Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

der uns in das eherne Joch spannt, wenigstens
ein verächtliches Lächeln entgegengrinsen. -- Le-
ben Sie wohl!

Warum machen wir denn auch die lächerliche
Forderung, glücklich zu seyn? Wunderbar! --
Gähnend durchs Leben hinzuschlendern, mit ei-
ner Gefährtinn, deren Vater genau soviele Gold-
stücke aufweisen kann, als der meinige, so recht
gleich und gleich gesellt, dem Tode entgegenzu-
kriechen, dies ist unsre große, ehrenvolle Be-
stimmung! -- Sie denken, ich bin erhitzt und
bitter. O ich bin so kalt, daß ich meinem Va-
ter eine Abhandlung schreiben könnte, um zu be-
weisen, wie sehr er Recht hat. -- O Amalie!
Soll ich denn ganz ihren Nahmen aus meinem
armen, blutenden Herzen reissen? Soll ich
auch die Wurzel meiner Seeligkeit ausrotten,
damit mich nie der grüne Schimmer einer jun-
gen Pflanze wieder erquickt? -- Ich kann es
nicht und will es nicht.

Ueber die weite Entfernung hinüber reiche
ich Ihnen meine zitternde Hand zum ewigen,
schrecklichen Abschiede. -- Mein Vater mag es
mir verzeihen, o seine Furcht ist unnütz, daß ich
ihn mit bettelnden Briefen belagern werde, kein

der uns in das eherne Joch ſpannt, wenigſtens
ein veraͤchtliches Laͤcheln entgegengrinſen. — Le-
ben Sie wohl!

Warum machen wir denn auch die laͤcherliche
Forderung, gluͤcklich zu ſeyn? Wunderbar! —
Gaͤhnend durchs Leben hinzuſchlendern, mit ei-
ner Gefaͤhrtinn, deren Vater genau ſoviele Gold-
ſtuͤcke aufweiſen kann, als der meinige, ſo recht
gleich und gleich geſellt, dem Tode entgegenzu-
kriechen, dies iſt unſre große, ehrenvolle Be-
ſtimmung! — Sie denken, ich bin erhitzt und
bitter. O ich bin ſo kalt, daß ich meinem Va-
ter eine Abhandlung ſchreiben koͤnnte, um zu be-
weiſen, wie ſehr er Recht hat. — O Amalie!
Soll ich denn ganz ihren Nahmen aus meinem
armen, blutenden Herzen reiſſen? Soll ich
auch die Wurzel meiner Seeligkeit ausrotten,
damit mich nie der gruͤne Schimmer einer jun-
gen Pflanze wieder erquickt? — Ich kann es
nicht und will es nicht.

Ueber die weite Entfernung hinuͤber reiche
ich Ihnen meine zitternde Hand zum ewigen,
ſchrecklichen Abſchiede. — Mein Vater mag es
mir verzeihen, o ſeine Furcht iſt unnuͤtz, daß ich
ihn mit bettelnden Briefen belagern werde, kein

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0362" n="354[352]"/>
der uns in das eherne Joch &#x017F;pannt, wenig&#x017F;tens<lb/>
ein vera&#x0364;chtliches La&#x0364;cheln entgegengrin&#x017F;en. &#x2014; Le-<lb/>
ben Sie wohl!</p><lb/>
          <p>Warum machen wir denn auch die la&#x0364;cherliche<lb/>
Forderung, glu&#x0364;cklich zu &#x017F;eyn? Wunderbar! &#x2014;<lb/>
Ga&#x0364;hnend durchs Leben hinzu&#x017F;chlendern, mit ei-<lb/>
ner Gefa&#x0364;hrtinn, deren Vater genau &#x017F;oviele Gold-<lb/>
&#x017F;tu&#x0364;cke aufwei&#x017F;en kann, als der meinige, &#x017F;o recht<lb/>
gleich und gleich ge&#x017F;ellt, dem Tode entgegenzu-<lb/>
kriechen, dies i&#x017F;t un&#x017F;re große, ehrenvolle Be-<lb/>
&#x017F;timmung! &#x2014; Sie denken, ich bin erhitzt und<lb/>
bitter. O ich bin &#x017F;o kalt, daß ich meinem Va-<lb/>
ter eine Abhandlung &#x017F;chreiben ko&#x0364;nnte, um zu be-<lb/>
wei&#x017F;en, wie &#x017F;ehr er Recht hat. &#x2014; O Amalie!<lb/>
Soll ich denn ganz ihren Nahmen aus meinem<lb/>
armen, blutenden Herzen rei&#x017F;&#x017F;en? Soll ich<lb/>
auch die Wurzel meiner Seeligkeit ausrotten,<lb/>
damit mich nie der gru&#x0364;ne Schimmer einer jun-<lb/>
gen Pflanze wieder erquickt? &#x2014; Ich kann es<lb/>
nicht und will es nicht.</p><lb/>
          <p>Ueber die weite Entfernung hinu&#x0364;ber reiche<lb/>
ich Ihnen meine zitternde Hand zum ewigen,<lb/>
&#x017F;chrecklichen Ab&#x017F;chiede. &#x2014; Mein Vater mag es<lb/>
mir verzeihen, o &#x017F;eine Furcht i&#x017F;t unnu&#x0364;tz, daß ich<lb/>
ihn mit bettelnden Briefen belagern werde, kein<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[354[352]/0362] der uns in das eherne Joch ſpannt, wenigſtens ein veraͤchtliches Laͤcheln entgegengrinſen. — Le- ben Sie wohl! Warum machen wir denn auch die laͤcherliche Forderung, gluͤcklich zu ſeyn? Wunderbar! — Gaͤhnend durchs Leben hinzuſchlendern, mit ei- ner Gefaͤhrtinn, deren Vater genau ſoviele Gold- ſtuͤcke aufweiſen kann, als der meinige, ſo recht gleich und gleich geſellt, dem Tode entgegenzu- kriechen, dies iſt unſre große, ehrenvolle Be- ſtimmung! — Sie denken, ich bin erhitzt und bitter. O ich bin ſo kalt, daß ich meinem Va- ter eine Abhandlung ſchreiben koͤnnte, um zu be- weiſen, wie ſehr er Recht hat. — O Amalie! Soll ich denn ganz ihren Nahmen aus meinem armen, blutenden Herzen reiſſen? Soll ich auch die Wurzel meiner Seeligkeit ausrotten, damit mich nie der gruͤne Schimmer einer jun- gen Pflanze wieder erquickt? — Ich kann es nicht und will es nicht. Ueber die weite Entfernung hinuͤber reiche ich Ihnen meine zitternde Hand zum ewigen, ſchrecklichen Abſchiede. — Mein Vater mag es mir verzeihen, o ſeine Furcht iſt unnuͤtz, daß ich ihn mit bettelnden Briefen belagern werde, kein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/362
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 354[352]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/362>, abgerufen am 24.11.2024.