denen unser schützender Genius umgewechselt wird? -- Eduard, eine dunkle, ungewisse Ahn- dung hat mich befallen, als sei hier, in diesen Momenten eine der Epochen meines Lebens, mir ist, als säh' ich meinen guten Engel weinend von mir Abschied nehmen, der mich nun unbe- wacht dem Spiel des Verhängnisses überläßt, -- als sei ich in eine dunkle Wüste hinausgestoßen, wo ich unter den dämmernden Schatten halb ungewisse feindselige Dämonen entdecke.
Ja Eduard, spotte nicht meiner Schwäche, ich bin in diesen Augenblicken abergläubig wie ein Kind, Nacht und Einsamkeit haben meine Phantasie gespannt, ich blicke wie ein Seher in den tiefen Brunnen der Zukunft hinab, ich neh- me Gestalten wahr, die zu mir emporsteigen, freundliche und ernste, aber ein ganzes Heer furchtbarer Gebilde. Der ebne Faden meines Lebens fängt an, sich in unauflösliche Knoten zu verschlingen, über deren Auflösung ich vielleicht vergebens meine Existenz verliehre.
Bis itzt ist mein Leben ein ununterbrochener Freudentanz gewesen, kindlich habe ich meine Jahre verscherzt und mich lachend der flüchtigen Zeit überlassen, in der hellen Gegenwart genoß
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denen unſer ſchuͤtzender Genius umgewechſelt wird? — Eduard, eine dunkle, ungewiſſe Ahn- dung hat mich befallen, als ſei hier, in dieſen Momenten eine der Epochen meines Lebens, mir iſt, als ſaͤh’ ich meinen guten Engel weinend von mir Abſchied nehmen, der mich nun unbe- wacht dem Spiel des Verhaͤngniſſes uͤberlaͤßt, — als ſei ich in eine dunkle Wuͤſte hinausgeſtoßen, wo ich unter den daͤmmernden Schatten halb ungewiſſe feindſelige Daͤmonen entdecke.
Ja Eduard, ſpotte nicht meiner Schwaͤche, ich bin in dieſen Augenblicken aberglaͤubig wie ein Kind, Nacht und Einſamkeit haben meine Phantaſie geſpannt, ich blicke wie ein Seher in den tiefen Brunnen der Zukunft hinab, ich neh- me Geſtalten wahr, die zu mir emporſteigen, freundliche und ernſte, aber ein ganzes Heer furchtbarer Gebilde. Der ebne Faden meines Lebens faͤngt an, ſich in unaufloͤsliche Knoten zu verſchlingen, uͤber deren Aufloͤſung ich vielleicht vergebens meine Exiſtenz verliehre.
Bis itzt iſt mein Leben ein ununterbrochener Freudentanz geweſen, kindlich habe ich meine Jahre verſcherzt und mich lachend der fluͤchtigen Zeit uͤberlaſſen, in der hellen Gegenwart genoß
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[19[17]/0027]
denen unſer ſchuͤtzender Genius umgewechſelt
wird? — Eduard, eine dunkle, ungewiſſe Ahn-
dung hat mich befallen, als ſei hier, in dieſen
Momenten eine der Epochen meines Lebens, mir
iſt, als ſaͤh’ ich meinen guten Engel weinend
von mir Abſchied nehmen, der mich nun unbe-
wacht dem Spiel des Verhaͤngniſſes uͤberlaͤßt, —
als ſei ich in eine dunkle Wuͤſte hinausgeſtoßen,
wo ich unter den daͤmmernden Schatten halb
ungewiſſe feindſelige Daͤmonen entdecke.
Ja Eduard, ſpotte nicht meiner Schwaͤche,
ich bin in dieſen Augenblicken aberglaͤubig wie
ein Kind, Nacht und Einſamkeit haben meine
Phantaſie geſpannt, ich blicke wie ein Seher in
den tiefen Brunnen der Zukunft hinab, ich neh-
me Geſtalten wahr, die zu mir emporſteigen,
freundliche und ernſte, aber ein ganzes Heer
furchtbarer Gebilde. Der ebne Faden meines
Lebens faͤngt an, ſich in unaufloͤsliche Knoten zu
verſchlingen, uͤber deren Aufloͤſung ich vielleicht
vergebens meine Exiſtenz verliehre.
Bis itzt iſt mein Leben ein ununterbrochener
Freudentanz geweſen, kindlich habe ich meine
Jahre verſcherzt und mich lachend der fluͤchtigen
Zeit uͤberlaſſen, in der hellen Gegenwart genoß
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 19[17]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/27>, abgerufen am 21.11.2024.
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