Als ich in's Thor hineinfuhr, -- o wie mich tausend erhabene Gedanken und Gefühle em- pfingen! -- Und dann die zerlumpten Bettler auf den Straßen, -- die Menge der nichtssa- genden Mönchsgesichter -- o ich hätte weinen mögen, daß von dem Römergeiste nicht mehr übrig ist. -- Wie ist die Menschheit hier ge- sunken!
Wie kann man sich in Rom allen seinen trüben und kränkelnden Empfindungen so über- lassen, wie Balder thut? -- Wie ist es mög- lich, daß nicht ein verzehrend Feuer durch alle Adern brennt und den Lebensgeistern zehnfache Kraft giebt? Rosa ist ein vortreflicher Mensch, er ist ein geborner Römer und stolz auf seine Vaterstadt; erst seit wir hier sind, fängt sich an, seine Seele in ihrer ganzen Herrlichkeit zu entwickeln, er ist hier wie neubelebt, ich entdecke in ihm täglich neue Vorzüge und Talente, die ich vorher nicht erwartet hatte. Er scheint mir ganz ein Muster zu seyn, nach dem man sich bilden kann; dieser allesumfangende Geist mit diesem zarten Gefühle und diesem richtigen Ver- stande, verbunden mit einem großen Reichthume von Kenntnissen, -- alles dies kann gewiß nur
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Als ich in’s Thor hineinfuhr, — o wie mich tauſend erhabene Gedanken und Gefuͤhle em- pfingen! — Und dann die zerlumpten Bettler auf den Straßen, — die Menge der nichtsſa- genden Moͤnchsgeſichter — o ich haͤtte weinen moͤgen, daß von dem Roͤmergeiſte nicht mehr uͤbrig iſt. — Wie iſt die Menſchheit hier ge- ſunken!
Wie kann man ſich in Rom allen ſeinen truͤben und kraͤnkelnden Empfindungen ſo uͤber- laſſen, wie Balder thut? — Wie iſt es moͤg- lich, daß nicht ein verzehrend Feuer durch alle Adern brennt und den Lebensgeiſtern zehnfache Kraft giebt? Roſa iſt ein vortreflicher Menſch, er iſt ein geborner Roͤmer und ſtolz auf ſeine Vaterſtadt; erſt ſeit wir hier ſind, faͤngt ſich an, ſeine Seele in ihrer ganzen Herrlichkeit zu entwickeln, er iſt hier wie neubelebt, ich entdecke in ihm taͤglich neue Vorzuͤge und Talente, die ich vorher nicht erwartet hatte. Er ſcheint mir ganz ein Muſter zu ſeyn, nach dem man ſich bilden kann; dieſer allesumfangende Geiſt mit dieſem zarten Gefuͤhle und dieſem richtigen Ver- ſtande, verbunden mit einem großen Reichthume von Kenntniſſen, — alles dies kann gewiß nur
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Als ich in’s Thor hineinfuhr, — o wie mich
tauſend erhabene Gedanken und Gefuͤhle em-
pfingen! — Und dann die zerlumpten Bettler
auf den Straßen, — die Menge der nichtsſa-
genden Moͤnchsgeſichter — o ich haͤtte weinen
moͤgen, daß von dem Roͤmergeiſte nicht mehr
uͤbrig iſt. — Wie iſt die Menſchheit hier ge-
ſunken!
Wie kann man ſich in Rom allen ſeinen
truͤben und kraͤnkelnden Empfindungen ſo uͤber-
laſſen, wie Balder thut? — Wie iſt es moͤg-
lich, daß nicht ein verzehrend Feuer durch alle
Adern brennt und den Lebensgeiſtern zehnfache
Kraft giebt? Roſa iſt ein vortreflicher Menſch,
er iſt ein geborner Roͤmer und ſtolz auf ſeine
Vaterſtadt; erſt ſeit wir hier ſind, faͤngt ſich
an, ſeine Seele in ihrer ganzen Herrlichkeit zu
entwickeln, er iſt hier wie neubelebt, ich entdecke
in ihm taͤglich neue Vorzuͤge und Talente, die
ich vorher nicht erwartet hatte. Er ſcheint mir
ganz ein Muſter zu ſeyn, nach dem man ſich
bilden kann; dieſer allesumfangende Geiſt mit
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ſtande, verbunden mit einem großen Reichthume
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 243[241]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/251>, abgerufen am 22.11.2024.
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