gelang. Burton ward bald der Vertraute mei- ner Liebe, er wußte um jeden Schritt, den ich in der Bekanntschaft und Zuneigung der Lady Milford weiter that, er war mein Rathgeber und zuweilen auch der Theilnehmer meines Kummers. Ich zögerte noch immer mich dem Vater meiner Geliebten zu entdecken, als ein Oheim meines Freundes, Waterloo, von sei- nen Reisen aus Italien zurückkam. Er war ein Mann von ohngefähr vierzig Jahren, seine Rei- sen hatten seinen Verstand ausgebildet und seine Sitten verfeinert, er war höflich und zuvor- kommend ohne fade, und gegen jedermann freund- schaftlich, ohne abgeschmackt zu seyn; sein Ge- sicht und vorzüglich sein Blick hatten etwas Imponirendes, das anfangs zurückschreckte, bei einer nähern Bekanntschaft sich aber in Liebens- würdigkeit verwandelte, kurz, er schien mir das vollendete Ideal eines Mannes, der mich bald völlig bezauberte. Er interessirte sich vorzüglich für mich und ich übergab mich ihm bald gänz- lich mit einer vollkommen kindlichen Resigna- tion, ich glaubte in ihm einen zweiten Vater gewonnen zu haben, er leitete alle meine Schrit- te, er ward bald der Mitwisser aller meiner
gelang. Burton ward bald der Vertraute mei- ner Liebe, er wußte um jeden Schritt, den ich in der Bekanntſchaft und Zuneigung der Lady Milford weiter that, er war mein Rathgeber und zuweilen auch der Theilnehmer meines Kummers. Ich zoͤgerte noch immer mich dem Vater meiner Geliebten zu entdecken, als ein Oheim meines Freundes, Waterloo, von ſei- nen Reiſen aus Italien zuruͤckkam. Er war ein Mann von ohngefaͤhr vierzig Jahren, ſeine Rei- ſen hatten ſeinen Verſtand ausgebildet und ſeine Sitten verfeinert, er war hoͤflich und zuvor- kommend ohne fade, und gegen jedermann freund- ſchaftlich, ohne abgeſchmackt zu ſeyn; ſein Ge- ſicht und vorzuͤglich ſein Blick hatten etwas Imponirendes, das anfangs zuruͤckſchreckte, bei einer naͤhern Bekanntſchaft ſich aber in Liebens- wuͤrdigkeit verwandelte, kurz, er ſchien mir das vollendete Ideal eines Mannes, der mich bald voͤllig bezauberte. Er intereſſirte ſich vorzuͤglich fuͤr mich und ich uͤbergab mich ihm bald gaͤnz- lich mit einer vollkommen kindlichen Reſigna- tion, ich glaubte in ihm einen zweiten Vater gewonnen zu haben, er leitete alle meine Schrit- te, er ward bald der Mitwiſſer aller meiner
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0258"n="250[248]"/>
gelang. Burton ward bald der Vertraute mei-<lb/>
ner Liebe, er wußte um jeden Schritt, den ich<lb/>
in der Bekanntſchaft und Zuneigung der Lady<lb/>
Milford weiter that, er war mein Rathgeber<lb/>
und zuweilen auch der Theilnehmer meines<lb/>
Kummers. Ich zoͤgerte noch immer mich dem<lb/>
Vater meiner Geliebten zu entdecken, als ein<lb/>
Oheim meines Freundes, <hirendition="#g">Waterloo</hi>, von ſei-<lb/>
nen Reiſen aus Italien zuruͤckkam. Er war ein<lb/>
Mann von ohngefaͤhr vierzig Jahren, ſeine Rei-<lb/>ſen hatten ſeinen Verſtand ausgebildet und ſeine<lb/>
Sitten verfeinert, er war hoͤflich und zuvor-<lb/>
kommend ohne fade, und gegen jedermann freund-<lb/>ſchaftlich, ohne abgeſchmackt zu ſeyn; ſein Ge-<lb/>ſicht und vorzuͤglich ſein Blick hatten etwas<lb/>
Imponirendes, das anfangs zuruͤckſchreckte, bei<lb/>
einer naͤhern Bekanntſchaft ſich aber in Liebens-<lb/>
wuͤrdigkeit verwandelte, kurz, er ſchien mir das<lb/>
vollendete Ideal eines Mannes, der mich bald<lb/>
voͤllig bezauberte. Er intereſſirte ſich vorzuͤglich<lb/>
fuͤr mich und ich uͤbergab mich ihm bald gaͤnz-<lb/>
lich mit einer vollkommen kindlichen Reſigna-<lb/>
tion, ich glaubte in ihm einen zweiten Vater<lb/>
gewonnen zu haben, er leitete alle meine Schrit-<lb/>
te, er ward bald der Mitwiſſer aller meiner<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[250[248]/0258]
gelang. Burton ward bald der Vertraute mei-
ner Liebe, er wußte um jeden Schritt, den ich
in der Bekanntſchaft und Zuneigung der Lady
Milford weiter that, er war mein Rathgeber
und zuweilen auch der Theilnehmer meines
Kummers. Ich zoͤgerte noch immer mich dem
Vater meiner Geliebten zu entdecken, als ein
Oheim meines Freundes, Waterloo, von ſei-
nen Reiſen aus Italien zuruͤckkam. Er war ein
Mann von ohngefaͤhr vierzig Jahren, ſeine Rei-
ſen hatten ſeinen Verſtand ausgebildet und ſeine
Sitten verfeinert, er war hoͤflich und zuvor-
kommend ohne fade, und gegen jedermann freund-
ſchaftlich, ohne abgeſchmackt zu ſeyn; ſein Ge-
ſicht und vorzuͤglich ſein Blick hatten etwas
Imponirendes, das anfangs zuruͤckſchreckte, bei
einer naͤhern Bekanntſchaft ſich aber in Liebens-
wuͤrdigkeit verwandelte, kurz, er ſchien mir das
vollendete Ideal eines Mannes, der mich bald
voͤllig bezauberte. Er intereſſirte ſich vorzuͤglich
fuͤr mich und ich uͤbergab mich ihm bald gaͤnz-
lich mit einer vollkommen kindlichen Reſigna-
tion, ich glaubte in ihm einen zweiten Vater
gewonnen zu haben, er leitete alle meine Schrit-
te, er ward bald der Mitwiſſer aller meiner
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 250[248]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/258>, abgerufen am 01.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.