mit dem kältesten Blute ersäufen könnten, weil es gerade Donnerstag ist: -- nein, lieber Mortimer, halt mich meines Geschwätzes ohn- geachtet immer noch für einen Kerl, der seine fünf Sinne, im Ganzen genommen, behalten hat; der zur Noth, wenn ihn die Langeweile plagt, auf die Jagd geht, oder nach der näch- sten Stadt reitet, oder Whist spielt oder Ro- mane liest, oder Dir einen Brief schreibt, wie das zum Beispiele itzt eben der Fall ist; denn freilich bin ich etwas verdrüßlich und übelge- launt.
Ach, lieber Freund, was für herrliche Sa- chen ließen sich nicht über die Allmacht der Liebe sagen, über jenen kleinen Jungen, der mit verbundenen Augen durch die Welt stolpert und mit seinen goldenen Pfeilen alle Leute wie Ha- sen zusammenschießt. -- Ja Freund, hier oder nirgends in meinem Leben ist es angebracht, Dir zu zeigen, daß ich meinen Ovid und Ho- raz mit Nutzen gelesen habe; hier wär' es die schönste Gelegenheit, mich durch ein hoch lyri- sches Gedicht bei Dir in eine Art von Achtung zu setzen. -- Aber, Mortimer, genau betrachtet würde nichts weiter herauskommen, als daß ich
mit dem kaͤlteſten Blute erſaͤufen koͤnnten, weil es gerade Donnerſtag iſt: — nein, lieber Mortimer, halt mich meines Geſchwaͤtzes ohn- geachtet immer noch fuͤr einen Kerl, der ſeine fuͤnf Sinne, im Ganzen genommen, behalten hat; der zur Noth, wenn ihn die Langeweile plagt, auf die Jagd geht, oder nach der naͤch- ſten Stadt reitet, oder Whiſt ſpielt oder Ro- mane lieſt, oder Dir einen Brief ſchreibt, wie das zum Beiſpiele itzt eben der Fall iſt; denn freilich bin ich etwas verdruͤßlich und uͤbelge- launt.
Ach, lieber Freund, was fuͤr herrliche Sa- chen ließen ſich nicht uͤber die Allmacht der Liebe ſagen, uͤber jenen kleinen Jungen, der mit verbundenen Augen durch die Welt ſtolpert und mit ſeinen goldenen Pfeilen alle Leute wie Ha- ſen zuſammenſchießt. — Ja Freund, hier oder nirgends in meinem Leben iſt es angebracht, Dir zu zeigen, daß ich meinen Ovid und Ho- raz mit Nutzen geleſen habe; hier waͤr’ es die ſchoͤnſte Gelegenheit, mich durch ein hoch lyri- ſches Gedicht bei Dir in eine Art von Achtung zu ſetzen. — Aber, Mortimer, genau betrachtet wuͤrde nichts weiter herauskommen, als daß ich
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[130[128]/0138]
mit dem kaͤlteſten Blute erſaͤufen koͤnnten, weil
es gerade Donnerſtag iſt: — nein, lieber
Mortimer, halt mich meines Geſchwaͤtzes ohn-
geachtet immer noch fuͤr einen Kerl, der ſeine
fuͤnf Sinne, im Ganzen genommen, behalten
hat; der zur Noth, wenn ihn die Langeweile
plagt, auf die Jagd geht, oder nach der naͤch-
ſten Stadt reitet, oder Whiſt ſpielt oder Ro-
mane lieſt, oder Dir einen Brief ſchreibt, wie
das zum Beiſpiele itzt eben der Fall iſt; denn
freilich bin ich etwas verdruͤßlich und uͤbelge-
launt.
Ach, lieber Freund, was fuͤr herrliche Sa-
chen ließen ſich nicht uͤber die Allmacht der
Liebe ſagen, uͤber jenen kleinen Jungen, der mit
verbundenen Augen durch die Welt ſtolpert und
mit ſeinen goldenen Pfeilen alle Leute wie Ha-
ſen zuſammenſchießt. — Ja Freund, hier oder
nirgends in meinem Leben iſt es angebracht,
Dir zu zeigen, daß ich meinen Ovid und Ho-
raz mit Nutzen geleſen habe; hier waͤr’ es die
ſchoͤnſte Gelegenheit, mich durch ein hoch lyri-
ſches Gedicht bei Dir in eine Art von Achtung
zu ſetzen. — Aber, Mortimer, genau betrachtet
wuͤrde nichts weiter herauskommen, als daß ich
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 130[128]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/138>, abgerufen am 21.11.2024.
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