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Tieck, Ludwig: Die Gemälde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–123. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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da er hier am liebsten wohnte, seiner Gesundheit wegen; der Morgenwind von hier schadete ihm und erregte ihm Gichtschmerzen. Konnte er doch in den andern Zimmern die grüne Aussicht genießen.

Wäre nur der alte Walther kein Narr, fuhr Eulenböck fort, so wäre dir leicht geholfen. Er könnte dir das Mädchen geben, die ja doch versorgt werden muß, und Alles wäre wieder in Ordnung!

Schweig! rief Eduard mit der größten Heftigkeit aus; nur heute laß mich vergessen, was ich hoffte und träumte. Ich mag nicht mehr an sie denken, seit ich zu meinem Entsetzen fühlte, daß ich sie liebe. Ich will es mir nicht wiederholen, wie albern und thöricht ich mich gegen den Vater betrug; Nichts soll mir heut einfallen, auch ihre unbegreifliche Aufführung nicht. Nein, es gab ein herrliches Glück für mich, ich habe es zu spät erkannt; das ist die Strafe meines Leichtsinns, daß ich auf ewig darauf verzichten muß! Wie ich aber ohne sie leben soll, muß ich erst von der Zukunft lernen.

Indem trat der junge Mensch herein, der bis jetzt Eduard's Bibliothekar vorgestellt hatte. Hier ist der Katalog, welchen Sie befohlen hatten, sagte er, indem er dem beschämten Jünglinge einige Blätter überreichte. Wie? rief dieser aus, nicht mehr als nur etwa sechshundert Bände sind noch von der schönen Sammlung übrig? Und unter diesen nur die gewöhnlichsten Werke? Der Bibliothekar zuckte mit den Achseln. Da Sie mir gleich vom Anbeginn, erwiderte er, meinen Gehalt in

da er hier am liebsten wohnte, seiner Gesundheit wegen; der Morgenwind von hier schadete ihm und erregte ihm Gichtschmerzen. Konnte er doch in den andern Zimmern die grüne Aussicht genießen.

Wäre nur der alte Walther kein Narr, fuhr Eulenböck fort, so wäre dir leicht geholfen. Er könnte dir das Mädchen geben, die ja doch versorgt werden muß, und Alles wäre wieder in Ordnung!

Schweig! rief Eduard mit der größten Heftigkeit aus; nur heute laß mich vergessen, was ich hoffte und träumte. Ich mag nicht mehr an sie denken, seit ich zu meinem Entsetzen fühlte, daß ich sie liebe. Ich will es mir nicht wiederholen, wie albern und thöricht ich mich gegen den Vater betrug; Nichts soll mir heut einfallen, auch ihre unbegreifliche Aufführung nicht. Nein, es gab ein herrliches Glück für mich, ich habe es zu spät erkannt; das ist die Strafe meines Leichtsinns, daß ich auf ewig darauf verzichten muß! Wie ich aber ohne sie leben soll, muß ich erst von der Zukunft lernen.

Indem trat der junge Mensch herein, der bis jetzt Eduard's Bibliothekar vorgestellt hatte. Hier ist der Katalog, welchen Sie befohlen hatten, sagte er, indem er dem beschämten Jünglinge einige Blätter überreichte. Wie? rief dieser aus, nicht mehr als nur etwa sechshundert Bände sind noch von der schönen Sammlung übrig? Und unter diesen nur die gewöhnlichsten Werke? Der Bibliothekar zuckte mit den Achseln. Da Sie mir gleich vom Anbeginn, erwiderte er, meinen Gehalt in

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:27:02Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:27:02Z)

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Die Gemälde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–123. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_gemaelde_1910/96>, abgerufen am 19.05.2024.