ist er zwar im Angesichte des buchstäblichen Ge- setzes schuldig, aber wahrlich nicht in den Au- gen der Vernunft, die nicht blos die grobe äußere, meistentheils nur zufällige Erscheinung, sondern den innern boshaften Sinn bestraft, selbst wenn dieser keine Handlungen hervor[b]ringt. -- Der zweyte Fall ist also nun dieser: daß schänd- liche Handlungen aus einem schändlichen Vor- haben entstehen. -- Wie kann aber meine Seele fremde Ueberzeugung wirklich als die ihrige annehmen? Wo willst Du den Punkt, den Mo- ment auffinden, in welchem eine reine Seele zu einer schlechten wird? Geschieht es durch einen Zufall: wie ist es möglich, daß sich da- durch ein Flecken im Geiste erzeugt, da er nur immer gute Gedanken und Vorsätze fassen kann? -- Durch die Meinung eines andern? Er wird mit reinem Sinne den fremden nicht begreifen, und wenn er ihn begreift, so setzt dies schon voraus, daß er selbst verdorben sey. -- Du wirst Dich aus diesem Labyrinthe von Wider- sprüchen nicht herausfinden können; nimm also meine Meinung an, und gieb mir zu, daß Deine Furcht gänzlich ungegründet ist.
Aber unmöglich kann mein verständiger Eduard
iſt er zwar im Angeſichte des buchſtaͤblichen Ge- ſetzes ſchuldig, aber wahrlich nicht in den Au- gen der Vernunft, die nicht blos die grobe aͤußere, meiſtentheils nur zufaͤllige Erſcheinung, ſondern den innern boshaften Sinn beſtraft, ſelbſt wenn dieſer keine Handlungen hervor[b]ringt. — Der zweyte Fall iſt alſo nun dieſer: daß ſchaͤnd- liche Handlungen aus einem ſchaͤndlichen Vor- haben entſtehen. — Wie kann aber meine Seele fremde Ueberzeugung wirklich als die ihrige annehmen? Wo willſt Du den Punkt, den Mo- ment auffinden, in welchem eine reine Seele zu einer ſchlechten wird? Geſchieht es durch einen Zufall: wie iſt es moͤglich, daß ſich da- durch ein Flecken im Geiſte erzeugt, da er nur immer gute Gedanken und Vorſaͤtze faſſen kann? — Durch die Meinung eines andern? Er wird mit reinem Sinne den fremden nicht begreifen, und wenn er ihn begreift, ſo ſetzt dies ſchon voraus, daß er ſelbſt verdorben ſey. — Du wirſt Dich aus dieſem Labyrinthe von Wider- ſpruͤchen nicht herausfinden koͤnnen; nimm alſo meine Meinung an, und gieb mir zu, daß Deine Furcht gaͤnzlich ungegruͤndet iſt.
Aber unmoͤglich kann mein verſtaͤndiger Eduard
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iſt er zwar im Angeſichte des buchſtaͤblichen Ge-
ſetzes ſchuldig, aber wahrlich nicht in den Au-
gen der Vernunft, die nicht blos die grobe
aͤußere, meiſtentheils nur zufaͤllige Erſcheinung,
ſondern den innern boshaften Sinn beſtraft, ſelbſt
wenn dieſer keine Handlungen hervorbringt. —
Der zweyte Fall iſt alſo nun dieſer: daß ſchaͤnd-
liche Handlungen aus einem ſchaͤndlichen Vor-
haben entſtehen. — Wie kann aber meine Seele
fremde Ueberzeugung wirklich als die ihrige
annehmen? Wo willſt Du den Punkt, den Mo-
ment auffinden, in welchem eine reine Seele
zu einer ſchlechten wird? Geſchieht es durch
einen Zufall: wie iſt es moͤglich, daß ſich da-
durch ein Flecken im Geiſte erzeugt, da er nur
immer gute Gedanken und Vorſaͤtze faſſen kann? —
Durch die Meinung eines andern? Er wird
mit reinem Sinne den fremden nicht begreifen,
und wenn er ihn begreift, ſo ſetzt dies ſchon
voraus, daß er ſelbſt verdorben ſey. — Du
wirſt Dich aus dieſem Labyrinthe von Wider-
ſpruͤchen nicht herausfinden koͤnnen; nimm alſo
meine Meinung an, und gieb mir zu, daß Deine
Furcht gaͤnzlich ungegruͤndet iſt.
Aber unmoͤglich kann mein verſtaͤndiger Eduard
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/132>, abgerufen am 09.11.2024.
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