ein Narr bin, und da ich Dir das in Prosa fast eben so deutlich machen kann, so wollen wir's auch dabei nur bewenden lassen.
Du lachst schon im voraus. Du freust Dich, daß Deine neuliche Prophezeiung so genau ein- getroffen ist; -- aber doch nicht so sehr, als Du nun vielleicht glaubst. Ja, die Einsamkeit, der Mangel an Beschäftigung, o hundert Ursa- chen, nach denen man gar nicht fragen sollte, denn die Erscheinung ist so natürlich, als der Tag wenn die Sonne am Himmel steht, -- alle diese machen es, daß ich itzt nach und nach verliebt werde. -- Ich bemerke es recht gut, und das eben kränkt mich, -- und doch kann ich's nicht ändern. Meine Lustigkeit hat abge- nommen und steht itzt sogar im letzten Viertel; ich fange an so gesetzt zu werden, wie ein Mann, der zum Parlamentsgliede gewählt ist; ich werde so empfindsam, wie ein Mädchen das den ersten Roman mit Verstand liest. -- Wenn man nun alle diese herrlichen Progressen an sich selber bemerkt, sollen einem da nicht die Haare zu Berge stehn? Doch, man muß sich in den Willen des Schicksals ergeben, und ich bin
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ein Narr bin, und da ich Dir das in Proſa faſt eben ſo deutlich machen kann, ſo wollen wir’s auch dabei nur bewenden laſſen.
Du lachſt ſchon im voraus. Du freuſt Dich, daß Deine neuliche Prophezeiung ſo genau ein- getroffen iſt; — aber doch nicht ſo ſehr, als Du nun vielleicht glaubſt. Ja, die Einſamkeit, der Mangel an Beſchaͤftigung, o hundert Urſa- chen, nach denen man gar nicht fragen ſollte, denn die Erſcheinung iſt ſo natuͤrlich, als der Tag wenn die Sonne am Himmel ſteht, — alle dieſe machen es, daß ich itzt nach und nach verliebt werde. — Ich bemerke es recht gut, und das eben kraͤnkt mich, — und doch kann ich’s nicht aͤndern. Meine Luſtigkeit hat abge- nommen und ſteht itzt ſogar im letzten Viertel; ich fange an ſo geſetzt zu werden, wie ein Mann, der zum Parlamentsgliede gewaͤhlt iſt; ich werde ſo empfindſam, wie ein Maͤdchen das den erſten Roman mit Verſtand lieſt. — Wenn man nun alle dieſe herrlichen Progreſſen an ſich ſelber bemerkt, ſollen einem da nicht die Haare zu Berge ſtehn? Doch, man muß ſich in den Willen des Schickſals ergeben, und ich bin
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[131[129]/0139]
ein Narr bin, und da ich Dir das in Proſa faſt
eben ſo deutlich machen kann, ſo wollen wir’s
auch dabei nur bewenden laſſen.
Du lachſt ſchon im voraus. Du freuſt Dich,
daß Deine neuliche Prophezeiung ſo genau ein-
getroffen iſt; — aber doch nicht ſo ſehr, als
Du nun vielleicht glaubſt. Ja, die Einſamkeit,
der Mangel an Beſchaͤftigung, o hundert Urſa-
chen, nach denen man gar nicht fragen ſollte,
denn die Erſcheinung iſt ſo natuͤrlich, als der
Tag wenn die Sonne am Himmel ſteht, — alle
dieſe machen es, daß ich itzt nach und nach
verliebt werde. — Ich bemerke es recht gut,
und das eben kraͤnkt mich, — und doch kann
ich’s nicht aͤndern. Meine Luſtigkeit hat abge-
nommen und ſteht itzt ſogar im letzten Viertel;
ich fange an ſo geſetzt zu werden, wie ein
Mann, der zum Parlamentsgliede gewaͤhlt iſt;
ich werde ſo empfindſam, wie ein Maͤdchen das
den erſten Roman mit Verſtand lieſt. — Wenn
man nun alle dieſe herrlichen Progreſſen an ſich
ſelber bemerkt, ſollen einem da nicht die Haare
zu Berge ſtehn? Doch, man muß ſich in den
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 131[129]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/139>, abgerufen am 24.11.2024.
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