Balder, ich schreibe Dir noch einmahl, ich darf Dir schreiben, denn Du selber wirst mei- nen Gefühlen Recht geben. O Freund, ich bin aus einer düstern Grabnacht entstanden, ein flammendes Morgenroth zieht am Himmel her- auf und spiegelt mir feurig in's Angesicht. Louise ist mein, ewig mein, sie hat sich mir mit dem heißesten Kusse der Liebe versichert. Ich trotze Deiner Verachtung, der Verachtung einer Welt; unauflöslich mit glänzenden Fesseln an die Liebe gekettet, wagt sich kein kleinliches Gefühl der Sterblichkeit in den Umkreis mei- nes Paradieses; mit einem flammenden Schwerd- te steht mein Schutzgeist an der Gränze und geisselt jede unheilige Empfindung hinweg; der siegjauchzende Gesang der Liebe übertönt im ho- hen Rauschen des Triumphs jeden Klang des irrdischen Getümmels.
Ich fürchte, daß ich Dir Wahnsinn spreche, aber ich muß mein Gefühl mittheilen; sei blo-
23. William Lovell an Balder.
Paris.
Balder, ich ſchreibe Dir noch einmahl, ich darf Dir ſchreiben, denn Du ſelber wirſt mei- nen Gefuͤhlen Recht geben. O Freund, ich bin aus einer duͤſtern Grabnacht entſtanden, ein flammendes Morgenroth zieht am Himmel her- auf und ſpiegelt mir feurig in’s Angeſicht. Louiſe iſt mein, ewig mein, ſie hat ſich mir mit dem heißeſten Kuſſe der Liebe verſichert. Ich trotze Deiner Verachtung, der Verachtung einer Welt; unaufloͤslich mit glaͤnzenden Feſſeln an die Liebe gekettet, wagt ſich kein kleinliches Gefuͤhl der Sterblichkeit in den Umkreis mei- nes Paradieſes; mit einem flammenden Schwerd- te ſteht mein Schutzgeiſt an der Graͤnze und geiſſelt jede unheilige Empfindung hinweg; der ſiegjauchzende Geſang der Liebe uͤbertoͤnt im ho- hen Rauſchen des Triumphs jeden Klang des irrdiſchen Getuͤmmels.
Ich fuͤrchte, daß ich Dir Wahnſinn ſpreche, aber ich muß mein Gefuͤhl mittheilen; ſei blo-
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23.
William Lovell an Balder.
Paris.
Balder, ich ſchreibe Dir noch einmahl, ich
darf Dir ſchreiben, denn Du ſelber wirſt mei-
nen Gefuͤhlen Recht geben. O Freund, ich bin
aus einer duͤſtern Grabnacht entſtanden, ein
flammendes Morgenroth zieht am Himmel her-
auf und ſpiegelt mir feurig in’s Angeſicht.
Louiſe iſt mein, ewig mein, ſie hat ſich mir mit
dem heißeſten Kuſſe der Liebe verſichert. Ich
trotze Deiner Verachtung, der Verachtung einer
Welt; unaufloͤslich mit glaͤnzenden Feſſeln an
die Liebe gekettet, wagt ſich kein kleinliches
Gefuͤhl der Sterblichkeit in den Umkreis mei-
nes Paradieſes; mit einem flammenden Schwerd-
te ſteht mein Schutzgeiſt an der Graͤnze und
geiſſelt jede unheilige Empfindung hinweg; der
ſiegjauchzende Geſang der Liebe uͤbertoͤnt im ho-
hen Rauſchen des Triumphs jeden Klang des
irrdiſchen Getuͤmmels.
Ich fuͤrchte, daß ich Dir Wahnſinn ſpreche,
aber ich muß mein Gefuͤhl mittheilen; ſei blo-
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 168[166]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/176>, abgerufen am 24.11.2024.
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