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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795.

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erschienen, ein Herbstwind hat die Blätter von
den Bäumen geschüttelt, die Gegend ist dürr
und öde geworden und er übersieht mit einem
Durchblicke die lichten Stellen des Gartens, wo
einst die versteckten Parthieen den höchsten
Reiz ausmachten. -- Er will ein genußreiche-
res Daseyn suchen, er appellirt an mein Herz
und will sich von mir eine neue, freudenreichere
Existenz erkaufen, -- und soll ich ihn hinter-
gehn? --

Ich war wirklich weichherzig geworden, mei-
ne Schwäche hatte mich so sehr überrascht, daß
ich mir vornahm, (Rosa, ich schäme mich, es
niederzuschreiben,) zu jenen kindischen Gefühlen
und Ideen meiner frühsten Jahre meine Zuflucht
zu nehmen, mir selbst alle meine Erfahrungen
und reiferen Gedanken abzuläugnen und sie Lüg-
ner zu schelten. -- Kurz, ich war auf dem We-
ge, eine vortrefliche Matrone aus der Provinz
zu werden, die ihren Töchtern einen gründlichen
Unterricht im Katechismus giebt oder über eine
Stelle in der Bibel ihre frommen Thränen ver-
gießt; -- o die Schwachheit ist der weiblichen
Natur so eigen, daß wir ohne diese vielleicht
aufhören würden, Weiber zu seyn: -- der eine

erſchienen, ein Herbſtwind hat die Blaͤtter von
den Baͤumen geſchuͤttelt, die Gegend iſt duͤrr
und oͤde geworden und er uͤberſieht mit einem
Durchblicke die lichten Stellen des Gartens, wo
einſt die verſteckten Parthieen den hoͤchſten
Reiz ausmachten. — Er will ein genußreiche-
res Daſeyn ſuchen, er appellirt an mein Herz
und will ſich von mir eine neue, freudenreichere
Exiſtenz erkaufen, — und ſoll ich ihn hinter-
gehn? —

Ich war wirklich weichherzig geworden, mei-
ne Schwaͤche hatte mich ſo ſehr uͤberraſcht, daß
ich mir vornahm, (Roſa, ich ſchaͤme mich, es
niederzuſchreiben,) zu jenen kindiſchen Gefuͤhlen
und Ideen meiner fruͤhſten Jahre meine Zuflucht
zu nehmen, mir ſelbſt alle meine Erfahrungen
und reiferen Gedanken abzulaͤugnen und ſie Luͤg-
ner zu ſchelten. — Kurz, ich war auf dem We-
ge, eine vortrefliche Matrone aus der Provinz
zu werden, die ihren Toͤchtern einen gruͤndlichen
Unterricht im Katechismus giebt oder uͤber eine
Stelle in der Bibel ihre frommen Thraͤnen ver-
gießt; — o die Schwachheit iſt der weiblichen
Natur ſo eigen, daß wir ohne dieſe vielleicht
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[158[156]/0166] erſchienen, ein Herbſtwind hat die Blaͤtter von den Baͤumen geſchuͤttelt, die Gegend iſt duͤrr und oͤde geworden und er uͤberſieht mit einem Durchblicke die lichten Stellen des Gartens, wo einſt die verſteckten Parthieen den hoͤchſten Reiz ausmachten. — Er will ein genußreiche- res Daſeyn ſuchen, er appellirt an mein Herz und will ſich von mir eine neue, freudenreichere Exiſtenz erkaufen, — und ſoll ich ihn hinter- gehn? — Ich war wirklich weichherzig geworden, mei- ne Schwaͤche hatte mich ſo ſehr uͤberraſcht, daß ich mir vornahm, (Roſa, ich ſchaͤme mich, es niederzuſchreiben,) zu jenen kindiſchen Gefuͤhlen und Ideen meiner fruͤhſten Jahre meine Zuflucht zu nehmen, mir ſelbſt alle meine Erfahrungen und reiferen Gedanken abzulaͤugnen und ſie Luͤg- ner zu ſchelten. — Kurz, ich war auf dem We- ge, eine vortrefliche Matrone aus der Provinz zu werden, die ihren Toͤchtern einen gruͤndlichen Unterricht im Katechismus giebt oder uͤber eine Stelle in der Bibel ihre frommen Thraͤnen ver- gießt; — o die Schwachheit iſt der weiblichen Natur ſo eigen, daß wir ohne dieſe vielleicht aufhoͤren wuͤrden, Weiber zu ſeyn: — der eine

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 158[156]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/166>, abgerufen am 24.11.2024.