Die ganze, ganze lange Nacht hab' ich nicht schlafen können. Und daran bist blos Du Schuld! Immer war mir, als schliefest Du neben mir, ich hatte Dich in meinen Armen, und wachte von Deinen Küssen auf. Als der Mond durch eine Ritze der Fensterladen in meine Stube schien, und der Strahl sich so über den Boden goß und an der Decke schimmerte, hab' ich recht herzlich geweint, weil ich mich zum erstenmal im Leben so einsam fühlte. O Du böser Mensch kannst die Noth gar nicht verantworten, die Du mir machst. Mein Vater ist todt und meine Mutter stirbt auch vielleicht bald; wenn nun Pietro nicht zurück kömmt, so bist Du der ein- zige Mensch auf der Welt, der mir noch bey- stehn kann. Aber wenn Du alle meine Liebe nicht verdientest! Ach Anthonio, Du hast Dich so oft über meine Lustigkeit gefreut, ich bin nur frölich, wenn ich Dich sehe, Du siehst, wie betrübt ich werde, wenn ich allein bin. Drum
Lovell. 2r Bd. L
40. Roſaline an Anthonio.
Die ganze, ganze lange Nacht hab’ ich nicht ſchlafen koͤnnen. Und daran biſt blos Du Schuld! Immer war mir, als ſchliefeſt Du neben mir, ich hatte Dich in meinen Armen, und wachte von Deinen Kuͤſſen auf. Als der Mond durch eine Ritze der Fenſterladen in meine Stube ſchien, und der Strahl ſich ſo uͤber den Boden goß und an der Decke ſchimmerte, hab’ ich recht herzlich geweint, weil ich mich zum erſtenmal im Leben ſo einſam fuͤhlte. O Du boͤſer Menſch kannſt die Noth gar nicht verantworten, die Du mir machſt. Mein Vater iſt todt und meine Mutter ſtirbt auch vielleicht bald; wenn nun Pietro nicht zuruͤck koͤmmt, ſo biſt Du der ein- zige Menſch auf der Welt, der mir noch bey- ſtehn kann. Aber wenn Du alle meine Liebe nicht verdienteſt! Ach Anthonio, Du haſt Dich ſo oft uͤber meine Luſtigkeit gefreut, ich bin nur froͤlich, wenn ich Dich ſehe, Du ſiehſt, wie betruͤbt ich werde, wenn ich allein bin. Drum
Lovell. 2r Bd. L
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40.
Roſaline an Anthonio.
Die ganze, ganze lange Nacht hab’ ich nicht
ſchlafen koͤnnen. Und daran biſt blos Du Schuld!
Immer war mir, als ſchliefeſt Du neben mir,
ich hatte Dich in meinen Armen, und wachte
von Deinen Kuͤſſen auf. Als der Mond durch
eine Ritze der Fenſterladen in meine Stube
ſchien, und der Strahl ſich ſo uͤber den Boden
goß und an der Decke ſchimmerte, hab’ ich recht
herzlich geweint, weil ich mich zum erſtenmal
im Leben ſo einſam fuͤhlte. O Du boͤſer Menſch
kannſt die Noth gar nicht verantworten, die Du
mir machſt. Mein Vater iſt todt und meine
Mutter ſtirbt auch vielleicht bald; wenn nun
Pietro nicht zuruͤck koͤmmt, ſo biſt Du der ein-
zige Menſch auf der Welt, der mir noch bey-
ſtehn kann. Aber wenn Du alle meine Liebe
nicht verdienteſt! Ach Anthonio, Du haſt Dich
ſo oft uͤber meine Luſtigkeit gefreut, ich bin
nur froͤlich, wenn ich Dich ſehe, Du ſiehſt, wie
betruͤbt ich werde, wenn ich allein bin. Drum
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/167>, abgerufen am 21.11.2024.
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