Meine Lage hat sich seit meinem neulichen Briefe sehr geändert. Mein Fieber nimmt mit jedem Tage zu, so wie mein Widerwille gegen die ganze Welt. -- Unter allen Menschen, die ich bisher habe kennen lernen, hat noch keiner meine Erwartungen befriedigt; auch über Dich, William, kann ich mich mit Recht beklagen, aber doch entsprichst Du noch dem, was ich von einem Menschen und meinem Freunde fordre, am meisten: darum höre izt die Bitte Deines kranken Freundes, und erfülle Dein halb im Scherze gegebenes Versprechen, mich hier in Neapel zu besuchen. Auf eine wunderbare Wei- se fühl' ich mich einsam, ein Schatten, ein Laut kann mich erschrecken, die Fibern meines Kör- pers erzittern bei jedem Anstoße auf eine schmerz- hafte Art; ich weiß nicht, welches seltsame Grausen mich umgiebt, meine Brust ist be- klemmt, wie von fremden unsichtbaren Wesen umgeben fühl' ich mich fürchterlich beschränkt:
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23. Balder an William Lovell.
Neapel.
Meine Lage hat ſich ſeit meinem neulichen Briefe ſehr geaͤndert. Mein Fieber nimmt mit jedem Tage zu, ſo wie mein Widerwille gegen die ganze Welt. — Unter allen Menſchen, die ich bisher habe kennen lernen, hat noch keiner meine Erwartungen befriedigt; auch uͤber Dich, William, kann ich mich mit Recht beklagen, aber doch entſprichſt Du noch dem, was ich von einem Menſchen und meinem Freunde fordre, am meiſten: darum hoͤre izt die Bitte Deines kranken Freundes, und erfuͤlle Dein halb im Scherze gegebenes Verſprechen, mich hier in Neapel zu beſuchen. Auf eine wunderbare Wei- ſe fuͤhl’ ich mich einſam, ein Schatten, ein Laut kann mich erſchrecken, die Fibern meines Koͤr- pers erzittern bei jedem Anſtoße auf eine ſchmerz- hafte Art; ich weiß nicht, welches ſeltſame Grauſen mich umgiebt, meine Bruſt iſt be- klemmt, wie von fremden unſichtbaren Weſen umgeben fuͤhl’ ich mich fuͤrchterlich beſchraͤnkt:
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23.
Balder an William Lovell.
Neapel.
Meine Lage hat ſich ſeit meinem neulichen
Briefe ſehr geaͤndert. Mein Fieber nimmt mit
jedem Tage zu, ſo wie mein Widerwille gegen
die ganze Welt. — Unter allen Menſchen, die
ich bisher habe kennen lernen, hat noch keiner
meine Erwartungen befriedigt; auch uͤber Dich,
William, kann ich mich mit Recht beklagen,
aber doch entſprichſt Du noch dem, was ich von
einem Menſchen und meinem Freunde fordre,
am meiſten: darum hoͤre izt die Bitte Deines
kranken Freundes, und erfuͤlle Dein halb im
Scherze gegebenes Verſprechen, mich hier in
Neapel zu beſuchen. Auf eine wunderbare Wei-
ſe fuͤhl’ ich mich einſam, ein Schatten, ein Laut
kann mich erſchrecken, die Fibern meines Koͤr-
pers erzittern bei jedem Anſtoße auf eine ſchmerz-
hafte Art; ich weiß nicht, welches ſeltſame
Grauſen mich umgiebt, meine Bruſt iſt be-
klemmt, wie von fremden unſichtbaren Weſen
umgeben fuͤhl’ ich mich fuͤrchterlich beſchraͤnkt:
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 307[305]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/315>, abgerufen am 31.10.2024.
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