lich die gemeine (Phaseolus vulgaris) und die gestrahlte (radiatus) traf ich bey den Bauern als allgemeine Gar- tengewächse an, welche sie nicht nur nach der Stadt, sondern auch nach der Holländischen Factorey zu Kauf brachten.
Das Leben, welches die Holländer auf ihrer Insel führen, ist höchst einsam, langweilig und eingeschränkt; nicht viel besser als bürgerlicher Arrest. Man denke sich vierzehn Europäer mit einigen Sklaven und Japanern, in den Bezirk der kleinen Insel eingeschlossen und nicht nur von der ganzen Christenheit, sondern vielmehr von der ganzen übrigen Welt abgesondert! Ist nicht der Euro- päer, welcher hier zurück bleibt, und ein Jahr aushalten muß, wie in einem Winkel der Erde begraben? Man erfährt hier weder Neues noch Altes, weder Gutes noch Böses; man bekommt weder Zeitungen noch Briefe. Die Seele kann nur eine ihrer Hauptkräfte gebrauchen: den Verstand; der Wille ist ganz unthätig; denn für den Europäer giebt es keinen andern Willen, als den Willen der Japaner, der in allen Stücken pünktlich be- folgt werden muß.
Uebrigens ist die Lebensart der Europäer hier mei- stentheils dieselbe, als an andern Orten in Ostindien, üp- pig und unordentlich. Auch macht man hier, eben so als zu Batavia, jeden Abend Besuche, am öftersten beym Chef. Vorher pflegt man ein- oder zweymahl, die beyden Straßen auf und nieder, auf der Insel umher zu spatzieren. Die Abendbesuche währen von sechs bis eilf oder zwölf Uhr in der Nacht, und geben einen erbärm- lichen Zeitvertreib; nur wer in die Tobakspfeife sein größ- tes Vergnügen setzt, befindet sich wohl dabey.
Zur Bedienung ihrer Person gebrauchen die Hol- länder ihre mitgebrachten Sklaven. Zu allen andern
Erſte Abtheilung.
lich die gemeine (Phaſeolus vulgaris) und die geſtrahlte (radiatus) traf ich bey den Bauern als allgemeine Gar- tengewaͤchſe an, welche ſie nicht nur nach der Stadt, ſondern auch nach der Hollaͤndiſchen Factorey zu Kauf brachten.
Das Leben, welches die Hollaͤnder auf ihrer Inſel fuͤhren, iſt hoͤchſt einſam, langweilig und eingeſchraͤnkt; nicht viel beſſer als buͤrgerlicher Arreſt. Man denke ſich vierzehn Europaͤer mit einigen Sklaven und Japanern, in den Bezirk der kleinen Inſel eingeſchloſſen und nicht nur von der ganzen Chriſtenheit, ſondern vielmehr von der ganzen uͤbrigen Welt abgeſondert! Iſt nicht der Euro- paͤer, welcher hier zuruͤck bleibt, und ein Jahr aushalten muß, wie in einem Winkel der Erde begraben? Man erfaͤhrt hier weder Neues noch Altes, weder Gutes noch Boͤſes; man bekommt weder Zeitungen noch Briefe. Die Seele kann nur eine ihrer Hauptkraͤfte gebrauchen: den Verſtand; der Wille iſt ganz unthaͤtig; denn fuͤr den Europaͤer giebt es keinen andern Willen, als den Willen der Japaner, der in allen Stuͤcken puͤnktlich be- folgt werden muß.
Uebrigens iſt die Lebensart der Europaͤer hier mei- ſtentheils dieſelbe, als an andern Orten in Oſtindien, uͤp- pig und unordentlich. Auch macht man hier, eben ſo als zu Batavia, jeden Abend Beſuche, am oͤfterſten beym Chef. Vorher pflegt man ein- oder zweymahl, die beyden Straßen auf und nieder, auf der Inſel umher zu ſpatzieren. Die Abendbeſuche waͤhren von ſechs bis eilf oder zwoͤlf Uhr in der Nacht, und geben einen erbaͤrm- lichen Zeitvertreib; nur wer in die Tobakspfeife ſein groͤß- tes Vergnuͤgen ſetzt, befindet ſich wohl dabey.
Zur Bedienung ihrer Perſon gebrauchen die Hol- laͤnder ihre mitgebrachten Sklaven. Zu allen andern
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Erſte Abtheilung.
lich die gemeine (Phaſeolus vulgaris) und die geſtrahlte
(radiatus) traf ich bey den Bauern als allgemeine Gar-
tengewaͤchſe an, welche ſie nicht nur nach der Stadt,
ſondern auch nach der Hollaͤndiſchen Factorey zu Kauf
brachten.
Das Leben, welches die Hollaͤnder auf ihrer Inſel
fuͤhren, iſt hoͤchſt einſam, langweilig und eingeſchraͤnkt;
nicht viel beſſer als buͤrgerlicher Arreſt. Man denke ſich
vierzehn Europaͤer mit einigen Sklaven und Japanern, in
den Bezirk der kleinen Inſel eingeſchloſſen und nicht nur
von der ganzen Chriſtenheit, ſondern vielmehr von der
ganzen uͤbrigen Welt abgeſondert! Iſt nicht der Euro-
paͤer, welcher hier zuruͤck bleibt, und ein Jahr aushalten
muß, wie in einem Winkel der Erde begraben? Man
erfaͤhrt hier weder Neues noch Altes, weder Gutes noch
Boͤſes; man bekommt weder Zeitungen noch Briefe.
Die Seele kann nur eine ihrer Hauptkraͤfte gebrauchen:
den Verſtand; der Wille iſt ganz unthaͤtig; denn fuͤr
den Europaͤer giebt es keinen andern Willen, als den
Willen der Japaner, der in allen Stuͤcken puͤnktlich be-
folgt werden muß.
Uebrigens iſt die Lebensart der Europaͤer hier mei-
ſtentheils dieſelbe, als an andern Orten in Oſtindien, uͤp-
pig und unordentlich. Auch macht man hier, eben ſo
als zu Batavia, jeden Abend Beſuche, am oͤfterſten
beym Chef. Vorher pflegt man ein- oder zweymahl, die
beyden Straßen auf und nieder, auf der Inſel umher
zu ſpatzieren. Die Abendbeſuche waͤhren von ſechs bis
eilf oder zwoͤlf Uhr in der Nacht, und geben einen erbaͤrm-
lichen Zeitvertreib; nur wer in die Tobakspfeife ſein groͤß-
tes Vergnuͤgen ſetzt, befindet ſich wohl dabey.
Zur Bedienung ihrer Perſon gebrauchen die Hol-
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Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 2. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1794, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen02_1794/78>, abgerufen am 24.11.2024.
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