Es ist mir selber unbegreiflich, warum ich im Ganzen so kalt und fast ruhig blieb, da ich doch einen Schauder in meinen innersten Gebei- nen fühlte; in dem Entsetzen lag eine Art von wüthender Freude, ein Genuß der vielleicht aus- serhalb den Grenzen des Menschen liegt. -- Ich kann mir nichts Fürchterlicheres denken, als diese Erscheinung zum zweitenmahle zu sehn; und doch wiederhol' ich mir vorsätzlich den Schreck, das starrende Grausen dieses Augen- blicks. --
Ich rief meinen Bedienten, er hatte nichts gehört, in der Kammer war keine Spur, ich hatte sogar den Schlüssel noch auf dem Tische liegen und sie war zugeschlossen. Ich ließ Rosa kommen, er kannte mich nicht wieder, er blieb bei mir, ich habe die ganze Nacht nicht ge- schlafen, stets sah ich den fremden Mann mit dem leisen bedächtlichen Schritte durch das Zim- mer schleichen.
Wenn es nicht Phantasie war, und mein Bewußtseyn kämpft gegen diese Meinung, -- was war es denn? -- War dies keine Wirk- lichkeit, so steh' ich im Begriffe, alle Erscheinun- gen der Dinge ausser mir für Täuschung mei-
Es iſt mir ſelber unbegreiflich, warum ich im Ganzen ſo kalt und faſt ruhig blieb, da ich doch einen Schauder in meinen innerſten Gebei- nen fuͤhlte; in dem Entſetzen lag eine Art von wuͤthender Freude, ein Genuß der vielleicht auſ- ſerhalb den Grenzen des Menſchen liegt. — Ich kann mir nichts Fuͤrchterlicheres denken, als dieſe Erſcheinung zum zweitenmahle zu ſehn; und doch wiederhol’ ich mir vorſaͤtzlich den Schreck, das ſtarrende Grauſen dieſes Augen- blicks. —
Ich rief meinen Bedienten, er hatte nichts gehoͤrt, in der Kammer war keine Spur, ich hatte ſogar den Schluͤſſel noch auf dem Tiſche liegen und ſie war zugeſchloſſen. Ich ließ Roſa kommen, er kannte mich nicht wieder, er blieb bei mir, ich habe die ganze Nacht nicht ge- ſchlafen, ſtets ſah ich den fremden Mann mit dem leiſen bedaͤchtlichen Schritte durch das Zim- mer ſchleichen.
Wenn es nicht Phantaſie war, und mein Bewußtſeyn kaͤmpft gegen dieſe Meinung, — was war es denn? — War dies keine Wirk- lichkeit, ſo ſteh’ ich im Begriffe, alle Erſcheinun- gen der Dinge auſſer mir fuͤr Taͤuſchung mei-
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[311[309]/0319]
Es iſt mir ſelber unbegreiflich, warum ich
im Ganzen ſo kalt und faſt ruhig blieb, da ich
doch einen Schauder in meinen innerſten Gebei-
nen fuͤhlte; in dem Entſetzen lag eine Art von
wuͤthender Freude, ein Genuß der vielleicht auſ-
ſerhalb den Grenzen des Menſchen liegt. —
Ich kann mir nichts Fuͤrchterlicheres denken, als
dieſe Erſcheinung zum zweitenmahle zu ſehn;
und doch wiederhol’ ich mir vorſaͤtzlich den
Schreck, das ſtarrende Grauſen dieſes Augen-
blicks. —
Ich rief meinen Bedienten, er hatte nichts
gehoͤrt, in der Kammer war keine Spur, ich
hatte ſogar den Schluͤſſel noch auf dem Tiſche
liegen und ſie war zugeſchloſſen. Ich ließ Roſa
kommen, er kannte mich nicht wieder, er blieb
bei mir, ich habe die ganze Nacht nicht ge-
ſchlafen, ſtets ſah ich den fremden Mann mit
dem leiſen bedaͤchtlichen Schritte durch das Zim-
mer ſchleichen.
Wenn es nicht Phantaſie war, und mein
Bewußtſeyn kaͤmpft gegen dieſe Meinung, —
was war es denn? — War dies keine Wirk-
lichkeit, ſo ſteh’ ich im Begriffe, alle Erſcheinun-
gen der Dinge auſſer mir fuͤr Taͤuſchung mei-
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 311[309]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/319>, abgerufen am 01.11.2024.
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