vielleicht etwas aus den ganz gewöhnlichen Frauenzimmern herausheben. -- Und dann liebst Du sie auch nicht einmahl wirklich! -- Diese sogenannte Liebe ist eine leichte Nahrung Dei- ner Phantasie, eine sanfte Empfindsamkeit, die sich Deines Herzens bemeistert hat und deren Ursprung Du nun in einer Liebe gegen dieses Mädchen suchst. -- Glaubst Du denn wirklich, daß Du mit einem Herzen voll Liebe hättest nach Italien reisen können? bis izt froh und unbefangen leben und die Luft da einziehn, wo sie nicht athmet? -- Du siehst wenigstens, daß ich nicht die Kälte von Dir verlange, die un- besonnene Jünglinge gewöhnlich ihren Vätern vorwerfen; um destomehr aber überzeuge Dich auch, daß ich in diesem Verhältnisse richtiger und weiter sehe, als Du. -- Schon im ersten Monathe eurer Ehe würdet Ihr euch beide ge- täuscht finden; man würde erstaunen, daß die Wärme so schnell verflogen wäre; es würde eine von den gewöhnlichen Ehen werden, deren trau- riges Gemählde ich nur zu oft sehe, um zu wünschen, daß es durch meinen Sohn noch ein- mahl wiederholt würde.
Willst Du nach England zurückkommen, so
vielleicht etwas aus den ganz gewoͤhnlichen Frauenzimmern herausheben. — Und dann liebſt Du ſie auch nicht einmahl wirklich! — Dieſe ſogenannte Liebe iſt eine leichte Nahrung Dei- ner Phantaſie, eine ſanfte Empfindſamkeit, die ſich Deines Herzens bemeiſtert hat und deren Urſprung Du nun in einer Liebe gegen dieſes Maͤdchen ſuchſt. — Glaubſt Du denn wirklich, daß Du mit einem Herzen voll Liebe haͤtteſt nach Italien reiſen koͤnnen? bis izt froh und unbefangen leben und die Luft da einziehn, wo ſie nicht athmet? — Du ſiehſt wenigſtens, daß ich nicht die Kaͤlte von Dir verlange, die un- beſonnene Juͤnglinge gewoͤhnlich ihren Vaͤtern vorwerfen; um deſtomehr aber uͤberzeuge Dich auch, daß ich in dieſem Verhaͤltniſſe richtiger und weiter ſehe, als Du. — Schon im erſten Monathe eurer Ehe wuͤrdet Ihr euch beide ge- taͤuſcht finden; man wuͤrde erſtaunen, daß die Waͤrme ſo ſchnell verflogen waͤre; es wuͤrde eine von den gewoͤhnlichen Ehen werden, deren trau- riges Gemaͤhlde ich nur zu oft ſehe, um zu wuͤnſchen, daß es durch meinen Sohn noch ein- mahl wiederholt wuͤrde.
Willſt Du nach England zuruͤckkommen, ſo
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[351[349]/0359]
vielleicht etwas aus den ganz gewoͤhnlichen
Frauenzimmern herausheben. — Und dann liebſt
Du ſie auch nicht einmahl wirklich! — Dieſe
ſogenannte Liebe iſt eine leichte Nahrung Dei-
ner Phantaſie, eine ſanfte Empfindſamkeit, die
ſich Deines Herzens bemeiſtert hat und deren
Urſprung Du nun in einer Liebe gegen dieſes
Maͤdchen ſuchſt. — Glaubſt Du denn wirklich,
daß Du mit einem Herzen voll Liebe haͤtteſt
nach Italien reiſen koͤnnen? bis izt froh und
unbefangen leben und die Luft da einziehn, wo
ſie nicht athmet? — Du ſiehſt wenigſtens, daß
ich nicht die Kaͤlte von Dir verlange, die un-
beſonnene Juͤnglinge gewoͤhnlich ihren Vaͤtern
vorwerfen; um deſtomehr aber uͤberzeuge Dich
auch, daß ich in dieſem Verhaͤltniſſe richtiger
und weiter ſehe, als Du. — Schon im erſten
Monathe eurer Ehe wuͤrdet Ihr euch beide ge-
taͤuſcht finden; man wuͤrde erſtaunen, daß die
Waͤrme ſo ſchnell verflogen waͤre; es wuͤrde eine
von den gewoͤhnlichen Ehen werden, deren trau-
riges Gemaͤhlde ich nur zu oft ſehe, um zu
wuͤnſchen, daß es durch meinen Sohn noch ein-
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 351[349]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/359>, abgerufen am 24.11.2024.
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