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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795.

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Mein alter Onkel hätte beinahe geweint, als
ich ihm die Nachricht meiner Abreise brachte;
er ist mir mehr gewogen. als ich dachte, er hat
es mir so gut wie versprochen, mich zum Erben
einzusetzen, wenn er während meiner Abwesen-
heit sterben sollte, -- wie der Himmel will!
Einmahl muß er doch sterben, so sehr ich ihn
auch wirklich liebe. --

Könnt' ich über Bonstreet reisen, so würde
die Reise noch eine Annehmlichkeit mehr für
mich haben, aber einige Leute, die Fait von der
Geographie machen, wollen behaupten, es läge
ganz auf der entgegengesetzten Seite; und man
muß ihnen doch wohl hierinn glauben.

Deine Schwester ist allerdings ein vortrefli-
ches Mädchen, ausgenommen darinn, daß sie
gewiß Lovell liebt, -- doch vielleicht wird er
unter der Anführung eines gescheuten Mannes
anders, das heißt, nach meiner Ueberzeugung:
besser.

Worüber ich mich verwundre, ist, daß man
mich für so gelehrt hält um mit Nutzen der
Begleiter eines jungen Mannes zu seyn, der
nicht ohne Kenntnisse ist, -- der alte Lovell
aber ist ein vernünftiger Mann, der weiß, was

Mein alter Onkel haͤtte beinahe geweint, als
ich ihm die Nachricht meiner Abreiſe brachte;
er iſt mir mehr gewogen. als ich dachte, er hat
es mir ſo gut wie verſprochen, mich zum Erben
einzuſetzen, wenn er waͤhrend meiner Abweſen-
heit ſterben ſollte, — wie der Himmel will!
Einmahl muß er doch ſterben, ſo ſehr ich ihn
auch wirklich liebe. —

Koͤnnt’ ich uͤber Bonſtreet reiſen, ſo wuͤrde
die Reiſe noch eine Annehmlichkeit mehr fuͤr
mich haben, aber einige Leute, die Fait von der
Geographie machen, wollen behaupten, es laͤge
ganz auf der entgegengeſetzten Seite; und man
muß ihnen doch wohl hierinn glauben.

Deine Schweſter iſt allerdings ein vortrefli-
ches Maͤdchen, ausgenommen darinn, daß ſie
gewiß Lovell liebt, — doch vielleicht wird er
unter der Anfuͤhrung eines geſcheuten Mannes
anders, das heißt, nach meiner Ueberzeugung:
beſſer.

Woruͤber ich mich verwundre, iſt, daß man
mich fuͤr ſo gelehrt haͤlt um mit Nutzen der
Begleiter eines jungen Mannes zu ſeyn, der
nicht ohne Kenntniſſe iſt, — der alte Lovell
aber iſt ein vernuͤnftiger Mann, der weiß, was

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[63[61]/0071] Mein alter Onkel haͤtte beinahe geweint, als ich ihm die Nachricht meiner Abreiſe brachte; er iſt mir mehr gewogen. als ich dachte, er hat es mir ſo gut wie verſprochen, mich zum Erben einzuſetzen, wenn er waͤhrend meiner Abweſen- heit ſterben ſollte, — wie der Himmel will! Einmahl muß er doch ſterben, ſo ſehr ich ihn auch wirklich liebe. — Koͤnnt’ ich uͤber Bonſtreet reiſen, ſo wuͤrde die Reiſe noch eine Annehmlichkeit mehr fuͤr mich haben, aber einige Leute, die Fait von der Geographie machen, wollen behaupten, es laͤge ganz auf der entgegengeſetzten Seite; und man muß ihnen doch wohl hierinn glauben. Deine Schweſter iſt allerdings ein vortrefli- ches Maͤdchen, ausgenommen darinn, daß ſie gewiß Lovell liebt, — doch vielleicht wird er unter der Anfuͤhrung eines geſcheuten Mannes anders, das heißt, nach meiner Ueberzeugung: beſſer. Woruͤber ich mich verwundre, iſt, daß man mich fuͤr ſo gelehrt haͤlt um mit Nutzen der Begleiter eines jungen Mannes zu ſeyn, der nicht ohne Kenntniſſe iſt, — der alte Lovell aber iſt ein vernuͤnftiger Mann, der weiß, was

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 63[61]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/71>, abgerufen am 22.11.2024.