weinen mögen. -- O, warum müssen denn Men- schen so gern über die Schmerzen ihrer Brüder spotten? -- Wenn es nun auch Leiden sind, von denen sie keine Vorstellung haben, oder die sie für unvernünftig halten, -- o sie drücken darum das Herz nicht minder schwer. -- Ich bedurfte Mitleid, ein empfindendes Herz, -- und ein spot- tendes Lächeln, eine kalte Verachtung, -- -- o Eduard, mir war als klopft' ich im Walde ver- irrt an eine Hütte und nichts anwortete mir aus dem verlassenen Hause, als ein leiser, öder Wiederhall. --
Lebe wohl. Ich will itzt gleich auf einige Tage meine Tante Buttler in Waterhall besuchen, -- grüße Deine liebe Schwester und verzeih mir meine Schwäche; doch ich kenne ja Dein Herz, das alle Leiden der Menschheit mit- empfindet, über nichts spottet, was den Muth des schwächern Bruders erschüttert, der sich mit den Fröhlichen freut und mit den Weinenden weint. -- Lebe wohl.
weinen moͤgen. — O, warum muͤſſen denn Men- ſchen ſo gern uͤber die Schmerzen ihrer Bruͤder ſpotten? — Wenn es nun auch Leiden ſind, von denen ſie keine Vorſtellung haben, oder die ſie fuͤr unvernuͤnftig halten, — o ſie druͤcken darum das Herz nicht minder ſchwer. — Ich bedurfte Mitleid, ein empfindendes Herz, — und ein ſpot- tendes Laͤcheln, eine kalte Verachtung, — — o Eduard, mir war als klopft’ ich im Walde ver- irrt an eine Huͤtte und nichts anwortete mir aus dem verlaſſenen Hauſe, als ein leiſer, oͤder Wiederhall. —
Lebe wohl. Ich will itzt gleich auf einige Tage meine Tante Buttler in Waterhall beſuchen, — gruͤße Deine liebe Schweſter und verzeih mir meine Schwaͤche; doch ich kenne ja Dein Herz, das alle Leiden der Menſchheit mit- empfindet, uͤber nichts ſpottet, was den Muth des ſchwaͤchern Bruders erſchuͤttert, der ſich mit den Froͤhlichen freut und mit den Weinenden weint. — Lebe wohl.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0035"n="27[25]"/>
weinen moͤgen. — O, warum muͤſſen denn Men-<lb/>ſchen ſo gern uͤber die Schmerzen ihrer Bruͤder<lb/>ſpotten? — Wenn es nun auch Leiden ſind, von<lb/>
denen ſie keine Vorſtellung haben, oder die ſie<lb/>
fuͤr unvernuͤnftig halten, — o ſie druͤcken darum<lb/>
das Herz nicht minder ſchwer. — Ich bedurfte<lb/>
Mitleid, ein empfindendes Herz, — und ein ſpot-<lb/>
tendes Laͤcheln, eine kalte Verachtung, —— o<lb/>
Eduard, mir war als klopft’ ich im Walde ver-<lb/>
irrt an eine Huͤtte und nichts anwortete mir<lb/>
aus dem verlaſſenen Hauſe, als ein leiſer, oͤder<lb/>
Wiederhall. —</p><lb/><p>Lebe wohl. Ich will itzt gleich auf einige<lb/>
Tage meine Tante <hirendition="#g">Buttler</hi> in <hirendition="#g">Waterhall</hi><lb/>
beſuchen, — gruͤße Deine liebe Schweſter und<lb/>
verzeih mir meine Schwaͤche; doch ich kenne ja<lb/>
Dein Herz, das alle Leiden der Menſchheit mit-<lb/>
empfindet, uͤber nichts ſpottet, was den Muth<lb/>
des ſchwaͤchern Bruders erſchuͤttert, der ſich<lb/>
mit den Froͤhlichen freut und mit den Weinenden<lb/>
weint. — Lebe wohl.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div></body></text></TEI>
[27[25]/0035]
weinen moͤgen. — O, warum muͤſſen denn Men-
ſchen ſo gern uͤber die Schmerzen ihrer Bruͤder
ſpotten? — Wenn es nun auch Leiden ſind, von
denen ſie keine Vorſtellung haben, oder die ſie
fuͤr unvernuͤnftig halten, — o ſie druͤcken darum
das Herz nicht minder ſchwer. — Ich bedurfte
Mitleid, ein empfindendes Herz, — und ein ſpot-
tendes Laͤcheln, eine kalte Verachtung, — — o
Eduard, mir war als klopft’ ich im Walde ver-
irrt an eine Huͤtte und nichts anwortete mir
aus dem verlaſſenen Hauſe, als ein leiſer, oͤder
Wiederhall. —
Lebe wohl. Ich will itzt gleich auf einige
Tage meine Tante Buttler in Waterhall
beſuchen, — gruͤße Deine liebe Schweſter und
verzeih mir meine Schwaͤche; doch ich kenne ja
Dein Herz, das alle Leiden der Menſchheit mit-
empfindet, uͤber nichts ſpottet, was den Muth
des ſchwaͤchern Bruders erſchuͤttert, der ſich
mit den Froͤhlichen freut und mit den Weinenden
weint. — Lebe wohl.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 27[25]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/35>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.