben, gieng so glück-
lich von Statten, daß verschiedne Provinzialfürsten,

Thunbergs Reisen. Zweyt. Band. zweyt. Th. C

Religion der Japaner, ꝛc.
bekanntlich aus China her, wo Confucius vier hun-
dert Jahr nach Budsdo gebohren wurde. Ihre An-
haͤnger beten zwar eigentlich keinen Gott an, glauben
auch nur Belohnung des Guten und Beſtrafung des
Boͤſen in dieſer Welt, ſetzen aber doch das hoͤchſte Gut
in ein tugendhaftes Leben. Sie glauben, die Welt
gehoͤre einer allgemeinen Weltſeele, ohne ſonſt einen
Gott zu erkennen; ſie haben auch weder Tempel noch
irgend eine Art Gottesverehrung. Ihre Religion be-
ſteht wie geſagt, hauptſaͤchlich darin, tugendhaft zu leben,
gegen jedermann recht zu handeln, und aufrichtigen
Herzens zu ſeyn. Zugleich ſchreibt ihre Sittenlehre
viele und vortrefliche Regeln zur Regierung des Staats
und zu einem wohlanſtaͤndigen und artigen Betragen
vor. Sie verbrennen ihre Todten nicht, ſondern
legen ſie, wie man in Europa thut, in einen Sarg,
und begraben ſie in die Erde. Den Selbſtmord hal-
ten ſie nicht nur fuͤr erlaubt, ſondern ruͤhmen ihn auch
als einen Beweis von Heldenmuth.

Das Chriſtenthum wurde in Japan, ſogleich
nach der Entdeckung dieſes Landes, von den Portugie-
ſen eingefuͤhrt. Ein junger Japaner, der zu Goa ge-
tauft ward, unterrichtete die Portugieſen von den
Vortheilen, die ſie ſich in Japan, ſowohl in Anſehung
des Handels als der Fortpflanzung der chriſtlichen
Religion, zu Nutze machen koͤnnten. Die Portugieſen
hatten damals voͤllige Freyheit, allenthalben zu reiſen,
zu handeln und zu predigen. Der Handel war ſehr ein-
traͤglich, und das Bekehrungsgeſchaͤft, welches
die Jeſuiten ſeitdem ſie im Jahr 1549. zuerſt nach
Japan und zwar nach der Provinz Bugo gekommen
waren, im ganzen Lande trieben, gieng ſo gluͤck-
lich von Statten, daß verſchiedne Provinzialfuͤrſten,

Thunbergs Reiſen. Zweyt. Band. zweyt. Th. C
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[33/0321] Religion der Japaner, ꝛc. bekanntlich aus China her, wo Confucius vier hun- dert Jahr nach Budsdo gebohren wurde. Ihre An- haͤnger beten zwar eigentlich keinen Gott an, glauben auch nur Belohnung des Guten und Beſtrafung des Boͤſen in dieſer Welt, ſetzen aber doch das hoͤchſte Gut in ein tugendhaftes Leben. Sie glauben, die Welt gehoͤre einer allgemeinen Weltſeele, ohne ſonſt einen Gott zu erkennen; ſie haben auch weder Tempel noch irgend eine Art Gottesverehrung. Ihre Religion be- ſteht wie geſagt, hauptſaͤchlich darin, tugendhaft zu leben, gegen jedermann recht zu handeln, und aufrichtigen Herzens zu ſeyn. Zugleich ſchreibt ihre Sittenlehre viele und vortrefliche Regeln zur Regierung des Staats und zu einem wohlanſtaͤndigen und artigen Betragen vor. Sie verbrennen ihre Todten nicht, ſondern legen ſie, wie man in Europa thut, in einen Sarg, und begraben ſie in die Erde. Den Selbſtmord hal- ten ſie nicht nur fuͤr erlaubt, ſondern ruͤhmen ihn auch als einen Beweis von Heldenmuth. Das Chriſtenthum wurde in Japan, ſogleich nach der Entdeckung dieſes Landes, von den Portugie- ſen eingefuͤhrt. Ein junger Japaner, der zu Goa ge- tauft ward, unterrichtete die Portugieſen von den Vortheilen, die ſie ſich in Japan, ſowohl in Anſehung des Handels als der Fortpflanzung der chriſtlichen Religion, zu Nutze machen koͤnnten. Die Portugieſen hatten damals voͤllige Freyheit, allenthalben zu reiſen, zu handeln und zu predigen. Der Handel war ſehr ein- traͤglich, und das Bekehrungsgeſchaͤft, welches die Jeſuiten ſeitdem ſie im Jahr 1549. zuerſt nach Japan und zwar nach der Provinz Bugo gekommen waren, im ganzen Lande trieben, gieng ſo gluͤck- lich von Statten, daß verſchiedne Provinzialfuͤrſten, Thunbergs Reiſen. Zweyt. Band. zweyt. Th. C

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Zitationshilfe: Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 2. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1794, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen02_1794/321>, abgerufen am 24.11.2024.