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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796.

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geschmiegt, halb an mich gedrückt. Nein, keine
andre Erinnerung verdient seit diesem Augen-
blicke einen Platz in meiner Seele, -- ich möch-
te zu ihr hinüber stürzen, aber die Mutter ist
jetzt dort. -- Ueber die elende Narrheit! daß
es unsre sogenannte Tugend, unsre Lebensweise
mit sich bringt, daß wir nicht so glücklich seyn
dürfen, als wir seyn könnten! -- Die Men-
schen haben ordentlich darauf studiert, alle ihre
Freuden schon in der Geburt zu ersticken; da
muß erst Hochzeit, Trauung gehalten werden,
tausend unangenehme und widrige Sachen um
sich her versammlet, Glückwünsche von alten
Narren und Muhmen, damit ja das allerhöch-
ste, der himmlischste Genuß im Menschen zum
niedrigsten und langweiligsten Spaße herabgewür-
digt werde, damit wir uns ja auf keinen Au-
genblick von dieser jämmerlichen Erde entfernen,
und aus ihrem Dunstkreise von Armseligkeiten
mit den Flügeln der Wonne hinüber heben.

Sie hätten sie sehn sollen, Rosa, wie Schaam
und Wonne in den hellen Augen kämpften: wie
sie mich zurückstoßen wollte, und doch nur fester
an sich drückte; wie sie klagen wollte, und doch
ihren Mund meinen wollüstigen Küssen darbot. --

geſchmiegt, halb an mich gedruͤckt. Nein, keine
andre Erinnerung verdient ſeit dieſem Augen-
blicke einen Platz in meiner Seele, — ich moͤch-
te zu ihr hinuͤber ſtuͤrzen, aber die Mutter iſt
jetzt dort. — Ueber die elende Narrheit! daß
es unſre ſogenannte Tugend, unſre Lebensweiſe
mit ſich bringt, daß wir nicht ſo gluͤcklich ſeyn
duͤrfen, als wir ſeyn koͤnnten! — Die Men-
ſchen haben ordentlich darauf ſtudiert, alle ihre
Freuden ſchon in der Geburt zu erſticken; da
muß erſt Hochzeit, Trauung gehalten werden,
tauſend unangenehme und widrige Sachen um
ſich her verſammlet, Gluͤckwuͤnſche von alten
Narren und Muhmen, damit ja das allerhoͤch-
ſte, der himmliſchſte Genuß im Menſchen zum
niedrigſten und langweiligſten Spaße herabgewuͤr-
digt werde, damit wir uns ja auf keinen Au-
genblick von dieſer jaͤmmerlichen Erde entfernen,
und aus ihrem Dunſtkreiſe von Armſeligkeiten
mit den Fluͤgeln der Wonne hinuͤber heben.

Sie haͤtten ſie ſehn ſollen, Roſa, wie Schaam
und Wonne in den hellen Augen kaͤmpften: wie
ſie mich zuruͤckſtoßen wollte, und doch nur feſter
an ſich druͤckte; wie ſie klagen wollte, und doch
ihren Mund meinen wolluͤſtigen Kuͤſſen darbot. —

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[189/0195] geſchmiegt, halb an mich gedruͤckt. Nein, keine andre Erinnerung verdient ſeit dieſem Augen- blicke einen Platz in meiner Seele, — ich moͤch- te zu ihr hinuͤber ſtuͤrzen, aber die Mutter iſt jetzt dort. — Ueber die elende Narrheit! daß es unſre ſogenannte Tugend, unſre Lebensweiſe mit ſich bringt, daß wir nicht ſo gluͤcklich ſeyn duͤrfen, als wir ſeyn koͤnnten! — Die Men- ſchen haben ordentlich darauf ſtudiert, alle ihre Freuden ſchon in der Geburt zu erſticken; da muß erſt Hochzeit, Trauung gehalten werden, tauſend unangenehme und widrige Sachen um ſich her verſammlet, Gluͤckwuͤnſche von alten Narren und Muhmen, damit ja das allerhoͤch- ſte, der himmliſchſte Genuß im Menſchen zum niedrigſten und langweiligſten Spaße herabgewuͤr- digt werde, damit wir uns ja auf keinen Au- genblick von dieſer jaͤmmerlichen Erde entfernen, und aus ihrem Dunſtkreiſe von Armſeligkeiten mit den Fluͤgeln der Wonne hinuͤber heben. Sie haͤtten ſie ſehn ſollen, Roſa, wie Schaam und Wonne in den hellen Augen kaͤmpften: wie ſie mich zuruͤckſtoßen wollte, und doch nur feſter an ſich druͤckte; wie ſie klagen wollte, und doch ihren Mund meinen wolluͤſtigen Kuͤſſen darbot. —

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/195>, abgerufen am 24.11.2024.