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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795.

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Standhaftigkeit besitzen, als Du mir vielleicht
zutraust.

Führe nicht meine Liebe zu Deiner Mutter
an; ich liebte nicht thöricht, wie Du; unsre
Familien waren sich gleich, an Ansehn und Ver-
mögen; mögen diese Hindernisse Zufall seyn,
meinetwegen, aber der weise Mann geht dem
undurchdringlichen Zufalle aus dem Wege, da
im Gegentheile das Leben des Thoren nichts als
ein rastloser ohnmächtiger Kampf gegen Zufall
und Nothwendigkeit ist. Glaube mir, daß ich
meine Liebe würde zu bekämpfen gewußt haben,
wenn sich diese Schwierigkeiten unsrer Ver-
bindung in den Weg gestellt hätten. Darum
folge dem Rathe und dem Beispiele Deines
Vaters.

Es scheint mir überhaupt, als dürftest Du
etwas die Vergleichung mit mir, in Ansehung
unsrer Liebe scheuen. Deine Mutter war die
verehrungswürdigste Frau, sanft und verständig,
gefühlvoll ohne Empfindelei, ein Herz schlug in
ihrer Brust, wie sie nur selten auf dieser Erde
gefunden werden: und du wagst es, mit ihr
Amalie Wilmont zu vergleichen? Ein We-
sen, dessen Gutmüthigkeit und Weichheit sie

Standhaftigkeit beſitzen, als Du mir vielleicht
zutrauſt.

Fuͤhre nicht meine Liebe zu Deiner Mutter
an; ich liebte nicht thoͤricht, wie Du; unſre
Familien waren ſich gleich, an Anſehn und Ver-
moͤgen; moͤgen dieſe Hinderniſſe Zufall ſeyn,
meinetwegen, aber der weiſe Mann geht dem
undurchdringlichen Zufalle aus dem Wege, da
im Gegentheile das Leben des Thoren nichts als
ein raſtloſer ohnmaͤchtiger Kampf gegen Zufall
und Nothwendigkeit iſt. Glaube mir, daß ich
meine Liebe wuͤrde zu bekaͤmpfen gewußt haben,
wenn ſich dieſe Schwierigkeiten unſrer Ver-
bindung in den Weg geſtellt haͤtten. Darum
folge dem Rathe und dem Beiſpiele Deines
Vaters.

Es ſcheint mir uͤberhaupt, als duͤrfteſt Du
etwas die Vergleichung mit mir, in Anſehung
unſrer Liebe ſcheuen. Deine Mutter war die
verehrungswuͤrdigſte Frau, ſanft und verſtaͤndig,
gefuͤhlvoll ohne Empfindelei, ein Herz ſchlug in
ihrer Bruſt, wie ſie nur ſelten auf dieſer Erde
gefunden werden: und du wagſt es, mit ihr
Amalie Wilmont zu vergleichen? Ein We-
ſen, deſſen Gutmuͤthigkeit und Weichheit ſie

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[350[348]/0358] Standhaftigkeit beſitzen, als Du mir vielleicht zutrauſt. Fuͤhre nicht meine Liebe zu Deiner Mutter an; ich liebte nicht thoͤricht, wie Du; unſre Familien waren ſich gleich, an Anſehn und Ver- moͤgen; moͤgen dieſe Hinderniſſe Zufall ſeyn, meinetwegen, aber der weiſe Mann geht dem undurchdringlichen Zufalle aus dem Wege, da im Gegentheile das Leben des Thoren nichts als ein raſtloſer ohnmaͤchtiger Kampf gegen Zufall und Nothwendigkeit iſt. Glaube mir, daß ich meine Liebe wuͤrde zu bekaͤmpfen gewußt haben, wenn ſich dieſe Schwierigkeiten unſrer Ver- bindung in den Weg geſtellt haͤtten. Darum folge dem Rathe und dem Beiſpiele Deines Vaters. Es ſcheint mir uͤberhaupt, als duͤrfteſt Du etwas die Vergleichung mit mir, in Anſehung unſrer Liebe ſcheuen. Deine Mutter war die verehrungswuͤrdigſte Frau, ſanft und verſtaͤndig, gefuͤhlvoll ohne Empfindelei, ein Herz ſchlug in ihrer Bruſt, wie ſie nur ſelten auf dieſer Erde gefunden werden: und du wagſt es, mit ihr Amalie Wilmont zu vergleichen? Ein We- ſen, deſſen Gutmuͤthigkeit und Weichheit ſie

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 350[348]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/358>, abgerufen am 24.11.2024.