Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

lein, und selbst diese wäre gewiß zu heilen. --
Wenn Du aufrichtig seyn willst, so wirst Du
eingestehn, daß es jene unbegreifliche heimliche
Wollust ist, die Dich unter Schaudern und
Grausen so freundlich grüßt; jene wilde Freude,
jene Entzückungen des Wahnsinns, die Dich in
Deinen unterirrdischen Wohnungen so fest hal
ten. -- Wenn Du dies zugiebst, so sind wir
beide wenigstens gleich große Egoisten. -- Aber
laß diese Genüsse der abentheuerlichen Phanta-
sie fahren, die Dich zu Grunde richten, kehre
zur Welt und zu den Menschen zurück, vereini-
ge Dich mit dem brüderlichen Kreise und nimm
die Blumen, die Dir die mütterliche Natur
mit freundlichem Lächeln hinreicht. -- O könnt'
ich den bösen Geist beschwören, der in Dir
wohnt, damit nach wenigen Wochen der glück-
liche Lovell den glücklichen Balder wie-
der in seine Arme schließen könnte.



lein, und ſelbſt dieſe waͤre gewiß zu heilen. —
Wenn Du aufrichtig ſeyn willſt, ſo wirſt Du
eingeſtehn, daß es jene unbegreifliche heimliche
Wolluſt iſt, die Dich unter Schaudern und
Grauſen ſo freundlich gruͤßt; jene wilde Freude,
jene Entzuͤckungen des Wahnſinns, die Dich in
Deinen unterirrdiſchen Wohnungen ſo feſt hal
ten. — Wenn Du dies zugiebſt, ſo ſind wir
beide wenigſtens gleich große Egoiſten. — Aber
laß dieſe Genuͤſſe der abentheuerlichen Phanta-
ſie fahren, die Dich zu Grunde richten, kehre
zur Welt und zu den Menſchen zuruͤck, vereini-
ge Dich mit dem bruͤderlichen Kreiſe und nimm
die Blumen, die Dir die muͤtterliche Natur
mit freundlichem Laͤcheln hinreicht. — O koͤnnt’
ich den boͤſen Geiſt beſchwoͤren, der in Dir
wohnt, damit nach wenigen Wochen der gluͤck-
liche Lovell den gluͤcklichen Balder wie-
der in ſeine Arme ſchließen koͤnnte.



<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0314" n="306[304]"/>
lein, und &#x017F;elb&#x017F;t die&#x017F;e wa&#x0364;re gewiß zu heilen. &#x2014;<lb/>
Wenn Du aufrichtig &#x017F;eyn will&#x017F;t, &#x017F;o wir&#x017F;t Du<lb/>
einge&#x017F;tehn, daß es jene unbegreifliche heimliche<lb/>
Wollu&#x017F;t i&#x017F;t, die Dich unter Schaudern und<lb/>
Grau&#x017F;en &#x017F;o freundlich gru&#x0364;ßt; jene wilde Freude,<lb/>
jene Entzu&#x0364;ckungen des Wahn&#x017F;inns, die Dich in<lb/>
Deinen unterirrdi&#x017F;chen Wohnungen &#x017F;o fe&#x017F;t hal<lb/>
ten. &#x2014; Wenn Du dies zugieb&#x017F;t, &#x017F;o &#x017F;ind wir<lb/>
beide wenig&#x017F;tens gleich große Egoi&#x017F;ten. &#x2014; Aber<lb/>
laß die&#x017F;e Genu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e der abentheuerlichen Phanta-<lb/>
&#x017F;ie fahren, die Dich zu Grunde richten, kehre<lb/>
zur Welt und zu den Men&#x017F;chen zuru&#x0364;ck, vereini-<lb/>
ge Dich mit dem bru&#x0364;derlichen Krei&#x017F;e und nimm<lb/>
die Blumen, die Dir die mu&#x0364;tterliche Natur<lb/>
mit freundlichem La&#x0364;cheln hinreicht. &#x2014; O ko&#x0364;nnt&#x2019;<lb/>
ich den bo&#x0364;&#x017F;en Gei&#x017F;t be&#x017F;chwo&#x0364;ren, der in Dir<lb/>
wohnt, damit nach wenigen Wochen der glu&#x0364;ck-<lb/>
liche Lovell den <hi rendition="#g">glu&#x0364;cklichen Balder</hi> wie-<lb/>
der in &#x017F;eine Arme &#x017F;chließen ko&#x0364;nnte.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[306[304]/0314] lein, und ſelbſt dieſe waͤre gewiß zu heilen. — Wenn Du aufrichtig ſeyn willſt, ſo wirſt Du eingeſtehn, daß es jene unbegreifliche heimliche Wolluſt iſt, die Dich unter Schaudern und Grauſen ſo freundlich gruͤßt; jene wilde Freude, jene Entzuͤckungen des Wahnſinns, die Dich in Deinen unterirrdiſchen Wohnungen ſo feſt hal ten. — Wenn Du dies zugiebſt, ſo ſind wir beide wenigſtens gleich große Egoiſten. — Aber laß dieſe Genuͤſſe der abentheuerlichen Phanta- ſie fahren, die Dich zu Grunde richten, kehre zur Welt und zu den Menſchen zuruͤck, vereini- ge Dich mit dem bruͤderlichen Kreiſe und nimm die Blumen, die Dir die muͤtterliche Natur mit freundlichem Laͤcheln hinreicht. — O koͤnnt’ ich den boͤſen Geiſt beſchwoͤren, der in Dir wohnt, damit nach wenigen Wochen der gluͤck- liche Lovell den gluͤcklichen Balder wie- der in ſeine Arme ſchließen koͤnnte.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/314
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 306[304]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/314>, abgerufen am 24.11.2024.