Wir werden beide künftig recht einsam woh- nen, in keiner großen Stadt, selbst von einer großen Heerstraße abgelegen. Ach, so wird ja nun endlich doch mein Lieblingswunsch erfüllt, in der freyen Natur zu leben. Ich bedarf um froh zu seyn keiner Zerstreuung und keiner großen Gesellschaften; ich wünsche, daß uns Niemand besuche, als gute Freunde, so wie Sie und Ihr Bruder, dann wollten wir dort einmal das schöne Leben von neuem führen, das ich bey Ihnen im vorigen Frühjahre genoß, als ich zu- erst Lovell kennen lernte.
Doch, ich wollte ja nicht mehr an ihn den- ken. Ich soll mich ja mehr in meiner Gewalt haben, wie Sie mir selbst gerathen haben. Ich finde auch, daß ich es so ziemlich gelernt habe; nur manchmal widerstreben mir thörichte Erinnerun- gen. -- O ich werde gewiß, auch wenn ich zu- weilen an Lovell denke, an Mortimers Seite glücklich seyn. -- Er kömmt mir jetzt immer vor, wie ein gestorbener Bruder, und ich muß noch manchmal weinen, aber es sind nicht mehr die brennenden Thränen, die ich ehemals vergoß.
Sie sehen, daß ich immer bleibe, wie ich war. Ich habe Sie schon oft um diesen schö-
Wir werden beide kuͤnftig recht einſam woh- nen, in keiner großen Stadt, ſelbſt von einer großen Heerſtraße abgelegen. Ach, ſo wird ja nun endlich doch mein Lieblingswunſch erfuͤllt, in der freyen Natur zu leben. Ich bedarf um froh zu ſeyn keiner Zerſtreuung und keiner großen Geſellſchaften; ich wuͤnſche, daß uns Niemand beſuche, als gute Freunde, ſo wie Sie und Ihr Bruder, dann wollten wir dort einmal das ſchoͤne Leben von neuem fuͤhren, das ich bey Ihnen im vorigen Fruͤhjahre genoß, als ich zu- erſt Lovell kennen lernte.
Doch, ich wollte ja nicht mehr an ihn den- ken. Ich ſoll mich ja mehr in meiner Gewalt haben, wie Sie mir ſelbſt gerathen haben. Ich finde auch, daß ich es ſo ziemlich gelernt habe; nur manchmal widerſtreben mir thoͤrichte Erinnerun- gen. — O ich werde gewiß, auch wenn ich zu- weilen an Lovell denke, an Mortimers Seite gluͤcklich ſeyn. — Er koͤmmt mir jetzt immer vor, wie ein geſtorbener Bruder, und ich muß noch manchmal weinen, aber es ſind nicht mehr die brennenden Thraͤnen, die ich ehemals vergoß.
Sie ſehen, daß ich immer bleibe, wie ich war. Ich habe Sie ſchon oft um dieſen ſchoͤ-
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Wir werden beide kuͤnftig recht einſam woh-
nen, in keiner großen Stadt, ſelbſt von einer
großen Heerſtraße abgelegen. Ach, ſo wird ja
nun endlich doch mein Lieblingswunſch erfuͤllt,
in der freyen Natur zu leben. Ich bedarf um
froh zu ſeyn keiner Zerſtreuung und keiner großen
Geſellſchaften; ich wuͤnſche, daß uns Niemand
beſuche, als gute Freunde, ſo wie Sie und Ihr
Bruder, dann wollten wir dort einmal das
ſchoͤne Leben von neuem fuͤhren, das ich bey
Ihnen im vorigen Fruͤhjahre genoß, als ich zu-
erſt Lovell kennen lernte.
Doch, ich wollte ja nicht mehr an ihn den-
ken. Ich ſoll mich ja mehr in meiner Gewalt
haben, wie Sie mir ſelbſt gerathen haben. Ich
finde auch, daß ich es ſo ziemlich gelernt habe; nur
manchmal widerſtreben mir thoͤrichte Erinnerun-
gen. — O ich werde gewiß, auch wenn ich zu-
weilen an Lovell denke, an Mortimers Seite
gluͤcklich ſeyn. — Er koͤmmt mir jetzt immer
vor, wie ein geſtorbener Bruder, und ich muß
noch manchmal weinen, aber es ſind nicht mehr
die brennenden Thraͤnen, die ich ehemals vergoß.
Sie ſehen, daß ich immer bleibe, wie ich
war. Ich habe Sie ſchon oft um dieſen ſchoͤ-
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/124>, abgerufen am 21.11.2024.
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