Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

Gefühlen entgegenkömmt, als ihr der Mann je-
mahls zurückgeben kann. Er ist mir hundert-
mahl, ihr gegenüber eingefallen, daß ich glück-
lich seyn würde, wenn sie diese Anhänglichkeit und
Liebe zu mir herübertragen könnte; ich habe
oft lange und aufmerksam die zarte und geist-
reiche Bildung ihres Gesichtes studiert. -- Die
Physiognomie Deiner Schwester gehört zu den
interessantesten, zu denen, die im flüchtigen Vor-
überstreifen das Auge nicht fesseln, die aber
im Stillen den Blick auf sich locken, unver-
merkt das Herz in Bewegung setzen und ein
bleibendes Bild in der Phantasie zurücklassen.
Ich habe hundertmahl geträumt -- doch, lebe
wohl, wer wird alle seine Träume erzählen?
Ich bin jedesmahl aufgewacht, und wenn ich
auch niemahls Dein Schwager seyn werde, so
sey doch überzeugt, daß ich unaufhörlich bleibe

Dein Freund Mortimer.


Gefuͤhlen entgegenkoͤmmt, als ihr der Mann je-
mahls zuruͤckgeben kann. Er iſt mir hundert-
mahl, ihr gegenuͤber eingefallen, daß ich gluͤck-
lich ſeyn wuͤrde, wenn ſie dieſe Anhaͤnglichkeit und
Liebe zu mir heruͤbertragen koͤnnte; ich habe
oft lange und aufmerkſam die zarte und geiſt-
reiche Bildung ihres Geſichtes ſtudiert. — Die
Phyſiognomie Deiner Schweſter gehoͤrt zu den
intereſſanteſten, zu denen, die im fluͤchtigen Vor-
uͤberſtreifen das Auge nicht feſſeln, die aber
im Stillen den Blick auf ſich locken, unver-
merkt das Herz in Bewegung ſetzen und ein
bleibendes Bild in der Phantaſie zuruͤcklaſſen.
Ich habe hundertmahl getraͤumt — doch, lebe
wohl, wer wird alle ſeine Traͤume erzaͤhlen?
Ich bin jedesmahl aufgewacht, und wenn ich
auch niemahls Dein Schwager ſeyn werde, ſo
ſey doch uͤberzeugt, daß ich unaufhoͤrlich bleibe

Dein Freund Mortimer.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0207" n="199[197]"/>
Gefu&#x0364;hlen entgegenko&#x0364;mmt, als ihr der Mann je-<lb/>
mahls zuru&#x0364;ckgeben kann. Er i&#x017F;t mir hundert-<lb/>
mahl, ihr gegenu&#x0364;ber eingefallen, daß ich glu&#x0364;ck-<lb/>
lich &#x017F;eyn wu&#x0364;rde, wenn &#x017F;ie die&#x017F;e Anha&#x0364;nglichkeit und<lb/>
Liebe zu mir heru&#x0364;bertragen ko&#x0364;nnte; ich habe<lb/>
oft lange und aufmerk&#x017F;am die zarte und gei&#x017F;t-<lb/>
reiche Bildung ihres Ge&#x017F;ichtes &#x017F;tudiert. &#x2014; Die<lb/>
Phy&#x017F;iognomie Deiner Schwe&#x017F;ter geho&#x0364;rt zu den<lb/>
intere&#x017F;&#x017F;ante&#x017F;ten, zu denen, die im flu&#x0364;chtigen Vor-<lb/>
u&#x0364;ber&#x017F;treifen das Auge nicht fe&#x017F;&#x017F;eln, die aber<lb/>
im Stillen den Blick auf &#x017F;ich locken, unver-<lb/>
merkt das Herz in Bewegung &#x017F;etzen und ein<lb/>
bleibendes Bild in der Phanta&#x017F;ie zuru&#x0364;ckla&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Ich habe hundertmahl getra&#x0364;umt &#x2014; doch, lebe<lb/>
wohl, wer wird alle &#x017F;eine Tra&#x0364;ume erza&#x0364;hlen?<lb/>
Ich bin jedesmahl aufgewacht, und wenn ich<lb/>
auch niemahls Dein Schwager &#x017F;eyn werde, &#x017F;o<lb/>
&#x017F;ey doch u&#x0364;berzeugt, daß ich unaufho&#x0364;rlich bleibe</p><lb/>
          <closer>
            <salute> <hi rendition="#et">Dein Freund <hi rendition="#g">Mortimer</hi>.</hi> </salute>
          </closer>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[199[197]/0207] Gefuͤhlen entgegenkoͤmmt, als ihr der Mann je- mahls zuruͤckgeben kann. Er iſt mir hundert- mahl, ihr gegenuͤber eingefallen, daß ich gluͤck- lich ſeyn wuͤrde, wenn ſie dieſe Anhaͤnglichkeit und Liebe zu mir heruͤbertragen koͤnnte; ich habe oft lange und aufmerkſam die zarte und geiſt- reiche Bildung ihres Geſichtes ſtudiert. — Die Phyſiognomie Deiner Schweſter gehoͤrt zu den intereſſanteſten, zu denen, die im fluͤchtigen Vor- uͤberſtreifen das Auge nicht feſſeln, die aber im Stillen den Blick auf ſich locken, unver- merkt das Herz in Bewegung ſetzen und ein bleibendes Bild in der Phantaſie zuruͤcklaſſen. Ich habe hundertmahl getraͤumt — doch, lebe wohl, wer wird alle ſeine Traͤume erzaͤhlen? Ich bin jedesmahl aufgewacht, und wenn ich auch niemahls Dein Schwager ſeyn werde, ſo ſey doch uͤberzeugt, daß ich unaufhoͤrlich bleibe Dein Freund Mortimer.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/207
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 199[197]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/207>, abgerufen am 21.11.2024.