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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796.

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ist er zwar im Angesichte des buchstäblichen Ge-
setzes schuldig, aber wahrlich nicht in den Au-
gen der Vernunft, die nicht blos die grobe
äußere, meistentheils nur zufällige Erscheinung,
sondern den innern boshaften Sinn bestraft, selbst
wenn dieser keine Handlungen hervor[b]ringt. --
Der zweyte Fall ist also nun dieser: daß schänd-
liche Handlungen aus einem schändlichen Vor-
haben entstehen. -- Wie kann aber meine Seele
fremde Ueberzeugung wirklich als die ihrige
annehmen? Wo willst Du den Punkt, den Mo-
ment auffinden, in welchem eine reine Seele
zu einer schlechten wird? Geschieht es durch
einen Zufall: wie ist es möglich, daß sich da-
durch ein Flecken im Geiste erzeugt, da er nur
immer gute Gedanken und Vorsätze fassen kann? --
Durch die Meinung eines andern? Er wird
mit reinem Sinne den fremden nicht begreifen,
und wenn er ihn begreift, so setzt dies schon
voraus, daß er selbst verdorben sey. -- Du
wirst Dich aus diesem Labyrinthe von Wider-
sprüchen nicht herausfinden können; nimm also
meine Meinung an, und gieb mir zu, daß Deine
Furcht gänzlich ungegründet ist.

Aber unmöglich kann mein verständiger Eduard

iſt er zwar im Angeſichte des buchſtaͤblichen Ge-
ſetzes ſchuldig, aber wahrlich nicht in den Au-
gen der Vernunft, die nicht blos die grobe
aͤußere, meiſtentheils nur zufaͤllige Erſcheinung,
ſondern den innern boshaften Sinn beſtraft, ſelbſt
wenn dieſer keine Handlungen hervor[b]ringt. —
Der zweyte Fall iſt alſo nun dieſer: daß ſchaͤnd-
liche Handlungen aus einem ſchaͤndlichen Vor-
haben entſtehen. — Wie kann aber meine Seele
fremde Ueberzeugung wirklich als die ihrige
annehmen? Wo willſt Du den Punkt, den Mo-
ment auffinden, in welchem eine reine Seele
zu einer ſchlechten wird? Geſchieht es durch
einen Zufall: wie iſt es moͤglich, daß ſich da-
durch ein Flecken im Geiſte erzeugt, da er nur
immer gute Gedanken und Vorſaͤtze faſſen kann? —
Durch die Meinung eines andern? Er wird
mit reinem Sinne den fremden nicht begreifen,
und wenn er ihn begreift, ſo ſetzt dies ſchon
voraus, daß er ſelbſt verdorben ſey. — Du
wirſt Dich aus dieſem Labyrinthe von Wider-
ſpruͤchen nicht herausfinden koͤnnen; nimm alſo
meine Meinung an, und gieb mir zu, daß Deine
Furcht gaͤnzlich ungegruͤndet iſt.

Aber unmoͤglich kann mein verſtaͤndiger Eduard

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[126/0132] iſt er zwar im Angeſichte des buchſtaͤblichen Ge- ſetzes ſchuldig, aber wahrlich nicht in den Au- gen der Vernunft, die nicht blos die grobe aͤußere, meiſtentheils nur zufaͤllige Erſcheinung, ſondern den innern boshaften Sinn beſtraft, ſelbſt wenn dieſer keine Handlungen hervorbringt. — Der zweyte Fall iſt alſo nun dieſer: daß ſchaͤnd- liche Handlungen aus einem ſchaͤndlichen Vor- haben entſtehen. — Wie kann aber meine Seele fremde Ueberzeugung wirklich als die ihrige annehmen? Wo willſt Du den Punkt, den Mo- ment auffinden, in welchem eine reine Seele zu einer ſchlechten wird? Geſchieht es durch einen Zufall: wie iſt es moͤglich, daß ſich da- durch ein Flecken im Geiſte erzeugt, da er nur immer gute Gedanken und Vorſaͤtze faſſen kann? — Durch die Meinung eines andern? Er wird mit reinem Sinne den fremden nicht begreifen, und wenn er ihn begreift, ſo ſetzt dies ſchon voraus, daß er ſelbſt verdorben ſey. — Du wirſt Dich aus dieſem Labyrinthe von Wider- ſpruͤchen nicht herausfinden koͤnnen; nimm alſo meine Meinung an, und gieb mir zu, daß Deine Furcht gaͤnzlich ungegruͤndet iſt. Aber unmoͤglich kann mein verſtaͤndiger Eduard

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/132>, abgerufen am 09.11.2024.