London liegt hinter mir mit allem seinem Glük- ke, Frankreich vor mir! -- Ich komme so eben von den erhabenen Klippen zurück, deren Schil- derung wir beide so oft in dem gigantesken Werke des unsterblichen Shakespeare bewundert haben. -- Die Natur wirkt wunderbar auf die Seele, mir war's, als könnt' ich in die Zukunft hineinsehn, als wären die Schleier eben im Be- griffe herunterzufallen, die sonst vor diesem Schauplatze hängen, -- die See rauschte tief unter mir und wogte und schlug ohnmächtig an die unerschütterlichen Klippengestade, Wolken standen aus dem Meere auf und schritten durch das ruhige Blau der unübersehbaren Wölbung, -- ohne fröhlich zu seyn, ohne Traurigkeit sah ich in die unendliche Natur hinaus, -- der Wind blies über die See hin, die Dornblumen am Felsen zitterten, ich stand ruhig. Das Wogen der Fluth rauschte leise herauf, -- tausend Sonnen tanzten in dem wiegenden Meeresspie-
14. William Lovell an Eduard Burton.
Dover.
London liegt hinter mir mit allem ſeinem Gluͤk- ke, Frankreich vor mir! — Ich komme ſo eben von den erhabenen Klippen zuruͤck, deren Schil- derung wir beide ſo oft in dem gigantesken Werke des unſterblichen Shakeſpeare bewundert haben. — Die Natur wirkt wunderbar auf die Seele, mir war’s, als koͤnnt’ ich in die Zukunft hineinſehn, als waͤren die Schleier eben im Be- griffe herunterzufallen, die ſonſt vor dieſem Schauplatze haͤngen, — die See rauſchte tief unter mir und wogte und ſchlug ohnmaͤchtig an die unerſchuͤtterlichen Klippengeſtade, Wolken ſtanden aus dem Meere auf und ſchritten durch das ruhige Blau der unuͤberſehbaren Woͤlbung, — ohne froͤhlich zu ſeyn, ohne Traurigkeit ſah ich in die unendliche Natur hinaus, — der Wind blies uͤber die See hin, die Dornblumen am Felſen zitterten, ich ſtand ruhig. Das Wogen der Fluth rauſchte leiſe herauf, — tauſend Sonnen tanzten in dem wiegenden Meeresſpie-
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14.
William Lovell an Eduard Burton.
Dover.
London liegt hinter mir mit allem ſeinem Gluͤk-
ke, Frankreich vor mir! — Ich komme ſo eben
von den erhabenen Klippen zuruͤck, deren Schil-
derung wir beide ſo oft in dem gigantesken
Werke des unſterblichen Shakeſpeare bewundert
haben. — Die Natur wirkt wunderbar auf die
Seele, mir war’s, als koͤnnt’ ich in die Zukunft
hineinſehn, als waͤren die Schleier eben im Be-
griffe herunterzufallen, die ſonſt vor dieſem
Schauplatze haͤngen, — die See rauſchte tief
unter mir und wogte und ſchlug ohnmaͤchtig an
die unerſchuͤtterlichen Klippengeſtade, Wolken
ſtanden aus dem Meere auf und ſchritten durch
das ruhige Blau der unuͤberſehbaren Woͤlbung, —
ohne froͤhlich zu ſeyn, ohne Traurigkeit ſah ich
in die unendliche Natur hinaus, — der Wind
blies uͤber die See hin, die Dornblumen am
Felſen zitterten, ich ſtand ruhig. Das Wogen
der Fluth rauſchte leiſe herauf, — tauſend
Sonnen tanzten in dem wiegenden Meeresſpie-
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 68[66]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/76>, abgerufen am 22.11.2024.
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