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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795.

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Dann neigen sich alle, und sagen ein demüthi-
ges "Ja," obgleich einige heimlich unter der
Hand lachen, oder nur etwas in den Bart
brummen, was eben so gut "Nein," als "Ja"
heißen kann. -- Sie treten nun in aller De-
muth ab, und der Verstand fängt an in seinem
Großvaterstuhle zu überlegen, was er doch ei-
gentlich für ein herrlicher Mann sey, der alles
so hübsch unter dem Pantoffel halte; er macht
Entwürfe, wie er künftig immer mehr seine
Herrschaft ausbreiten wolle, daß auch am Ende
nicht die kleinste Neigung, der leiseste Wunsch,
ohne seine Einwilligung aus ihren Schlupfwin-
keln hervortreten sollten. Seine großen Plane
wiegen ihn nach und nach in einen süßen Mit-
tagsschlummer, bis ihn ein taubes Gelärme, Ge-
tobe, Gekreische, gar unsanft wieder erweckt? --
"Was ist denn schon wieder vorgefallen?" fährt
er auf. -- "Ach! da hat die verdammte Liebe
"wieder tausend Streiche gemacht, -- da hat
"sich die Eifersucht den Kopf blutig gestoßen
"und in drei andre Köpfe gar Löcher geschla-
"gen, -- da ist der Zorn mit einem durch-
"gegangen, -- ach, es läßt sich nicht erzählen,
"wie viele Unglücksfälle sich indeß ereignet ha-

Dann neigen ſich alle, und ſagen ein demuͤthi-
ges »Ja,» obgleich einige heimlich unter der
Hand lachen, oder nur etwas in den Bart
brummen, was eben ſo gut »Nein,» als »Ja»
heißen kann. — Sie treten nun in aller De-
muth ab, und der Verſtand faͤngt an in ſeinem
Großvaterſtuhle zu uͤberlegen, was er doch ei-
gentlich fuͤr ein herrlicher Mann ſey, der alles
ſo huͤbſch unter dem Pantoffel halte; er macht
Entwuͤrfe, wie er kuͤnftig immer mehr ſeine
Herrſchaft ausbreiten wolle, daß auch am Ende
nicht die kleinſte Neigung, der leiſeſte Wunſch,
ohne ſeine Einwilligung aus ihren Schlupfwin-
keln hervortreten ſollten. Seine großen Plane
wiegen ihn nach und nach in einen ſuͤßen Mit-
tagsſchlummer, bis ihn ein taubes Gelaͤrme, Ge-
tobe, Gekreiſche, gar unſanft wieder erweckt? —
»Was iſt denn ſchon wieder vorgefallen?» faͤhrt
er auf. — »Ach! da hat die verdammte Liebe
»wieder tauſend Streiche gemacht, — da hat
»ſich die Eiferſucht den Kopf blutig geſtoßen
»und in drei andre Koͤpfe gar Loͤcher geſchla-
»gen, — da iſt der Zorn mit einem durch-
»gegangen, — ach, es laͤßt ſich nicht erzaͤhlen,
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[204[202]/0212] Dann neigen ſich alle, und ſagen ein demuͤthi- ges »Ja,» obgleich einige heimlich unter der Hand lachen, oder nur etwas in den Bart brummen, was eben ſo gut »Nein,» als »Ja» heißen kann. — Sie treten nun in aller De- muth ab, und der Verſtand faͤngt an in ſeinem Großvaterſtuhle zu uͤberlegen, was er doch ei- gentlich fuͤr ein herrlicher Mann ſey, der alles ſo huͤbſch unter dem Pantoffel halte; er macht Entwuͤrfe, wie er kuͤnftig immer mehr ſeine Herrſchaft ausbreiten wolle, daß auch am Ende nicht die kleinſte Neigung, der leiſeſte Wunſch, ohne ſeine Einwilligung aus ihren Schlupfwin- keln hervortreten ſollten. Seine großen Plane wiegen ihn nach und nach in einen ſuͤßen Mit- tagsſchlummer, bis ihn ein taubes Gelaͤrme, Ge- tobe, Gekreiſche, gar unſanft wieder erweckt? — »Was iſt denn ſchon wieder vorgefallen?» faͤhrt er auf. — »Ach! da hat die verdammte Liebe »wieder tauſend Streiche gemacht, — da hat »ſich die Eiferſucht den Kopf blutig geſtoßen »und in drei andre Koͤpfe gar Loͤcher geſchla- »gen, — da iſt der Zorn mit einem durch- »gegangen, — ach, es laͤßt ſich nicht erzaͤhlen, »wie viele Ungluͤcksfaͤlle ſich indeß ereignet ha-

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 204[202]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/212>, abgerufen am 21.11.2024.